Die "Nashville-Erklärung" wurde vor anderthalb Jahren von christlichen Fundamentalisten in den USA verfasst
In den Niederlanden hat die sogenannte "Nashville-Erklärung" eine öffentliche Debatte über die Grenzen der Hetze gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ausgelöst. Bei der Erklärung handelt es sich um ein im Sommer 2017 von der evangelikalen US-Lobbygruppe "Rat der biblischen Männlichkeit und Weiblichkeit" veröffentlichtes Papier, in dem sexuell aktive Homo- und Bisexuelle sowie Transpersonen pauschal als Widersacher Gottes dargestellt werden.
Die Erklärung war am Freitag auch auf Niederländisch erschienen und wurde unter anderem vom Abgeordneten Kees van der Staaij, dem Partei- und Fraktionschef der "Staatkundig Gereformeerde Partij" (SGP, deutsch: Reformierte Politische Partei), unterzeichnet. Nach Eingang mehrerer Strafanzeigen wegen Volksverhetzung ermittelt nun die Polizei gegen Unterzeichner der Erklärung. Die Beamten prüfen, ob die Erklärung einzelne Gruppen in der Gesellschaft gezielt verunglimpft.
Im Parlament hat die SGP als kleine Oppositionspartei nur wenig Einfluss: Bei den letzten Wahlen 2017 konnte sie gerade einmal 2,1 Prozent der Stimmen erzielen und stellt damit drei von 150 Abgeordneten in Den Haag. Ihre Wähler findet die SGP hauptsächlich im niederländischen Bijbelgordel (Bibelgürtel), in dem besonders viele orthodoxe Calvinisten leben – in manchen Gegenden erreicht die Partei zweistellige Werte.
Parteichef van der Staaij hat am Montag laut der Zeitung "Volkskrant" die Unterzeichnung der "Nashville-Erklärung" verteidigt: "Die SGP hat nie ein Geheimnis aus ihrer biblischen Ausrichtung über Fragen von Ehe, Familie und Sexualität gemacht", sagte der 50-Jährige.
Erklärung: Unterstützung von LGBTI-Rechten ist "schwerwiegende Abkehr von christlicher Treue"
In der aus 14 Artikeln bestehenden Erklärung, die in den USA bereits von 22.000 Evangelikalen unterzeichnet und auch ins Deutsche übersetzt wurde, heißt es unter anderem: "Wir bekräftigen, dass es sündhaft ist, homosexuelle Unmoral oder Transgenderismus zu befürworten und dass eine solche Befürwortung eine schwerwiegende Abkehr von christlicher Treue und christlichem Zeugnis darstellt." Ein "homosexuelles oder transgender-basiertes Selbst-Konzept" sei nicht mit "Gottes heiligen Intentionen" vereinbar. In der Erklärung heißt es auch, dass es keine Zivilehe gibt, sondern nur die vom christlichen Gott angelegte heterosexuelle Ehe. In der niederländischen Version des Textes wurde außerdem ein "pastorales Nachwort" angefügt, in dem die Sexualität als nicht essenziell für die menschliche Identität bezeichnet wird.
Politiker anderer Parteien, auch der christdemokratischen ChristenUnie, distanzieren sich von dem Papier. Viele zeigen in Online-Netzwerken ihre Empörung. Bildungsministerin Ingrid van Engelshoven von der linksliberalen Partei Democraten 66 erklärte etwa auf Twitter: "Das sind Rückschritte. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Die Emanzipation ist noch lange nicht abgeschlossen."
Auch der niederländische EU-Kommissar Frans Timmermans kritisierte in einem langem Facebook-Statement die "Nashville-Erklärung": "Warum wird Liebe, das zentrale Thema des christlichen Glaubens und ein Grundpfeiler jedes menschlichen Normensystems, plötzlich 'sündhaft', wenn sie zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts existiert?", fragte der Politiker, der im Dezember letzten Jahres zum Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten bei der im Mai stattfindenden Europawahlen gewählt worden ist.
Die Stadt Arnheim hat als Reaktion auf die Erklärung am Montagnachmittag eine Regenbogenfahne am Rathaus aufgehängt und auf ihrer offiziellen Twitter-Seite verkündet, dass alle Menschen in der Stadt sicher und frei leben könnten, egal wer sie sind. Der sozialdemokratische Bürgermeister Ahmed Marcouch ergänzte, dass Arnheim eine Regenbogenstadt sei.
Auch die Stadtverwaltung von Amsterdam ließ als Reaktion auf die "Nashville-Erklärung" eine Regenbogenfahne hissen. Auf Twitter verkündete die offizielle Seite der Hauptstadt: "In unserer Stadt kannst du sein, wie du willst, und lieben, wen du willst."
1. Es gibt auch genug sehr treue LGBTI. Und umgekehrt auch viele untreue Heteros (sogar in Ehen).
2. Und selbst wenn nicht: Die Niederlande sind nun mal glücklicherweise kein "Gottesstaat", sondern ein demokratischer Rechtsstaat.
Und da kann sich jeder frei entfalten, solange er andere damit nicht schädigt. Und genau wie denen niemand vorschreibt, was sie glauben oder nicht, dürfen die das anderen auch nicht vorschreiben.