Nach einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf haben die Menschen im größten Land Lateinamerikas am Sonntag in einer Stichwahl über Brasiliens künftigen Staatschef abgestimmt. Nach einem Zwischenergebnis der Wahlbehörde mit 99 Prozent ausgezählten Stimmen erzielte der 63-Jährige 55,1 Prozent, das sind rund 57,8 Millionen Wähler. "Heute steht die Demokratie auf dem Spiel", hatte Gegenkandidat Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei nach seiner Stimmabgabe in São Paulo gewarnt. Er überzeugte nur 44,9 Prozent bzw. 47 Millionen Wähler.
Der frühere Fallschirmjäger kündigte am Sonntagabend vor jubelnden Anhängern einen radikalen Politikwechsel an. "Ich werde das Schicksal des Landes verändern." Jetzt werde "nicht weiter mit dem Sozialismus, dem Kommunismus, dem Populismus und dem Linksextremismus geflirtet." Bolsonaro meinte, er wolle das Land wieder zu einer großen Nation machen: "Brasilien über alles. Gott über alles."
Bereits in der ersten Wahlrunde am 7. Oktober hatte er 46 Prozent der Stimmen erzielt, Haddad 29,3 Prozent. Bei den Parlamentswahlen am gleichen Tag wurde Bolsonaros Bündnis zweitstärkste Kraft, stellt im 30-Parteien-Parlament allerdings mit 52 der 513 Sitze weniger als ein Zehntel der Mandate. Die Arbeiterpartei holte nur vier Sitze mehr – das Image der PT ist nach Lateinamerikas größter Schmiergeldaffäre "Lava Jato" (Autowäscherei) schwer beschädigt. Haddads politischer Ziehvater Lula sitzt wegen Korruption im Gefängnis, Präsidentin Dilma Rousseff wurde des Amtes enthoben. Auch andere Parteien kämpften mit Korruptionsvorwürfen.
Bolsonaros Gegenkandidat Fernando Haddad beim CSD in São Paulo 2012 gemeinsam mit der damaligen Kulturministerin Marta Suplicy (Bild: Ministério da Cultura / flickr)
Bolsonaro, der häufig als "Donald Trump Brasiliens" bezeichnet wird, gilt als umstrittener, das Land spaltender Politiker, der immer wieder Frauen, Schwarze und Homosexuelle beleidigt und Sympathie für die frühere Militärdiktatur zeigte. Ausgerechnet das Regenwald-Land Brasilien soll nach seinen Vorstellungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen und mehr Abholzung im Amazonasgebiet zuzulassen. Bolsonaros Pläne, gleichgeschlechtliche Ehen (seit 2013 möglich) und Abtreibung verbieten zu lassen, stießen bei den vielen evangelikalen Christen in Brasilien auf große Zustimmung, berichtet die dpa. Ein angekündigter harter Kampf gegen Kriminalität und Korruption brachte ihm offenbar viele Stimmen ein.
Konstante Hetze gegen Homo- und Transsexuelle
Zur hohen Kriminalitätsrate gehören allerdings auch Hassverbrechen an Minderheiten, auch an LGBTI. Einer Schätzung zufolge wurden allein in diesem Jahr bis Anfang September 300 LGBTI ermordet. LGBTI-Organisationen warnten vor einer Wahl Bolsonaros, er sei wohl in der Geschichte des Landes der Präsidentschaftskandidat mit der meisten und krassesten Hetze gegen LGBTI.
Der Rechtspopulist, der seit 1991 dem brasilianischen Parlament angehört, erklärte etwa einmal, er würde gerne eine heterosexuelle Pride-Parade und ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Heterosexuellen etablieren. International bekannt wurde er durch sein Interview mit Stephen Fry in dessen Dokumentation "Out There", in dem er die Existenz von homophober Gewalt in Brasilien verleugnete und verkündete, dass kein brasilianischer Vater jemals Stolz auf einen schwulen Sohn wäre.
Vergangenes Jahr verurteilte ihn ein Gericht wegen Volksverhetzung zur Zahlung von 150.000 Real (34.000 Euro) – Anlass war ein Interview aus dem Jahr 2011, in dem er unter anderem erklärt hatte, dass seine Kinder nie einen schwulen Sohn zur Welt bringen würden, weil sie eine "gute Erziehung" genossen hätten. Bei dem Interview fügte er hinzu, dass er einen schwulen Sohn nicht lieben könne: "Mir wäre lieber, er würde bei einem Unfall sterben", so Bolsonaro.
In Zusammenarbeit mit christlichen Parlamentariern könnte der Politiker viele Fortschritte zurücknehmen oder einschränken, fürchten viele Aktivisten. Sie erinnern daran, dass Fragen wie die Ehe für alle durch die Justiz entschieden wurden, nicht durch fortschrittliche Politiker. Bolsonaro hat angekündigt, die Richterstellen am Höchsten Gericht zu erhöhen – und mit seinen Kandidaten zu besetzen.
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The Presidential election results in Brazil are just in. And, I'm afraid I don't have good news at all.
Our newly elected next President is a man called Jair Bolsonaro. He is unapologetically racist, misogynistic, homophobic, transphobic, and authoritarian.
And this win has empowered people who think like him to start acting violently on his behalf. When questioned about it, he just said "I can't control my supporters."
There have been at least 50 attacks just in the three weeks between the election turns. It's only getting worse. LGBT+ people and other marginalised groups are being rounded up, cornered, verbally, and physically abused. Two trans women were murdered, even!
This is exactly why we're launching All Out Brazil. We can train local LGBT+ activists, help fund grassroots projects to protect and improve LGBT+ lives, pressure authorities, and fight alongside the local movement against whatever threats come our way.
Brazil is one of the most dangerous countries for LGBT+ people in the world. Trans women are expected to live to just 35 years old. One of us is killed for being LGBT+ every 20 hours or so.
But we're a people-powered movement, so we need your help to make that happen.
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Wer etwas spenden kann, möge das in dieser dunklen Stunde der Weltgeschichte tun.
Mein tiefstes Mitgefühl mit allen Menschen in Brasilien. - Minha mais profunda simpatia com todas as pessoas no Brasil.