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In "Saturday Church" erkundet der 14-jährige Ulysses die New Yorker Voguing- und Ballroom-Szene. Dafür wird er von seiner erzkatholischen Tante vor die Tür gesetzt. Ein ergreifender Genremix über Obdachlosigkeit, Prostitution und queere Solidarität.
Ulysses muss es einfach tun. Er probiert die roten Pumps seiner Mutter an, tauscht sie gegen seine schwarzen Lederschuhe. Nicht zum ersten Mal, und doch ist der Teenager noch etwas wackelig auf den Beinen. Erst recht als sein jüngerer Bruder Abe ihn dabei erwischt – und droht, bei Tante Rose zu petzen.
Die kümmert sich um die zwei Jungs, seit ihr Vater gestorben ist und die Mutter tagsüber arbeiten muss. Vor allem kümmert sie sich darum, aus ihren Neffen ordentliche, richtige Männer zu machen.
Doch Ulysses (Luka Kain) kann nicht anders. Das Mobbing, das Lachen seiner Mitschüler, das ihm und dem Zuschauer so wehtut, er lässt sich davon nicht unterkriegen. Er flüchtet sich in die Musik, seine Tagträume. Wenn er seine Kopfhörer in den Ohren hat, macht sogar das Ministrieren Spaß, zu dem ihm seine erzkonservative Tante verdonnert hat.
Ein Free-Fall-Tower der Gefühle
Und er geht auf Entdeckungsreise. Verlässt die Bronx, macht einen scheuen Ausflug zur Christopher Street. Er wird mitgenommen zur Saturday Church, einer Gemeinschaft für queere Jugendliche und trans* Sexworkerinnen. Er flieht von zu Hause, um dort angenommen zu werden, er selbst sein zu können. Und nicht zuletzt, um sich zu verlieben. In Raymond, den coolsten Typen in der ganzen Kirche. Der Neue braucht nicht lange, um dazuzugehören – mit allem, was dazu gehört.
Mit diesem Setting schließt "Saturday Church" (Amazon-Affiliate-Link ) wie eine fiktionale Fortsetzung an "Paris is Burning", die eindrückliche Dokumentation über die Ballroom- und Voguing-Szene der Schwarzen- und Latino-Community in den Achtzigern an. Dazu behandelt der Film Obdachlosigkeit von queeren Jugendlichen, Gelegenheitsprostitution und Solidarität, die für Ulysses alles bedeutet.
Dabei muss sich "Saturday Church" nicht zwischen Coming-of-Age-Geschichte, Melodrama und Musikfilm entscheiden. Je glücklicher Ulysses in seinem queeren Umfeld wird, desto tiefer fällt er bei seiner Familie. Die Dramatik, die Emotionsbrüche sind gewaltig. Keine Achterbahnfahrt, sondern ein Free-Fall-Tower der Gefühle.
Trans* Darsteller für trans* Rollen
Hervorragend dazu passt die von Industrial-Electro bis kraftvollen Pop (der stark an Conchita erinnert) reichende Musik von Nathan Larson. Singen können die Darstellenden auch noch – nicht nur Hauptdarsteller Luka Kain, der ein dermaßen starkes Spielfilmdebüt abgibt, dass wir ihn hoffentlich nicht zum letzten Mal gesehen haben. Auch der Rest seiner Voguing-Clique kann da locker mithalten. Und, ganz nebenbei, beweist Regisseur Damon Cardasis, dass es doch möglich ist, trans* Rollen von trans* Schauspieler*innen darstellen zu lassen.
Ja, das alles zusammen ist natürlich kitschig, und es ist gerade deshalb so schön. Ulysses' Reise geht, anders als die seines Namensgebers, vielleicht etwas zu schnell, einen Tick zu vorhersehbar, genau wie die Wandlung seiner Mutter. Und doch strotzt seine Geschichte von Kraft, Mut und Ausdauer, allen Widrigkeiten zum Trotz. Und von Liebe. Innerhalb der Familie – und innerhalb der Community.
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