Wiesbadens Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass er bei der nächsten Wahl sein Amt nicht verteidigen wolle. Gerich war im Frühjahr 2013 überraschend als erster offen schwuler Mann zum Oberhaupt der hessischen Hauptstadt gewählt worden (queer.de berichtete). Eigentlich wollte er sich bei der parallel zur Europawahl stattfindenden OB-Wahl am 26. Mai wiederwählen lassen, stolperte jetzt aber über eine Korruptionsaffäre.
Die undurchsichtige Angelegenheit hatte sich über die letzten Wochen hochgeschaukelt. Auslöser war die Entlassung des 60-jährigen CDU-Kreisschatzmeisters Ralph Schüler als Chef einer stadteigenen Holding im Dezember. Diesen Posten hatte Schüler 2014 mit Unterstützung von OB Gerich erhalten. Die beiden waren damals eng befreundet. Nach seiner Entlassung belastete Schüler – neben führenden Politikern aus seiner eigenen Partei – den sozialdemokratischen Oberbürgermeister jedoch schwer.
Spanienreise wird Gerich zum Verhängnis
Der Hauptgrund für die Affäre: Kurz nach der Beförderung unternahmen Schüler und Gerich – gemeinsam mit ihren Eheleuten – eine sechstägige Andalusienreise, die mehrere tausend Euro gekostet haben soll. Nun behauptet Schüler, er habe die Spanienreise praktisch alleine aus eigener Tasche bezahlt, was Gerich aber energisch bestreitet. Er habe seinerzeit Wert darauf gelegt, dass "wir die Kosten dieser Reise teilen", so Gerich am Montag. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft in dieser Woche Ermittlungen gegen den OB wegen des Verdachts der Vorteilsannahme eingeleitet. Könnte die Staatsanwaltschaft Gerich beweisen, seinem CDU-Freund für eine private Gegenleistung zu einem einflussreichen städtischen Posten verholfen zu haben, würden ihm bis zu fünf Jahre Haft drohen.
Am Dienstag hatte Schüler den Streit mit seinem ehemaligen Spezi noch angeheizt, als er einen offenen Brief an Gerich veröffentlichte, indem er den "lieben Sven" zum Rücktritt aufforderte. Sollte sich der SPD-Politiker weigern, drohte Schüler mit pikanten Enthüllungen. Schüler kritisierte mit gehässigen Worten die Verteidigungslinie Gerichs, der behauptet hatte, zu Beginn seiner Amtszeit blauäugig, aber nicht kriminell gehandelt zu haben ("Du bist zwar oft blau, aber warst nie blauäugig").
Gerich: "Schmutzkampagne" gegen seine Person
In der Pressekonferenz bezeichnete Gerich laut "Frankfurter Rundschau" die Vorwürfe als "Schmutzkampagne" gegen seine Person, die inzwischen ein Ausmaß angenommen habe, das er niemandem mehr zumuten wolle. Sein Ehemann und sein – ebenfalls mit einem Mann verheirateter Adoptivvater – hätten anonyme Drohbriefe erhalten, auch gegen andere Personen aus seinem Umfeld habe es Drohungen gegeben. Weil er nicht das Wohl seiner Angehörigen aufs Spiel setzen wolle, trete er im Frühjahr nicht mehr zur Wahl an. Gerich erklärte, er habe in der Sache zwar Fehler gemacht, sei aber niemals "korrumpierbar oder bestechlich" gewesen.
Vor Bekanntwerden der Vorwürfe galt es als sicher, dass Gerich wiedergewählt wird. Er war populär und hatte als OB einige Erfolge vorzuweisen, wie die Ansiedlung der Hochschule Fresenius oder eine Neustrukturierung der städtischen Verkehrsgesellschaft. Der 44-Jährige setzte sich auch für LGBTI-Rechte ein: So installierte er eine städtische "LSBT*IQ-Koordinierungsstelle" (queer.de berichtete).
Die Rückzug Gerichs bringt seine SPD, die ihm bis zum Ende ihre Unterstützung zugesichert hatte, in die Bredouille. Die Partei muss nun schnell einen neuen Kandidaten für das OB-Amt finden, um das Rathaus zu verteidigen. (dk)