In ihrem im November 2016 verabschiedeten Grundsatzprogramm wendet sich die CSU noch gegen "Frühsexualisierung", "Gender-Ideologie" und "jegliche Relativierungsversuche" der Ehe zwischen Mann und Frau – die praktische Politik der Partei im Freistaat Bayern sieht jedoch durchaus LGBTI-freundlicher aus.
So will die Augsburger Stadtverwaltung von Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) ab Februar in amtlichen Veröffentlichungen u.a. auf geschlechtersensible Sprache und sexuelle Vielfalt achten. "Vermeiden Sie Bilder, die Klischees und Stereotype verstärken", empfiehlt eine interne Arbeitshilfe, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Um die vielschichtige Stadtgesellschaft in Publikationen und Broschüren realitätsnah dazustellen, sollten Menschen mit und ohne Behinderung und verschiedene Altersgruppen genauso berücksichtigt werden wie Bewohner mit unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung und Identität.
Augsburg bekenne sich zur Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen und Männern, schreibt Gribl in der Arbeitshilfe. "Ein Mittel dazu ist – neben vielen anderen – ein geschlechtersensibler Sprachgebrauch, der Frauen und Männer gleichermaßen benennt", so der Rathauschef an seine Mitarbeiter*innen.
Dritte Option in allen Stellenausschreibungen
Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) will nichtbinäre Menschen nicht diskriminieren (Bild: StMFLH)
Eine gendergerechte Sprache sei unverzichtbar, erklärte auch das bayerische Sozialministerium von Kerstin Schreyer (CSU) auf dpa-Anfrage zur Sprachregelung in den Ministerien und Behörden des Freistaats. Bereits seit 2001 gelte eine Richtlinie, nach der zum Beispiel grundsätzlich Paarformen oder geschlechtsneutrale Ausdrücke gebraucht werden sollen.
Zur Vermeidung sprachlicher Diskriminierungen von Menschen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können oder wollen, habe das Finanzministerium von Albert Füracker (CSU) zudem aktuell allen Ressorts empfohlen, dass "künftig in Stellenausschreibungen die Ansprache der Bewerberinnen und Bewerber um den Zusatz (m/w/d) erweitert werden soll".
Bereits vor einer Woche hatte der neue CSU-Vorsitzende Markus Söder angekündigt, seine Partei breiter aufstellen und sie für Lesben und Schwule attraktiver machen zu wollen (queer.de berichtete). Auf die Frage des Bayerischen Fernsehens, ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften zum Familienleitbild der CSU gehörten, erklärte der Ministerpräsident: "Wir sind offen für jede neue Familienform." Die CSU schließe niemanden aus.
Kehrtwende nach LGBTI-feindlichem Wahlkampf
Im jüngsten Landtagswahlkampf hatte die CSU noch offen auf Homophobie gesetzt: In einer Werbebroschüre wurden gleichgeschlechtliche Paare beispielsweise indirekt als nicht normal dargestellt. Sich für diese Paare politisch einzusetzen, wurde als Schwächung von heterosexuellen Familien eingeordnet. Außerdem setzten sich die Christsozialen gegen LGBTI-Aufklärungsarbeit an Schulen ein – und diffamierten entsprechende Pläne der Opposition mit dem AfD-Kampfbegriff "Frühsexualisierung" (queer.de berichtete).
Im Landtagswahlkampf 2018 setzte die CSU-Führung LGBTI-feindliche "Argukarten" ein
In dem Anfang November unterzeichneten Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern werden sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht erwähnt (queer.de berichtete). In den vergangenen Jahren hatten LGBTI-Aktivisten immer wieder mehr Engagement von der bayerischen Staatsregierung gefordert, etwa die Einführung eines Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie – sie verwiesen dabei auf entsprechende Initiativen in anderen Bundesländern. 2015 hatte die damalige CSU-Alleinregierung allerdings erklärt, dass es "keine Pläne" und "keine Notwendigkeit" für die Einführung eines derartigen Plans gebe (queer.de berichtete). Im Frühjahr letzten Jahres lehnte die CSU auch einen Queer-Beauftragten ab (queer.de berichtete).
Monatelang hatte die bayerische Staatsregierung zudem damit kokettiert, gegen die vom Bundestag beschlossene Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Erst nach Einholung zweier Rechtsgutachten, die einer Klage keine Chance gaben, wurden die Pläne im März 2018 zu den Akten gelegt (queer.de berichtete). (cw/dpa)
Ein Wort in eigener Sache
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per
Paypal oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken.
Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.
Jetzt queer.de unterstützen!