In Kuba ist das Sammeln von Vorschlägen und Ansichten der Bevölkerung zur anstehenden Verfassungsreform am Donnerstag beendet worden. Zu den am meisten diskutierten Themen gehörten ein stärkeres privatwirtschaftliche Engagement und die gleichgeschlechtliche Ehe. Die Debatten in den Stadtteilen, Betrieben und Universitäten hatten Mitte August begonnen.
Bei der Aussprache ging es um die Ergänzung eines von der Nationalversammlung im Juli vorgestellten Verfassungsentwurfs (queer.de berichtete). In den kommenden Wochen wird eine Expertenkommission der Kommunistischen Partei eine überarbeitete Fassung vorlegen. Danach befasst sich das Parlament damit und stimmt im Dezember darüber ab. Im Februar gibt es dann einen Volksentscheid über die Endfassung der neuen Verfassung. Kubas derzeitige Verfassung stammt aus dem Jahr 1976. Sie wurde seither drei Mal geändert.
Besonders umstritten war der künftige Artikel 68 der Verfassung. Darin wird die Ehe als "freiwillig geschlossener Bund zwischen zwei Personen" statt wie bisher als zwischen Mann und Frau definiert. Dieser Artikel bahnt der gleichgeschlechtlichen Ehe den Weg und trifft unter anderem auf den Widerstand der katholischen Kirche, die ein Ende des Ehe-Verbots für Schwule und Lesben als "ideologischen Kolonialismus" diffamierte (queer.de berichtete). Der neue kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel kündigte aber erst im September an, dass er die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben unterstütze (queer.de berichtete).
Kommunistische Führung ließ Homosexuelle jahrzehntelang verfolgen
Homosexualität war auf der Karibikinsel nach der Revolution von 1959 lange Zeit tabu. Sexuelle Minderheiten wurden von den Kommunisten stigmatisiert, Homosexuelle angefeindet, vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen und sogar in "Umerziehungslager" gesteckt, in denen viele zu Tode kamen. Der 2016 gestorbene Revolutionsführer Fidel Castro entschuldigte sich später dafür.
Bei der Verfassungsdebatte ging es auch um die von Ex-Präsident Raúl Castro ab 2011 eingeleitete vorsichtige Öffnung der zentral gesteuerten Staatswirtschaft. Sie ermöglichte vielen Kubanern den Aufbau kleiner privater Dienstleistungsunternehmen und Restaurants. Durch die Aufnahme in die Verfassung sollen diese Reformen rechtlich abgesichert und aufgewertet werden. In dem Verfassungsentwurf ist von Privatinvestitionen als "wichtigem Element zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes" die Rede.
Regierung mit Verfassungsprozess zufrieden
Homero Acosta, Sekretär des Staatsrats und einer der Hauptarchitekten des Projekts, äußerte sich im staatlichen Fernsehen zufrieden über den Verlauf der Massendebatte. Nach seinen Angaben nahmen von insgesamt elf Millionen Einwohnern 7,4 Millionen Menschen daran teil. "Das Volk kann stolz darauf sein, eine neue Verfassung erarbeitet zu haben", sagte er.
Der Verfassungsrechtler Julio Antonio Fernández stellte dagegen fest, "aktiv" hätten sich nur etwas mehr als eine Million Menschen beteiligt. Die "Passivität" sei groß gewesen. Eigene Vorschläge für Verfassungsänderungen oder -ergänzungen seien nur von etwas mehr als 27.000 Diskutanten gekommen. Zum einen hänge das mit der Furcht zusammen, sich öffentlich zu äußern, sagte Fernández. Außerdem sei das Ergebnis der Befragung nicht bindend. Die Möglichkeit zu offenen Stellungnahmen in einer eher geschlossenen Gesellschaft wie Kuba sei dennoch als Fortschritt zu werten. (AFP/dk)