Im "sicheren" Tunesien werden Menschen noch immer wegen ihrer sexuellen Orientierung gefoltert (Bild: HRW)
Die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat am Donnerstag Tunesien für die Verfolgung von schwulen Männer kritisiert. Die Polizei würde gezielt die Handys von Männern durchsuchen, die der Homosexualität verdächtigt werden. Außerdem würden diese Verdächtigen zu Geständnissen oder der Durchführung von Anal-Untersuchungen gedrängt.
Diese Untersuchungen dürfen zwar offiziell seit letzten Jahr nicht mehr zwangsweise durchgeführt werden, laut HRW würden aber trotzdem Verdächtige dazu gezwungen. Viele Beschuldigte würden sich auch "freiwillig" der Prozedur unterziehen, da bei Nichtzustimmung die Gerichte die Weigerung als Schuldeingeständnis werten würden. Auf gleichgeschlechtlichen Sex stehen in Tunesien drei Jahre Haft.
Bei den Anal-Tests wird den beschuldigten Männern unter anderem ein Metallobjekt in Eierform in den Enddarm eingeführt. Der Arzt soll so feststellen können, ob der Patient Analsex gehabt hat. Ärzteverbände halten den Test für nutzlos und nicht aussagekräftig. Außerdem haben Menschenrechtsaktivisten wiederholt erklärt, dass die Untersuchung eine Form der Vergewaltigung sei, die unter anderem gegen die UN-Antifolterkonvention verstoße. Laut Human Rights Watch habe die Untersuchung bei manchen Menschen zu einem "anhaltenden psychologischen Trauma" geführt. Zudem gefährdeten diese Tests die HIV-Prävention, da das Patienten-Ärzte-Verhältnis beschädigt werde.
Behörden versuchen auch, Schwule zu "heilen"
Die Menschenrechtler berichten von mehreren Interviews mit Männern, die wegen Homosexualität verfolgt wurden und im Gefängnis waren. Einige von ihnen haben wegen der Verfolgung Tunesien verlassen und in Europa Asyl beantragt. Sie berichten etwa von einem 17-Jährigen, der drei Mal wegen Homosexualität verhaftet worden sei und sogar zu einer Anal-Untersuchung gezwungen wurde. Der Junge musste sich danach in einem Jugendgefängnis monatelang einer Konversionstherapie unterziehen, mit der seine Homosexualität "geheilt" werden sollte.
Selbst gegen Opfer von Gewalt gehen die tunesischen Behörden vor: So wurde ein 32-Jähriger im Juni Opfer einer Gruppenvergewaltigung, woraufhin er bei der Polizei Anzeige erstattete. Die Beamten hätten ihn dann zu einem Anal-Test gezwungen, um sicherzugehen, dass er selbst kein Schwuler sei.
Die tunesische Regierung versucht derzeit, ihre archaischen Gesetze zu reformieren, und hat Straffreiheit für Homosexualität in Aussicht gestellt. Dagegen gibt es aber im Land heftige Proteste von Islamisten (queer.de berichtete).
Trotz dieser menschenrechtlichen Defizite will die schwarz-rote Regierung in Berlin Tunesien – gemeinsam mit Marokko und Algerien – zu einem "sicheren Herkunftsstaat" erklären. Asylbewerber hätten es dann viel schwerer, in Deutschland anerkannt zu werden. Die Bedrohungslage für Homosexuelle erklärte die Bundesregierung kurzerhand quasi für Fake News: Erst am Donnerstag sagte Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) im Bundestag, dass es keine systematische Verfolgung Homosexueller in den Maghreb-Ländern gebe (queer.de berichtete). (dk)
Die Maghreb Staaten sind alles andere als sicher(!)