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Kleine Anfrage der Grünen

Bislang nur sechs Schwule aus Schleswig-Holstein rehabilitiert

Im Nachkriegsdeutschland wurden rund 64.000 Menschen wegen ihrer Homosexualität verurteilt – doch auch im nördlichsten Bundesland beantragen nur die wenigsten eine Entschädigung.


Historisches Motiv von Ralf König auf einem aktuellen Plakat zur Ausstellung "§ 175 – Geschichte und Schicksale": Die Streichung des Paragrafen war bis 1994 das wichtigste Thema der westdeutschen Schwulenbewegung
  • 31. Oktober 2018, 09:23h 18 2 Min.

Mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Rehabilitierung verurteilter Homosexuelle haben lediglich sieben Männer bei schleswig-holsteinischen Staatsanwaltschaften Anträge auf Rehabilitierungsbescheinigungen gestellt. Sechs Anträge führten "zu der erstrebten Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung", heißt es in der Antwort des Justizministeriums auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Rasmus Andresen (PDF). Der siebte Fall wurde zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Siegen abgegeben.

Die Bescheinigung ist Voraussetzung, um vom Bundesamt für Justiz Entschädigung zu erhalten: pauschal 3.000 Euro pro Person sowie 1.500 Euro für jedes angefangene Jahr im Gefängnis. Anspruch auf Entschädigung haben Menschen, die rechtskräftig verurteilt wurden.

Für viele Betroffene kam die Rehabilitierung zu spät

"Die strafrechtliche Verfolgung von homosexuellen Männern bis in die Siebzigerjahre war eine Schande", sagte Andresen der Deutschen Presse-Agentur. "Besonders bitter ist, dass die Rehabilitierung der Opfer des Paragrafen erst 2017 geregelt wurde. Dadurch werden viele betroffene, bereits verstorbene homosexuelle Männer nicht mehr entschädigt."

Der frühere Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Die Bundesrepublik hatte diese durch die Nationalsozialisten verschärfte Regelung übernommen. 1969 wurde der Paragraf entschärft, aber erst 1994 abgeschafft. Auf seiner Basis wurden Schätzungen zufolge 64.000 Menschen verurteilt. Wie viele Betroffene noch leben, ist nicht bekannt.

Die Bundesregierung hatte ursprünglich bundesweit mit bis zu 5.000 Anträgen auf Entschädigung gerechnet. Bis Juni wurden im Bundesamt für Justiz allerdings nur 99 Fälle bearbeitet (queer.de berichtete). Über den Bundesrat versucht der rot-rot-grüne Berliner Senat derzeit, Nachbesserungen bei der Rehabilitierung zu erreichen (queer.de berichtete). (cw/dpa)

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-w-

#1 Simon HAnonym
  • 31.10.2018, 10:59h
  • Da die von Union und SPD beschlossene Pseudo-Rehabilitierung ein Witz ist und wieder neu herabwürdigt, kann ich gut verstehen, dass jeder, der nicht unbedingt ein paar Euro braucht, auf diese neuerliche Diskriminierung verzichtet.

    Zumal viele §175-Opfer ja auch gar nicht erst in Frage kommen (prominentes Beispiel ist der vor kurzem verstorbene Wolfgang Lauenburger).

    Das bekommen auch nur Union und SPD hin, Opfer so zu entschädigen, dass sie sie erneut zu Opfern machen. Und dann versucht die SPD auch noch, sich dafür zu feiern...
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#2 JFAMKAnonym
  • 31.10.2018, 11:12h
  • Antwort auf #1 von Simon H
  • Rehabilitiert sind pauschal alle Männer, die bis 1994 nach § 175 verurteilt wurden, wenn ihr Sexpartner mind. 16 Jahre alt war.

    Rehabilitierung und Entschädigung sind zwei Sachen. Vielleicht sollte man das einmal deutlich machen. Alle Urteile sind aufgehoben!

    In Schlweswig-Holstein sind also wesentlich mehr Männer rehabilitiert. Nur entschädigt wurden bisher lediglich sechs Personen. Das ist ein Unterschied!
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#3 Simon HAnonym
  • 31.10.2018, 11:48h
  • Antwort auf #2 von JFAMK
  • Nein, das stimmt nicht.

    Es gibt noch deutlich mehr Leute, die nicht rehabilitiert (und damit erst recht nicht entschädigt) werden können. Z.B. die Leute, die zwar angeklagt wurden, teilweise in Untersuchungshaft saßen, aber dann doch nicht rechtskräftig verurteilt wurden. Auch sie waren gebrandmarkt und sozial geächtet und haben oft Studienplatz, Arbeitsstelle, Familie und Freunde verloren (so ein Fall war z.B. auch Wolfgang Lauinger). Das kann man auch in den im Artikel verlinkten Artikeln ausführlich nachlesen.

    Und abgesehen davon ist natürlich auch die pauschale Altersgrenze unsinnig, weil sie z.B. auch Menschen betrifft, wo ein Partner 16 und der andere 15 war, die also einfach ein pubertierendes Paar waren.

    Und unabhängig davon:

    Selbst diejenigen, die rehabilitiert werden und Entschädigung erhalten, bekommen diese Entschädigung nur für die Zeit in Knast. Dass sie auch danach oft nie mehr eine Stelle im erlernten Beruf (oder überhaupt eine Stelle) finden konnten, dass ihre Karriere für immer verbaut war, dass sie dann oft von Sozialhilfe oder Hilfstätigkeiten weit unter ihrer Qualifikation leben mussten, etc. wird überhaupt nicht berücktsichtigt. Und das betrifft ja nicht nur das Berufsleben, sondern auch die gesammelten Rentenansprüche, so dass sie auch im Alter oft an der Armutsgrenze oder darunter leben.

    Und dass diese Verdienst- und Rentenausfälle nicht ausgeglichen wurden ist auch nicht das Ende. Sondern sie erhielten auch nichts dafür, dass sie oft Familie und Freunde verloren haben und die damit verbundenen psychischen Schäden. Oft haben die ein Leben in Einsamkeit geführt.

    Aber selbst wenn man sich nur die Entschädigungen für die Knast-Zeit ansieht, ist sogar das noch diskriminierend. Denn die beträgt nicht mal 10% dessen, was unschuldig inhaftierte Heteros bekommen.

    Fazit:

    In mehreren Bereichen und auf mehreren Ebenen ist diese Rehabilitierung und Entschädigung eine Unverschämtheit und diskriminiert schon wieder neu.

    Das ist nur ein Feigenblatt, mit dem Union und SPD bei weniger informierten Menschen (was nun mal leider immer - auch in anderen Bereichen - die überwiegende Mehrheit ist) vortäuschen wollen, etwas getan zu haben, aber in Wirklichkeit ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein oder gar die Pervertierung einer echten Rehabilitierung und Entschädigung.
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