
https://queer.de/?32436
Anhörung im Innenausschuss
"Dritte Option": Scharfe Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf findet wenig Unterstützung bei LGBTI-Aktivisten und den Grünen. Auch die SPDqueer ist nicht glücklich mit dem Entwurf der Großen Koalition.

Twitter / bv_trans) Der Innenausschuss tagte am Montag, um das Gesetz noch bis Jahresende beschließen zu können (Bild:
- 26. November 2018, 17:24h 2 Min.
Nach einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zum Gesetzentwurf um das dritte Geschlecht am Montag fordern die Grünen, SPDqueer und LGBTI-Aktivisten Veränderungen – und kritisieren, dass der Entwurf der Bundesregierung bei weitem nicht weitgehend genug sei.
Sven Lehmann, der queerpolitischer Sprecher der grünen Fraktion im Bundestag, kritisierte "große Mängel" am Gesetzentwurf. Als Beispiel nannte er den Zwang, ein Attest vorzulegen: "Der ärztliche Attestzwang ist nicht mehr zu halten. Der Vorschlag, Menschen mit Hilfe eines ärztlichen Attestes nach Geschlechtern zu kategorisieren, widerspricht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes", so Lehmann. Der Kölner Abgeordnete zitierte dabei aus einem Urteil der Höchstrichter, wonach sich laut einem wissenschaftlichen Konsens "das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lässt, sondern von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt wird".
Auch die Organisation SPDqueer forderte, "ein fortschrittlicheres und weitergehendes Gesetz zu verabschieden, das eine echte Dritte Option darstellt". Insgesamt verlangt die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratischen Partei Veränderungen in zehn Punkten.
Unterschriftenliste überreicht
Im Vorfeld der Ausschusssitzung übergaben Mitglieder der Kampagne "Gleiches Recht für jedes Geschlecht" 42.143 Unterschriften an den CDU-Politiker Marc Henrichmann. Die Unterzeichnet forderten darin den Gesetzgeber auf: "Sorgen Sie dafür, dass auch Deutschland seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommt und die Rechte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gesetzlich verankert – mit einem Gesetz zur Anerkennung und zum Schutz der Geschlechtervielfalt!"
Twitter / bv_transHier übergeben wir die 42.143 Unterschriften zur Kampagne Gleiches Recht für jedes Geschlecht an @lier_e und @MarcHenrichmann in Vertretung aller Mitglieder im Innenausschuss im #Bundestag. #dritteOption pic.twitter.com/SNcZL8ZqrA
BVT* (@bv_trans) November 26, 2018
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Der Gesetzgeber ging die Reform nicht freiwillig an: Der Gesetzentwurf wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht im Herbst 2017 erklärte, dass Intersexuelle das Recht haben müssten, sich als drittes Geschlecht jenseits von männlich und weiblich eintragen zu lassen (queer.de berichtete). Die Bundesregierung legte daraufhin ihren sehr eng gefassten "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben" vor, der vergangenen Monat erstmals im Bundestag debattiert wurde (queer.de berichtete). Die Reform ist besonders eilbedürftig, weil sie nach der Karlsruher Entscheidung bis zum 1. Januar 2019 in Kraft treten muss.
Twitter / lsvdGeschlechtseintrag #divers muss allen offenstehen! Vor der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des #Bundestags zur #DritteOption Aktion @bv_trans. Unsere Stellungnahme gibt es unter https://t.co/HJiAUapoh4 pic.twitter.com/Q6Iqqf9IfS
LSVD-Bundesverband (@lsvd) November 26, 2018
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Wegen des Zeitdrucks wird wohl schon am Mittwoch der Ausschuss über den Gesetzentwurf beraten. Kurz darauf, spätestens aber in der letzten Sitzungswoche im Dezember, muss über den Entwurf im Plenum abschließend beraten und beschlossen werden. (cw)

Ich nehme Lehmann zwar ab, dass ihm wirklich daran gelegen wäre, an dem Entwurf noch etwas zu ändern, und dass das nicht bloß die Art von Alibi-Politik ist, mit der man sich weitestgehend konsequenzenlos (denn abgefahren ist der Zug mEn eh) Stimmen aus dem LGBTI-Wählerkreis sichern will. Aber seien wir mal ehrlich: Das Jahr hat noch fünf Tage und einen Monat; wenn wir davon ausgehen, dass auch Politiker das Jahr zu Weihnachten abschließen, sogar noch zwei Tage weniger als einen Monat.
Wenn das Argument schon vor Wochen und Monaten war, dass man mehr als ein Jahr braucht, um eine schikanierende und objektiv betrachtet vollkommen irrelevante Forderung aus dem bisherigen Entwurf zu streichen, werden vier bis fünf Wochen dazu wohl auch nicht genügen. Wieso auch immer ein Gesetz nun mehr Zeit benötigt, bloß weil man was rausstreicht. Wahrscheinlich, weil zu viele der Be-Stimmenden das "Gefühl" haben, dass ihnen was weggenommen wird, wenn andere Menschen einfach intersexuell sein dürfen, und zwar so richtig, mit Anerkennung auch auf dem Papier.
Weil der heteronormative Durchschnittspolitiker offenbar mehr als ein Jahr braucht, um zu akzeptieren, dass das damalige Verfassungsgericht wirklich und tatsächlich fand, dass so ein Recht den Betroffenen zusteht.
Ja, sowas ist halt nicht selbstverständlich, dass Leute sowas einfach dürfen - sie selbst sein dürfen, statt offiziell krank. Da braucht man schonmal mehr als zwölf Monate, um sich dran zu gewöhnen. Und da es leichter ist, sich besser nicht dran zu gewöhnen, wählt man ins Verfassungsgericht halt für die Zukunft Leute, die einem sowas nicht mehr zumuten werden, hält brav die Füße still und stimmt dafür, dass eigentlich am besten alles weitestgehend so bleibt, wie es ist. Denn darauf läuft es bei dem bisherigen Entwurf hinaus. Profitieren wird davon auch von den Leuten, für die das laut Verfassungsgericht gedacht gewesen wäre, nur ein marginaler Anteil.
Sicherlich nett gemeint, die Kritik. Aber wenn man's ernst meint, hätte man sich das früher überlegen müssen. Und zumindest über die Landtage Druck ausüben, in denen man teilweise mitregiert.
Wenn da nicht noch der kleine Punkt wäre, dass man davon ausgehen kann, dass bei Weitem nicht alle Grün-Anteile in Landtage dahinter stehen dürften. Wie sehr Grüne und SPD auf ihre Queer-Anteile generell hören, haben wir bei der Wahl dieses menschenfeindlichen Verfassungsrichters ja gerade erst serviert bekommen.
Na, sie haben ja versprochen, dafür noch innerhalb dieser Legislatur-Periode das TSG zu reformieren. Wenn sie irgendwas davon ernst meinen, haben sie da dann noch die Chance, die Sache hinzubiegen.
Abkaufen tu ich es ihnen ja nicht.