
https://queer.de/?32569
Jetzt im Kino
Reizüberflutung vor überbordender Schönheit
Im Spielfilm "Postcards from London" macht Landei Jim als feingeistiger Edel-Callboy und Muse berühmter Künstler Karriere – doch beim Anblick wahrer Kunst bekommt er Wahnvorstellungen.

Das hübsche Landei Jim (Harris Dickinson) wird in London zum High-Class-Searbeiter ausgebildet (Bild: Saffron Hill)
- 15. Dezember 2018, 12:33h 2 Min.

Poster zum Film: "Postcards from London" war im August bereits in der Queerfilmnacht zu sehen
Der bildhübsche Kleinstadtjunge Jim kommt nach London, um in der großen Stadt sein Glück zu finden. Doch schon in der ersten Nacht wird er ausgeraubt und muss auf der Straße übernachten.
Dort hört er von "The Raconteurs", einer Gruppe von feingeistigen Männer-Escorts mit enzyklopädischem Wissen über die schönen Künste, die sich auf das geschliffene Gespräch vor und nach dem Sex spezialisiert haben. Jim schließt sich den Jungs an und steigt schnell vom naiven Anfänger zur gefragten Begleitung und Künstler-Muse auf.
Mit seinem Aussehen könnte er es sogar zum größten Stricher-Star bringen, den London je gesehen hat. Wenn er nur nicht unter dem Stendhal-Syndrom leiden würden, das ihn beim Anblick wahrer Kunst in Ohnmacht und in Tableau vivants seines Lieblingsmalers Caravaggio fallen lässt. Doch Jims Übersensibilität eröffnet ihm auch ganz neue Möglichkeiten…
Escorts als Träger schwuler Kulturgeschichte

Berühmte Künstler buchen Jim als Muse (Bild: Saffron Hill)
Nach seinem Film "Postcards from New York" (1994) orientiert sich Regisseur Steve McLean in "Postcards from London" erneut an den autobiografischen Schriften des Konzeptkünstlers David Wojnarowicz. Seine selbstironische Ode an die Kunst der käuflichen Liebe siedelt er jedoch in einem hochstilisierten Soho der Gegenwart an, in dem Escorts als die einzig wahren Träger schwuler Kulturgeschichte gelten.
Jims Coming-of-Age-Geschichte ist eng verwoben mit queeren Filmklassikern wie Pasolinis "Accatone", Fassbinders "Querelle" und Van Sants "My Own Private Idaho". Wichtigste Bezugspersonen sind aber Caravaggio – der erste Maler, der es wagte, Bettler und Huren zu Heiligen zu machen – und Derek Jarman, der das Leben des Künstlers kühn verfilmte.
In der Hauptrolle glänzt der britische Nachwuchsstar Harris Dickinson, der seit Eliza Hittmans preisgekröntem Jugenddrama "Beach Rats" (2017) zu einem der aufregendsten Darsteller seiner Generation zählt.
|
Postcards from London. Spielfilm. Großbritannien 2018. Regie: Steve McLean. Darsteller: Harris Dickinson, Jonah Hauer-King, Richard Durden, Alessandro Cimadamore, Leonardo Salerni, Leemore Marrett Jr, Ben Cura, Raphael Desprez, Leo Hatton, Shaun Aylward, Rhys Yates, Bernardo Santos. Laufzeit: 89 Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. Verleih: Edition Salzgeber. Kinostart: 13. Dezember 2018

Mehr zum Thema:
» Ausführliche Filmkritik: Keinen Steifen bei Caravaggio! Was tun? (06.08.2018)
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
00:50h, ORF1:
Leberkäsjunkie
Bei einer Mordermittlung werden die Mutter des Opfers, ein schwules Paar und der lokale Fußballgott verdächtigt.
Spielfilm, D 2020- mehr TV-Tipps »