Die Veröffentlichung eines homophoben Gastkommentars in der Wiener Tageszeitung "Die Presse" bleibt ohne Konsequenzen. Der österreichische Presserat hat das Verfahren gegen den Gastkommentar "Homo-Ehe als Charakterprobe für Schwarze wie für Blaue" von Martin Leidenfrost eingestellt.
Der Senat könne "durchaus nachvollziehen", dass Leser den Text "als kritisch ansehen", heißt es in einer Anfang der Woche veröffentlichten Mitteilung des Presserats (PDF) – die Entscheidung selbst fiel schon am 24. Oktober 2018. Gerade Lesben und Schwule seien "nach wie vor zahlreichen Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt", weshalb das "Thema Homosexualität in den Medien mit entsprechender Sensibilität aufgearbeitet werden sollte".
Meinungsbeträge dürften jedoch empören und polarisieren, so der Presserat. "Auch wenn der vorliegende Kommentar die erforderliche Sensibilität vermissen lässt, ist es dem Medium zugute zu halten, dass es wegen des umstrittenen Kommentars zahlreiche Repliken veröffentlichte. Unter Berücksichtigung dieser Repliken und der weit reichenden Meinungsfreiheit bei Kommentaren vertritt der Senat die Ansicht, dass im vorliegenden Fall davon abgesehen werden kann, einen Ethikverstoß festzustellen."
"Auflehnung des Menschen gegen die Natur"
In seinem im September 2018 veröffentlichten Gastkommentar hatte Leidenfrost mit homophoben Sprüchen Stimmung gegen die Ehe für alle gemacht. Er schrieb unter anderem: "Mich verstört die Willkür, mit der ausgerechnet den Homosexuellen das Los zugefallen ist, die Speerspitze in der Auflehnung des Menschen gegen die Natur abzugeben." Das Tempo, mit der sich diese "exotische Ideologie" durchsetze, sei "erschreckend", so der 46-Jährige aus dem Burgenland.
Der Einsatz für LGBTI-Rechte sei eine neue Religion, für die viel "propagandistische[r] Aufwand" betrieben werde, so Leidenfrost weiter. Gleichstellungsgegner würden in ihrer Meinungsfreiheit einschränkt: "Filmindustrie und Medien massieren uns mit homosexuellen Rührdramen, die Privilegierung einer im Westen wohlsituierten Minderheit wird als 'Ehe für alle' verkauft, Andersdenkende werden an Schandpfähle gebunden. Aus einer lustigen Travestie ist eine todernste Staatsdoktrin geworden."
Leidenfrost flog bei "Die Presse" und "nd" raus
Wegen der anhaltenden Kritik am Kommentar trennte sich "Die Presse" Anfang Dezember von Martin Leidenfrost und seiner Samstagskolumne "Der letzte Kreuzritter" (queer.de berichtete). Kurz darauf beendete auch die linke Berliner Tageszeitung "neues deutschland" die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Journalisten. Leidenfrost vertrete Positionen, "die weit außerhalb des politischen Selbstverständnisses der nd-Redaktion liegen", schrieb Chefredakteur Wolfgang Hübner (queer.de berichtete).
Unterstützung erhielt der homophobe Autor dagegen erst vor wenigen Tagen von Michael Angele, dem Chefredakteur der linken Wochenzeitung "der Freitag". Leidenfrosts Kommentar sei "zwar nicht gelungen", schrieb er in einer Hausmitteilung, dennoch zeige der Autor "Haltung" und habe selbst in seinen "dunkelsten Momenten" dialektisch argumentiert: "So lehnt er zwar die Ehe für alle ab, plädiert aber für eine Lösung, die homosexuelle Paare rechtlich vollkommen gleichstellt." Leidenfrost habe deshalb eine "zweite Chance" verdient, so Angele. (cw)
Da kann man keine Sensibilität für unsereinen erwarten.
Das wäre eine Entwicklungsstufe, die auch in demokratisch gefestigteren Staaten leider noch nicht erreicht ist.