Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?32418

Gleichstellungsgegner richtet über Grundrechte

Die schrecklich nette Homophobie des Bundesrates

Die einstimmige Wahl Stephan Harbarths zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass wirklich allen Parteien – auch Grünen, Linken und FDP – LGBTI-Rechte am Arsch vorbeigehen.


Stephan Harbarth am Donnerstag im Deutschen Bundestag nach seiner Wahl zum Richter am Bundesverfassungsgericht (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)

Zwei tiefschwarze Tage für queere Menschen in Deutschland: Am Donnerstag wurde Stephan Harbarth, bislang stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, für zwölf lange Jahre zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt, und am Freitag machte ihn die Länderkammer auch noch einstimmig zum Vizepräsidenten des Ersten Senats, der u.a. für die Grundrechte zuständig ist. Schon in zwei Jahren soll der Rechtsanwalt das Präsidentenamt von Andreas Voßkuhle beerben – und wäre damit in der protokollarischen Rangordnung der fünfhöchste Repräsentant Deutschlands.

Harbarth ist eine absolute Fehlbesetzung. Wie soll ein Mann am höchsten deutschen Gericht die Grundrechte von LGBTI-Menschen verteidigen, wenn er diese gar nicht anerkennt, sich sogar darüber lustig macht? Im Bundestag stimmte der CDU-Politiker nicht nur die gegen die Ehe für alle, weil er sie für verfassungswidrig hält, auch die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in Artikel 3 des Grundgesetzes lehnte er ab, weil das Grundgesetz kein "Versandhauskatalog politischer Wünsche" sei.

Zweierlei Maß bei Minderheitenrechten

Der Bundestag hat dem AfD-Politiker Albrecht Glaser zurecht einen Posten im Parlamentspräsidium verwehrt, weil dieser Muslimen in Deutschland das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Religionsfreiheit nicht zugesteht. Doch ein CDU-Politiker, der Lesben und Schwulen das Recht auf Ehe und den Schutz vor Diskriminierung abspricht, wird vom selben Gremium mit Zweidrittelmehrheit zum Bundesverfassungsrichter und von der Länderkammer sogar einstimmig zum Vizepräsidenten gewählt? Scheinheiliger geht's nicht!

Natürlich ist Harbarth im Vergleich zum ersten CDU-Wahlvorschlag Günter Krings das kleinere Übel, doch bei der Verteidigung von Menschenrechten darf es keine Kompromisse geben. Hier haben die anderen demokratischen Parteien versagt. Wahrnehmbarer Widerstand gegen die Personalie kam allein von den innerparteilichen Gruppen SPDqueer und QueerGrün, doch selbst die queerpolitischen Sprecher der Fraktionen zogen es – mit Ausnahme der Linken Doris Achelwilm – vor, zu Harbarth zu schweigen. Wohl weil die Niederlage absehbar war.

Gab es bei der geheimen Wahl im Deutschen Bundestag immerhin noch 166 Gegenstimmen, ist das einstimmige Votum des Bundesrats besonders erschreckend. Auch die selbsternannte rot-rot-grüne "Regenbogenhauptstadt" Berlin, das rot-rot-grüne Thüringen, das rot-rote Brandenburg, die rot-grünen Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz haben mit einem Gleichstellungsgegner als künftigen obersten Hüter des Grundgesetzes augenscheinlich kein Problem.

Natürlich hat kein einziger der Ministerpräsidenten und Bürgermeister etwas gegen Lesben und Schwule. Aber wenn es darauf ankommt, zählt doch allein der deutsche Parteienproporz – und LGBTI-Rechte gehen allen Parteien am Arsch vorbei. Genau so sieht sie aus, die von Johannes Kram beschriebene "schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft"!

30.09.23 | Queerer Journalismus hat seinen Preis
Bernd Müller: Ich zahle für queer.de, weil...
23.09.23 | Queerer Journalismus hat seinen Preis
Sven Kerkhoff: Ich zahle für queer.de, weil...
16.09.23 | Queerer Journalismus hat seinen Preis
Anna Lena Vaje: Ich zahle für queer.de, weil...

#1 qwertzuiopüAnonym
  • 23.11.2018, 15:09h
  • Ich finde die Kritik ehrlich gesagt etwas überzogen. Ich vertraue darauf, dass er als Richter seiner Verantwortung nachkommt, sich an Gesetzen, vorherigen Urteilen usw. zu orientieren.

    Der Hauptkritikpunkt an ihm ist ja eher, dass er gar nicht so viel Erfahrung in der Berufslaufbahn als Richter gesammelt hat, sondern viel als Anwalt und MdB unterwegs war. Das hat ein wenig mit meinem oberen Punkt zu tun: Ich vertraue auf die Parteilosigkeiten eines Kandidaten eher, wenn der als Richter Karriere gemacht hat.
  • Direktlink »
#2 qwertzuiopüAnonym
  • 23.11.2018, 15:16h
  • Ich muss nochmal nachlegen: Mit dem Wort "Homophobie" unterstellt man der genannten Person, Hass auf Homosexuelle zu empfinden. Das ist mir in Verbindung mit dem Bundesrat echt ein bisschen zu krass. (zumal eine Meldung weiter unten gerade angezeigt wird, dass der Bundesrat dem erleichterten Prep-Zugang zustimmt)
    Diese haltlose Beschimpfung unterteilt Menschen am Ende in "Hassende" und "Gute". Das führt bei mir nur dazu, dass ich mich mit dieser Rhetorik nicht gemein machen will.
  • Direktlink »
#3 Bonifatius49Anonym
  • 23.11.2018, 15:43h
  • Da hat Micha Schulze mit seiner Kritik an allen Parteien im Bundestag Recht. ich bin längst nicht immer mit ihm einer Meinung.

    Aber einen Gegner der Ehe für alle, der dezidiert im Bundestag letztes Jahr gegen die Ehe für alle gestimmt hat, ist nicht tragbar und scharf zu verurteilen. Dieser Mann kann die nächsten 12 Jahr bei der Auslegung und Bewertung des Artikel 6 Grundgesetz mitentscheiden und miturteilen und auch bei anderen gesellschaftlichen Themen, die die Grundrechte betreffen.

    Und wenn man sich schon im Bundestag auf einen Parteienproporz einigt, um eine 2/3 Mehrheit zu erhalten, und nun ein Kandidat wegen der Mehrheitsverhältnisse aus der CDU an der Reihe ist, dann hättte auch ein CDU-Kandidat gewählt werden können, der letztes Jahr die Ehe für alle befürwortet hat. Man hätte auch Stefan Kaufmann, Marco Luczak, usw. als Kompromisskandidat bei der CDU seitens SPD und Grünen verlangen können, damit SPD und Grüne zustimmen.

    DAS war in der Tat gestern und heute ein Schlechter Tag für LSBTI-Rechte in Deutschland.

    Schon enttäuschend wa sich die Parteien im Bundestag in bezug auf die Wahl von Stephan Harbarth geleistet haben, da hat Micha Schulze vollkommen Recht.

    -------------
    Gefreut hat mich aber die Entscheidung zur Trauungserlaubnis in der Landeskirche Oldenburg, schliesslich ist das meine Heimatgegend, wo ich geboren wurde. Und das es keine Gegenstimme auf der Synode in Oldenburg gab, macht die Sache noch besser und erfreulicher...
  • Direktlink »

Kommentieren nicht mehr möglich
nach oben
Debatte bei Facebook

Newsletter
  • Unsere Newsletter halten Dich täglich oder wöchentlich über die Nachrichten aus der queeren Welt auf dem Laufenden.
    Email: