Etagenbetten im Berliner Gay Hostel: Die Besitzer wollen junge Gäste vor "übergriffigen" Älteren schützen
Nimm für einen Moment an, du fährst nach Konstanz – oder in eine beliebige andere Stadt. Du hast dich in einem Hotel eingemietet. Dort angekommen, wird dir eröffnet, dass du aufgrund deiner Homosexualität nicht willkommen bist. Oder du wirst in einem anderen Fall zurückgewiesen, weil du mit 42 Jahren bereits zu alt für das Hotel bist und dort daher kein Bett erhalten kannst. Klare Fälle von Diskriminierung würden wir hier erkennen – zu Recht.
Anders sieht es dann aus, wenn wir auf die Umgangsweisen in den schwulen Szenen sehen. Über die Situation in Clubs würde es sich lohnen zu streiten. Aber bleiben wir bei der Übernachtung in einem Hotel. Sollte man hier davon ausgehen, dass Geschlecht und Alter keine Rolle spielen, um übernachten zu können – abgesehen von finanziellen Vergünstigungen, wie sie etwa Studierenden, Auszubildenden oder Senior*innen zugutekommen mögen -, so trifft man in der Szene auf eine andere Situation.
In vielen Fällen stellt die Bezeichnung "Gay" im Hotel-Namen nicht nur eine Offenheit eines Ortes für Schwule aus, sondern wird damit die Abgrenzung gegenüber heterosexuellen Männern und Frauen und gegenüber Lesben markiert. Wer sich als schwuler Mann dann noch sicher fühlt, doch eingelassen zu werden, stößt zuweilen auf eine weitere Barriere: "Du bist zu alt." Kann es ausreichende Sachgründe geben, den Zugang zu Jugendgruppen nach Alter zu beschränken (im LGBTI-Kontext oft 27 Jahre) und gibt der Jugendschutz eine Altersgrenze von 18 Jahren vor, sofern es um sexuelle Handlungen geht und Jugendliche nicht Eingang haben sollen, so sind weitergehende Altersbeschränkungen grotesk – gerade im Hotelbetrieb, wo man pfleglich mit der zahlenden Kundschaft umgehen sollte.
Vor allem verbietet sich aber ein genereller Altersausschluss von älteren Schwulen aus unserer Tradition: Es waren gerade die jetzt älteren Schwulen, die noch die so furchtbare Verbotszeit ertragen und die in der Schwulenbewegung gestritten haben! Aber ein Beispiel zeigt, dass es das Groteske doch gibt.
"Ausschließlich an schwule Männer bis zum Alter von 38"
Das "Gay Hostel" in der Kalckreuthstraße 10 in Berlin-Schöneberg wirbt online offensiv mit der Altersgrenze 38: "Bitte beachte, dass sich dieses Hostel ausschließlich an schwule Männer bis zum Alter von 38 Jahren richtet!", heißt es auf der Website. Einen Sachgrund für die willkürlich erscheinende Altersgrenze nennen die Betreiber nicht.
Gay Hostel in der Kalckreuthstraße: Der Banner oben links informiert auf der Homepage über die Altersbegrenzung
Auf eine Nachfrage der Antidiskriminierungsstelle Berlin legt das Hostel in einem Antwortschreiben vom 29. August dar, "dass man als schwuler Mann ab ca. Mitte 35 'unsichtbar' wird und zum 'alten Eisen' gehört". Dabei würden von vielen Menschen "junge Menschen" als "attraktiver" empfunden. Das veranlasse die älteren schwulen Gäste des Hostels, gegenüber den jüngeren übergriffig zu werden, wie die Betreiber weiter ausführen: Es gebe dort auch "Mehrbettzimmer und Gemeinschaftsduschen", wo es "wiederholt vorgekommen [ist], dass jüngere Gäste von älteren Gästen anzüglich angesprochen, angefasst und in sonstiger Weise sexuell belästigt worden sind". Um nun die "jüngeren Gäste vor solchen sexuellen Belästigungen zu schützen", sei ihre Absonderung von den älteren erforderlich. Letztere dürften in dem zweiten Haus des Hostels, in der Motzstraße 28, übernachten.
Die Antidiskriminierungsstelle Berlin kommt auf Basis der Darlegungen des Hostels zur Einschätzung, dass die "gesetzte Höchstaltersgrenze gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG" verstößt. Dies teilte der Behörde der Pension in einem Schreiben vom 25. September mit.
§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen […] ist unzulässig.
In einer ersten Einschätzung gelangt auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu einer solchen Sicht: "Ein rechtfertigender Sachgrund [für die Ungleichbehandlung/Beschränkung] ist tatsächlich nicht ersichtlich", heißt es in einem Schreiben an den Autor dieses Textes. Obwohl die Antidiskriminierungsstelle Berlin ihre Einschätzung dem "Gay Hostel" gegenüber sehr deutlich gemacht hat, wurde die Werbung bis heute nicht angepasst.
Als die Beschwerde führende Person habe ich davon abgesehen, sogleich eine Unterlassungserklärung gegen das "Gay Hostel" aufsetzen zu lassen, wie sie ebenfalls möglich gewesen wäre. Statt zu schaden, geht es mir mehr darum, dass Diskussionen geführt werden – und auf dieser Basis die Diskriminierung unterbunden wird. Mir geht es darum, dass auch in den schwulen Szenen Diskriminierungen endlich als solche wahrgenommen werden – und schwule Räume nicht als rechtsfreie Räume gelten, weil Schwule ja vermeintlich nicht diskriminieren könnten. Dass sie es tun, darauf verweisen zahlreiche Berichte: Hier geht es um Alter.
Warum gilt Diskriminierung in der Szene als normal?
In den Debatten der letzten Wochen wurde deutlich, wie massiv rassistische Stereotype auch unter Schwulen verbreitet sind und etwa als asiatisch zugeschriebene Männer von weißen Schwulen ausgegrenzt werden. Deutlicher wird mittlerweile, wie diskriminierend schwule Subkulturen sind.
Warum gilt die Diskriminierung nach Alter, "Rasse" und Geschlecht in diesen Szenen als normal? Wie könnte sich das ändern? Statt in den eigenen Szenen Diskriminierungen zu betreiben, könnte es doch sinnvoll sein, darauf zu sehen, wie das Bisschen an schwuler und lesbischer Subkultur in Berlin erhalten werden kann – inklusive Darkrooms. Dazu gehört aber auch, dass Szenen selbst nicht diskriminieren – für eine schwule Szene, die alte Schwule und andere Personen ausschließt, lohnt es sich nicht zu streiten! Sie gehört zum Problem, nicht zur Lösung.
Offenlegung: Bei den gegen das Gay Hostel Beschwerde führenden Personen handelt es sich um mich, Heinz-Jürgen Voß (38), Professor*in für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung an der Hochschule Merseburg, und meinen Partner (42). Warum ist eigentlich niemand vor uns auf die Idee gekommen, sich über diese Art der Diskriminierung zu beschweren?
Allerdings sind die Aussagen des Hotelmanagement sehr eindeutig, das es ihnen nicht darum geht für junge Schhwule, sondern gegen nicht mehr so junge Schwule zu sein. Denn wer so allgemeinert.
Ausserdem ist es nicht mehr zeitgemäss Youth Hostel zu deklarieren, selbst in deutschen Jugendherbergen darf jeder übernachten....
Und selbst, wenn es tatsächlich zu Belästigungen kommt, hat das Hotelmanagement noch ein Hausrecht..