Christian Awhan Hermann will Ansprechpartner für queere Muslime in ganz Deutschland sein (Bild: privat)
Unter Initiative von Imam Christian Awhan Hermann wurde am Montag in Berlin der Verein KALIMA gegründet. Die neue Organisation will sich "für die Vertretung und Inklusion von marginalisierten, diskriminierten und schlechter gestellten Minderheiten und Gruppen innerhalb der muslimischen Community Deutschlands" einsetzen.
Vom Verein getragen werden soll eine muslimische Moscheegemeinde, die in Berlin auch Räumlichkeiten unterhält und eine "Anlaufstelle" bilde "für zeitgemäß lebende, inklusiv denkende Muslim*innen im Allgemeinen und für LGBTIQ*-Muslim*innen im Speziellen". Die Arbeit solle Beratung, Unterstützung, Seelsorge und religiöse Praxis umfassen. Dabei vertrete KALIMA eine islamische Religionsausübung, die konform gehe mit dem deutschen Grundgesetz, der deutschen Rechtsprechung, internationalen Menschenrechten und weiteren Verpflichtungen, so der Imam.
Der 1970 in Konstanz geborene Christian Awhan Hermann war erst 2017 in der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, in der er sich engagierte, zum Islam konvertiert, ist seit August Deutschlands erster offen schwuler Imam und übernimmt seitdem muslimische Seelsorgearbeiten (queer.de berichtete). Er arbeitet als Dozent und Koordinator ehrenamtlich beim französischen Institut CALEM, wo er unter Imam Ludovic-Mohammed Zahed auch seine Ausbildung zum Imam machte.
Der Verein wolle "perspektivisch deutsche, inklusiv ausgerichtete Imam*innen aus- und weiterbilden", auch in der Jugend- und Erwachsenenbildung fortschrittliche Bildung, etwa zu feministischen Auslegungen des Islams, anbieten und sowohl inner- wie auch interreligiöse Begegnungen fördern. Mitglieder und Interessierte will man zudem bundesweit über Online-Angebote und -Konferenzen erreichen.
Vorurteile im Dialog abbauen, Anlaufstelle sein
Der von den Gründungsmitgliedern zum Vorstandsvorsitzenden gewählte Imam betonte, die Zeit sei "reif für eine deutsche Organisation, in der benachteiligte Muslim*innen in gemeinschaftlicher Selbstvertretung ihre Position innerhalb der muslimischen Community gestalten können." Aus seiner Sicht schließe die Botschaft Gottes keinen Menschen aufgrund seiner geschlechtlichen oder sexuellen Identität aus. "Die Religionsausübung des Islam in seiner eigentlichen – nämlich spirituellen, friedlichen und humanistischen Form – ist zu wichtig, um irgendjemanden zurückzulassen. Deshalb ist KALIMA eine Chance, Vorurteile nach innen wie nach außen hin abzubauen und eine Versöhnung bzw. Heilung anzustoßen angesichts der Auswirkungen von radikalem Religionsmissbrauchs."
Mit diesem Ziel wolle man mit ähnlichen Projekten im In- und Ausland zusammenarbeiten. "Die Diskriminierung von LGBTIQ*-Muslim*innen und von Frauen innerhalb des Islams erzeugt weltweit enormes Leid und führt oft auch zu Gewalt und Tod." Mit dem Verein wolle man "innerhalb der muslimischen Gemeinschaft aus einer religiösen Position der bedingungslosen Zugewandtheit und des gegenseitigen Mitgefühls heraus zu einer Reduzierung dieser Dinge beitragen." Dabei wolle man sich nicht "respektlos, provozierend oder pauschal kritisierend gegen unsere muslimischen Schwestern und Brüder wenden", sondern setze auf Dialog.
"Kalima" habe übrigens mehrere Bedeutungen: "Im heutigen Arabisch bedeutet er einfach nur 'Wort', im Koranarabischen jedoch (analog dem griechischen 'logos') auch weitergehend 'Idee, Konzept, Entwurf'", so der Imam. "Seine Verwendung in Sure 14, Vers 24 impliziert die Stiftung einer 'hilfreichen Idee' durch Gott. In der islamischen Terminologie ist ein 'Kalima' zudem ein Vers bzw. Satz der Schahada, des muslimischen Glaubensbekenntnisses, einer der fünf Säulen des Islam."
Aber besser eine als keine...