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Anhörung im Innenausschuss

"Dritte Option": Scharfe Kritik am Gesetzentwurf der Bundes­regierung

Der Gesetzentwurf findet wenig Unterstützung bei LGBTI-Aktivisten und den Grünen. Auch die SPDqueer ist nicht glücklich mit dem Entwurf der Großen Koalition.


Der Innenausschuss tagte am Montag, um das Gesetz noch bis Jahresende beschließen zu können (Bild: Twitter / bv_trans)

  • 26. November 2018, 17:24h 39 2 Min.

Nach einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zum Gesetzentwurf um das dritte Geschlecht am Montag fordern die Grünen, SPDqueer und LGBTI-Aktivisten Veränderungen – und kritisieren, dass der Entwurf der Bundesregierung bei weitem nicht weitgehend genug sei.

Sven Lehmann, der queerpolitischer Sprecher der grünen Fraktion im Bundestag, kritisierte "große Mängel" am Gesetzentwurf. Als Beispiel nannte er den Zwang, ein Attest vorzulegen: "Der ärztliche Attestzwang ist nicht mehr zu halten. Der Vorschlag, Menschen mit Hilfe eines ärztlichen Attestes nach Geschlechtern zu kategorisieren, widerspricht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes", so Lehmann. Der Kölner Abgeordnete zitierte dabei aus einem Urteil der Höchstrichter, wonach sich laut einem wissenschaftlichen Konsens "das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lässt, sondern von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt wird".

Auch die Organisation SPDqueer forderte, "ein fortschrittlicheres und weitergehendes Gesetz zu verabschieden, das eine echte Dritte Option darstellt". Insgesamt verlangt die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratischen Partei Veränderungen in zehn Punkten.

Unterschriftenliste überreicht

Im Vorfeld der Ausschusssitzung übergaben Mitglieder der Kampagne "Gleiches Recht für jedes Geschlecht" 42.143 Unterschriften an den CDU-Politiker Marc Henrichmann. Die Unterzeichnet forderten darin den Gesetzgeber auf: "Sorgen Sie dafür, dass auch Deutschland seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommt und die Rechte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gesetzlich verankert – mit einem Gesetz zur Anerkennung und zum Schutz der Geschlechtervielfalt!"

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Der Gesetzgeber ging die Reform nicht freiwillig an: Der Gesetzentwurf wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2017 erklärte, dass Intersexuelle das Recht haben müssten, sich als drittes Geschlecht jenseits von männlich und weiblich eintragen zu lassen (queer.de berichtete). Die Bundesregierung legte daraufhin ihren sehr eng gefassten "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben" vor, der vergangenen Monat erstmals im Bundestag debattiert wurde (queer.de berichtete). Die Reform ist besonders eilbedürftig, weil sie nach der Karlsruher Entscheidung bis zum 1. Januar 2019 in Kraft treten muss.

Twitter / lsvd
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Wegen des Zeitdrucks wird wohl schon am Mittwoch der Ausschuss über den Gesetzentwurf beraten. Kurz darauf, spätestens aber in der letzten Sitzungswoche im Dezember, muss über den Entwurf im Plenum abschließend beraten und beschlossen werden. (cw)

#1 Ith__Ehemaliges Profil
  • 26.11.2018, 17:49h
  • Das Ding ist kurz davor, beschlossen zu werden, und dass eine verfassungsgemäße Variante nicht in Frage kommt, weil dazu die Zeit nicht reicht, war schon vor Monaten das Argument von Seehofer und allen, die ihm nicht von vornherein klar widersprochen haben.

    Ich nehme Lehmann zwar ab, dass ihm wirklich daran gelegen wäre, an dem Entwurf noch etwas zu ändern, und dass das nicht bloß die Art von Alibi-Politik ist, mit der man sich weitestgehend konsequenzenlos (denn abgefahren ist der Zug mEn eh) Stimmen aus dem LGBTI-Wählerkreis sichern will. Aber seien wir mal ehrlich: Das Jahr hat noch fünf Tage und einen Monat; wenn wir davon ausgehen, dass auch Politiker das Jahr zu Weihnachten abschließen, sogar noch zwei Tage weniger als einen Monat.
    Wenn das Argument schon vor Wochen und Monaten war, dass man mehr als ein Jahr braucht, um eine schikanierende und objektiv betrachtet vollkommen irrelevante Forderung aus dem bisherigen Entwurf zu streichen, werden vier bis fünf Wochen dazu wohl auch nicht genügen. Wieso auch immer ein Gesetz nun mehr Zeit benötigt, bloß weil man was rausstreicht. Wahrscheinlich, weil zu viele der Be-Stimmenden das "Gefühl" haben, dass ihnen was weggenommen wird, wenn andere Menschen einfach intersexuell sein dürfen, und zwar so richtig, mit Anerkennung auch auf dem Papier.
    Weil der heteronormative Durchschnittspolitiker offenbar mehr als ein Jahr braucht, um zu akzeptieren, dass das damalige Verfassungsgericht wirklich und tatsächlich fand, dass so ein Recht den Betroffenen zusteht.
    Ja, sowas ist halt nicht selbstverständlich, dass Leute sowas einfach dürfen - sie selbst sein dürfen, statt offiziell krank. Da braucht man schonmal mehr als zwölf Monate, um sich dran zu gewöhnen. Und da es leichter ist, sich besser nicht dran zu gewöhnen, wählt man ins Verfassungsgericht halt für die Zukunft Leute, die einem sowas nicht mehr zumuten werden, hält brav die Füße still und stimmt dafür, dass eigentlich am besten alles weitestgehend so bleibt, wie es ist. Denn darauf läuft es bei dem bisherigen Entwurf hinaus. Profitieren wird davon auch von den Leuten, für die das laut Verfassungsgericht gedacht gewesen wäre, nur ein marginaler Anteil.

    Sicherlich nett gemeint, die Kritik. Aber wenn man's ernst meint, hätte man sich das früher überlegen müssen. Und zumindest über die Landtage Druck ausüben, in denen man teilweise mitregiert.
    Wenn da nicht noch der kleine Punkt wäre, dass man davon ausgehen kann, dass bei Weitem nicht alle Grün-Anteile in Landtage dahinter stehen dürften. Wie sehr Grüne und SPD auf ihre Queer-Anteile generell hören, haben wir bei der Wahl dieses menschenfeindlichen Verfassungsrichters ja gerade erst serviert bekommen.

    Na, sie haben ja versprochen, dafür noch innerhalb dieser Legislatur-Periode das TSG zu reformieren. Wenn sie irgendwas davon ernst meinen, haben sie da dann noch die Chance, die Sache hinzubiegen.
    Abkaufen tu ich es ihnen ja nicht.
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#2 AnnoymAnonym
  • 26.11.2018, 19:12h
  • Dass man in Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, seitens der Bundesregierung... und seitens vieler Anderer Seiten nicht bereit war/ist und für den Schutz deutscher Babies, Kinder und Jugendliche ein zutreten, zeigt der Gesetzesentwurf.

    Seit vor 2006 wurde der Deutschen Bundestag immer wieder gebeten zu helfen, ohne dass die Gegebenheiten verbessert wurden obwohl Menschen es Intersex-Genitalverstümmelungen, Selbstverletzungen, Selbstverstümmelunge, medizinische Selbstversorgung, Selbstmordversuchen und finalen Suiziden kommt.

    In den letzten 10 Jahren wurden laut statistischen Zahlen >10.000 Kastrationen sowie weitere >16.000 Intersex Genitalverstümmelungen (IGM) an Babies, Kindern und Jugendlichen in Deutschland durchgeführt!

    Die Verweigerung medizinischer Leistungen (Trans, Intersex) ist Realität. Auch in der 19. Legislaturperiode ist man sich bewusst, dass die neuen Leitlinien (S2k, S3) nicht rechtsverbindlich sind, dennoch verweigert man eine Klarstellung im SGB!

    Tausende Menschen mussten und müssen sich TSG Begutachtungen unterziehen, seit 1981 gab es 50.000, allein >4.000 bei >2.000 TSG Verfahren 2017 (Kosten 2016 zwischen 126-8.300 pro Verfahren; Laut einer älteren Offenlegung in Berlin üblicherweise 3.000 in Ausnahmen 5.000)!

    In der letzten Legislaturperiode hat man auch international zuerst auf die Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) verwiesen, später auf die vom BMFSJ Rechtsgutachten die Gesetzesentwürfe u.a. ein Mantelgesetzentwurf beinhalten. Dann hat man auf einen Abschlussbericht der IMAG verwiesen, der nicht zustande kam weil man sich innerhalb der Bundesregierung nicht einigen konnte. Vor der Bundestagswahl veröffentlichte dann das BMFSFJ eine eigene Stellungnahme und Verwies zum Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen auf eine BGB Klarstellung, ohne die Forderungen einer Anpassung im StGB zu unterstützen. In diesem Jahr wurde dann die S3 hinsichtlich der medizinischen Versorgung auch vor dem UN Menschenrechtsrat hochgehalten, obwohl klar war, dass Leitlinien nicht rechtsverbindlich sind.

    btw17 - 299 Wahlkreise weiterhin

    >1.000 Kastrationen,
    >1.600 Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM),
    >2.000 TSG-Verfahren
    pro Jahr

    STAND UP FOR HUMAN RIGHTS
    of all Trans Intersex Non-binary People
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#3 DominikAnonym
  • 26.11.2018, 19:34h
  • Nach der Anhörung dürfte klar sein, dass sich an dem Gesetzesentwurf nichts mehr ändern wird, insbesondere auch nichts an der Nachweispflicht durch ein ärztliches Attest.

    Für den Todesstoß sorgte am Ende die Frage des Abgeordneten Müller: Eine eidesstattliche Erklärung bezieht sich immer auf Tatsachen und nicht auf Gefühle. Tatsachen können aber nur anhand objektiver Kriterien, etwa anhand einer medizinischen Feststellung, beschrieben werden, nicht jedoch anhand von Gefühlen oder einer inneren subjektiven Verfasstheit, welche dann - warum auch immer - mind. drei Jahre verbindlich gelten soll. Das war der entscheidende Punkt in der Debatte, an dem die Verzichtforderung auf ein ärztliches Attest vom Tisch gefegt wurde.

    Außerdem war das Meinungsbild der Expert*innen bzgl. "ärztliches Attest ja oder nein" doch sehr gemischt. Offensiv gegen das ärztliche Attest hat sich eigentlich nur Frau Dr. Mangold positioniert.

    Deswegen glaube ich, dass der Gesetzesentwurf so auch, d.h. ohne wesentliche Änderungen, verabschiedet werden wird. Das kann man gut oder schlecht finden, aber jede Wette, so wird's kommen.
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