Jahrelang vertuschte die Kirche offenbar die Taten von Theodore Edgar Kardinal McCarrick (Bild: Screenshot NBC News)
Theodore Edgar McCarrick, ein früherer katholische Kardinal und Erzbischof von Washington, soll nach einer Zeugenaussage in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts einen elfjährigen Messdiener mehrfach sexuell missbraucht haben. Wie die Nachrichtenagentur AP meldete, hatte das Opfer James Grein am vergangenen Donnerstag in einen kircheninternen Untersuchung ausgesagt, dass er jahrelangen Missbrauch durch McCarrick ertragen musste, teilweise sogar während der Beichte.
Bei der nicht-öffentlichen Aussage habe Grein nach Angaben seines Anwalts Patrick Noaker schwere Vorwürfe erhoben: McCarrick habe demnach "die Genitalien von James als Teil der Beichte berührt. Das wurde normal, es passierte fast jeden Tag", so Noaker. McCarrick habe der Aussage zufolge bei der Erteilung der Absolution, also dem katholischen Ritus nach der Beichte, den Jungen "an der Stirn, an der Schulter, an der Brust und an den Genitalien" berührt. Noaker sagte weiter, der Missbrauch während der Beichte habe bei seinem Mandanten, einem gläubigen Katholiken, zu "erheblichen seelischen Schäden" geführt.
Missbrauch führte Opfer fast in den Selbstmord
Grein hatte die Kirche bereits vor längerer Zeit über den Missbrauch informiert und im November letzten Jahres seine Identität öffentlich gemacht. Er berichtete davon, dass ihn der Missbrauch völlig aus der Bahn geworfen habe – so habe er sich jahrzehntelang geschämt und schuldig gefühlt. Diese Gefühle hätten ihn in den Alkoholismus getrieben, wodurch seine Ehe schließlich auseinandergebrochen sei. Mehrfach habe er versucht, sich das Leben zu nehmen.
Die Aussagen des Opfers führten dazu, dass McCarrick Ende Juli die Kardinalswürde aberkannt wurde – ein äußerst seltener Vorgang in der katholischen Kirche. Zuvor hatten seine Anhänger jedoch jahrelang versucht, Missbrauch durch ihren Anführer zu vertuschen – außer Grein hatten mehrere Seminaristen den Würdenträger sexueller Übergriffe beschuldigt. Die Kirche konnte sich aber deren Schweigen mit großen Geldsummen erkaufen.
Inzwischen lebt McCarrick zurückgezogen in einem Kloster in Kansas. Der 88-Jährige streitet alle Vorwürfe ab. Wegen der Verjährung kann er für die mutmaßlichen Taten nicht mehr von einem ordentlichen Gericht belangt werden. In der kirchlichen Rechtsprechung kann er nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden – die höchste Strafe wäre die Aberkennung des Priesteramtes.
Kardinal Müller: McCarrick Teil des "homosexuellen Netzwerks"
Der Fall von McCarrick wird von manchen Stimmen in der Kirche dazu verwendet, um gegen die Akzeptanz von Schwulen und Lesben Stimmung zu machen. So nutzte der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der ehemalige Chef der mächtigen Glaubenskongregation, die Vorwürfe dazu, Kindesmissbrauch und Homosexualität auf eine Stufe zu stellen. Im November sagte der frühere Bischof von Regensburg: "Diesem McCarrick war es möglich, zusammen mit seinem Clan und einem homosexuellen Netzwerk in mafiaartiger Weise in der Kirche Verwüstungen anzurichten" (queer.de berichtete). (dk)