Günther Burkhardt kritisiert, dass führenden Politikern die Verfolgung Homosexueller in den Maghreb-Staaten offenbar egal ist (Bild: Screenshot Phoenix)
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat die Grünen in Hessen aufgerufen, bei den Koalitionsverhandlungen in dem Bundesland in puncto sichere Herkunftsstaaten "nicht umzufallen". Die Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko "sind nicht sicher", erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Dienstag. "Grund- und menschenrechtliche Standards sind keine Verhandlungsmasse, Menschenrechte sind unteilbar." Die Grünen-Parteispitze und die Bundestagsfraktion hätten sich zu Recht gegen das "verfassungswidrige Gesetz" gestellt.
Auch LGBTI-Aktivisten lehnen die Einstufung der drei Länder als "sicher" ab, da alle Homosexuelle verfolgen lassen. Die Gesetze, die Homosexualität mit bis zu drei Jahren Haft ahnden, werden auch angewandt. Zudem, so beklagte unter anderem die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, lässt Tunesien schwule Männer mit sogenannten Anal-Tests foltern (queer.de berichtete).
Union und SPD dringen trotz dieser Vorwürfe seit Jahren auf die Aufnahme der Maghreb-Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten, um Asylverfahren zu beschleunigen. Auch homosexuellen Flüchtlingen droht damit eine schnelle Abschiebung. Die Neueinstufung scheitert aber im Bundesrat bislang vor allem am Widerstand der Grünen. Auch die Linke ist eigentlich gegen die Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als sicher. Derzeit läuft ein neues entsprechendes Gesetzgebungsverfahren im Bundestag.
Auch Linke will über Prädikat "sicher" verhandeln
Derweil signalisierte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Gesprächsbereitschaft: Er sei "grundsätzlich bereit, über die Aufnahme von Ländern wie Tunesien, Algerien und Marokko in die Liste zu verhandeln", sagte Ramelow, der eine rot-rot-grüne Landesregierung führt, der "Bild"-Zeitung von Dienstag. Er verknüpfte dies allerdings mit der Forderung nach einer "Grundsatzdebatte über das Asylrechtssystem".
Konkret verlangte Ramelow in diesem Zusammenhang laut "Bild"-Zeitung "eine Regelung für Altfälle und die Möglichkeit für den Spurwechsel vom Asyl- ins Einwanderungssystem für integrierte Flüchtlinge". Derzeit profitierten von den Asylverfahren oft "die Falschen: Diejenigen, die kommen, um unser System auszunutzen". Dagegen litten darunter "diejenigen, die unsere Hilfe dringend und schnell brauchen". Dies könne nicht so bleiben.
Burkhardt kritisierte den Vorstoß Ramelows scharf. "Wunschdenken und Behauptungen jenseits der Realität dürfen das politische Handeln nicht bestimmen", erklärte er. Pro Asyl appellierte an die in Thüringen mitregierenden Parteien, sich gegen ein "politisches Geschacher" zu stellen. Der großen Koalition im Bund warf Pro Asyl vor, sich die Realität in den Maghreb-Staaten "zurechtzubiegen". Die Verfolgung von Homosexuellen und politischen Oppositionellen werde bagatellisiert. (AFP/dk)