Rauchbomben auf die CSD-Demonstration vor ihrem Beginn, auf der Wegstrecke sollten später mehrfach weitere folgen
In der polnischen Stadt Lublin fand am Samstagmittag der erste CSD der Stadt mit mehreren hundert Teilnehmern statt, nach letzten Angaben sogar rund 1.500. Die Demonstration zog unter Polizeischutz durch die Innenstadt, ein Gegenprotest von Rechtsextremen und Hooligans fand rund 200 Teilnehmer, die sich später dem CSD mehrfach entgegenstellten.
Die Polizei schützte die Pride-Demonstration mit einem Großaufgebot, konnte aber nicht verhindern, dass vor Beginn des "Marsches der Gleichberechtigung" mehrere Rauchbomben und Feuerwerkskörper in Richtung der Teilnehmer flogen; verletzt wurde dabei niemand. CSD-Teilnehmer riefen "Keine Faschisten!", "Lublin, Stadt der Akzeptanz", "Stoppt Homophobie" oder "Freiheit, Gleichheit, Toleranz".
Den Gegendemonstranten war nur ein fester Platz, keine Strecke, zugewiesen worden. Teilnehmer skandierten "Junge, Mädchen, normale Familie" und "Lublin, Stadt ohne Abweichungen" oder riefen "Schwuchteln" gegen Pride-Besucher. Einige Gegendemonstranten liefen entlang der Demostrecke des "Marsz Równosci w Lublinie", die in Absprache mit der Polizei geändert wurde, und beschimpften Teilnehmer. Immer wieder konnten vereinzelte Gegendemonstranten zu dem CSD vordringen, dabei etwa Ballons vom Paradewagen entfernen und zertreten.
Später wurde die Pride-Demo von einer Blockade von Gegendemonstranten aufgehalten, aus der heraus erneut Rauchbomben flogen. Die Polizei kündigte an, die illegale Versammlung aufzulösen, sollten sie nicht Platz machen. Letztlich setzte sie Wasserwerfer ein, der CSD konnte nach wenigen Minuten weiterziehen. Auch an weiteren Wegstrecken wurden immer wieder Feuerwerkskörper geworfen, eine von dutzenden Menschen gehaltene große Regenbogenflagge erhielt so ein Loch. Auch Steine und Tomaten wurden geworfen.
Mehrfach kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen, hauptsächlich zwischen Polizisten und Gegendemonstranten. Laut Polizei kam es nur zu vereinzelten und nicht schweren Verletzungen von Personen, zwei Polizisten mussten behandelt werden. Dutzende Gegendemonstranten wurden festgenommen, einzelne Gewalttäter suchte die Polizei später mit Bildern in sozialen Netzwerken. Der CSD selbst wurde von einem Sprecher als sehr friedlich gelobt.
Politisches Gerangel im Vorfeld
Der Bürgermeister der Stadt, Krzysztof Zuk von der liberal-konservativen Bürgerplattform, hatte den CSD sowie die Gegendemonstration am Dienstag zunächst verboten, offenbar unter großen Druck des Regionalgouverneurs Przemyslaw Czarnek (PiS), und dafür Sicherheitsgründe geltend gemacht. Ein Gericht bestätigte die Entscheidung zunächst, obwohl die Polizei bekannt gab, durchaus für die Sicherheit sorgen zu können. Am Freitag entschied ein Berufungsgericht, dass beide Demonstrationen stattfinden können. Bereits vor den Gerichten hatten dutzende LGBTI mit Regenbogenflaggen ein Zeichen gesetzt.
In sozialen Netzwerken hatten einige Rechtsradikale ein Bild verteilt, das CSD-Teilnehmer den Gang ins ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek nahelegte – nur ein Teil von einer regelrechten Hetze, die sich über die örtlichen LGBT ergoss. Regionalgouverneur Czarnek hatte von ihnen als "Abweichlern" und "Perversen" gesprochen, ein PiS-Stadtrat verglich Schwule mit Pädophilen und ein örtlicher Priester warnte vor "Sodomiten-Terror". LGBTI-Aktivisten berichten aber auch von vielen positiven Signalen aus der Stadtbevölkerung, aus Medien und Polizei. Während der Parade durch die Innenstadt hatte es von Passanten und Anwohnern auch Zustimmung und Jubel gegegeben.
Dem CSD schlossen sich am Nachmittag zwei Podiumsdiskussionen und eine Filmvorführung an, ebenfalls geschützt von der Polizei. Am Abend lobte der Bürgermeister die Beamten und beschuldigte Czarnek, für die Eskalationen verantwortlich zu sein. (nb)
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