Das generelle Verbot schwuler Priester in der katholischen Kirche findet in Deutschland immer weniger Akzeptanz. Das Erzbistum Paderborn hat am Montag mitgeteilt, dass man ab sofort entsprechende Vorgaben nicht mehr anwende: "Wenn sie den Zölibat einhalten, werden auch homosexuelle Priesteramtskandidaten akzeptiert", erklärte der Leiter des Priesterseminars, Michael Menke-Peitzmeyer, gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk. "Wir müssen unterscheiden zwischen einer homosexuellen Orientierung eines Menschen und homosexueller Praxis", so der Geistliche.
Männern, die sexuell aktiv sind, sei das Priesteramt weiterhin untersagt – dies gelte aber sowohl für Hetero- als auch für Homosexuelle, so Menke-Peitzmeyer. "Wenn homosexuelle Praxis bei einer Person üblich ist, finde ich, ist das ein Ausschlusskriterium mit Blick auf den priesterlichen Dienst." Inzwischen gebe es regelmäßige Gespräche mit den Bewerbern über persönliche Einstellungen und die sexuelle Orientierung.
Damit wendet sich das Erzbistum direkt gegen Papst Franziskus, der erst vor wenigen Wochen das generelle Homo-Verbot im Priesteramt noch verteidigte (queer.de berichtete). Laut den offiziellen Richtlinien des Vatikans ist es allen Männern, "die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte 'homosexuelle Kultur' unterstützen", untersagt, Priester zu werden. Die Begründung: Diese Menschen könnten "keine korrekte[n] Beziehungen zu Männern und Frauen" aufbauen (queer.de berichtete).
Ruhrbischof wirbt für Ende der Diskriminierung
Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck setzt sich für eine neue Haltung der Kirche gegenüber Homosexuellen und für eine Zulassung schwuler Priesterkandidaten ein. Der 54-Jährige schrieb in einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (Beitrag hinter Bezahlschranke) unter der Überschrift "Vorurteile überwinden!": "Jeder Mensch kann äußerst respekt- und liebevolle zwischenmenschliche Beziehungen eingehen." Gruppen von Menschen auszuschließen sei "Ausdruck eines Vorurteils, das für Betroffene schwer zu ertragen ist und letztlich zu ihrer Diskriminierung oder gar Kriminalisierung beiträgt", so der Bischof.
Konkret verteidigte Overbeck schwule Männer gegen den pauschalen Vorwurf aus seinen Reihen, für den Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche verantwortlich zu sein: "Weder die hetero- noch die homosexuelle Orientierung eines Menschen als solche kann und darf als Ursache für sexuellen Missbrauch betrachtet werden." Es bestehe kein "innerer Zusammenhang" zwischen Pädophilie und Homosexualität. Daher sei es "geradezu abwegig" zu behaupten, das Problem sexuellen Missbrauchs ließe sich etwa dadurch lösen, den Zugang zum Priestertum nur auf heterosexuelle Männer zu beschränken. "Würde damit nicht genau jene Haltung fortgesetzt und sogar verstärkt, so frage ich mich, die zu problematischen innerkirchlichen Verdrängungen geführt hat?", so Overbeck.
Hochrangige Vertreter der katholischen Kirche hatten wiederholt Homosexuelle beschuldigt, schuld am am innerkirchlichen Kindesmissbrauch zu sein, darunter etwa Raymond Leo Kardinal Burke, Weihbischof Marian Eleganti, Walter Kardinal Brandmüller oder Gerhard Ludwig Kardinal Müller. Das fundamentalistische Magazin "katholisches.info" sprach abfällig von "Homosex-Tätern", die schuld am Missbrauchsskandal seien.
Overbeck: Kirche soll auch mal auf Wissenschaftler hören
Dagegen warb jetzt Overbeck dafür, dass die Theologie bei Fragen der Sexualmoral und insbesondere der Homosexualität "die kulturell zeitbedingten Vorstellungen, die in biblischen Aussagen über gleichgeschlechtliche Sexualität auch transportiert werden", auch im Licht anderer Disziplinen reflektiert – etwa der Humanwissenschaften. Die kirchliche Lehre dürfe sich "nicht gegenüber der Geschichtlichkeit der menschlichen Existenz und ihrer vertieften Erkenntnis abschotten".
Die katholische Kirche könne "im Grunde nur froh sein, wenn aufgrund vertiefter Erkenntnisse über die menschliche Sexualität Vorurteile vergangener Zeiten, die bis heute fatal nachwirken, überwunden werden", so Overbeck. Diese "Entpathologisierung" der Homosexualität bedeute für die Betroffenen "eine überfällige Befreiung aus teilweise immensen Leidensgeschichten in Vergangenheit und Gegenwart". Nun sei es Zeit, "die kirchliche Debatte über die Wahrnehmung und Bewertung von Homosexualität so zu führen, dass die kaum vernarbten Wunden vergangener Verletzungen nicht erneut aufgerissen werden".
In der Vergangenheit hatte Overbeck mit homophoben Äußerungen für Empörung gesorgt, seine Rhetorik aber in den letzten Jahren zurückgefahren. 2010 behauptete der Bischof etwa noch in einer Talkshow, dass Homosexualität der Natur widerspreche (queer.de berichtete). Sein Bistum sorgte im selben Jahr für Schlagzeilen, weil es eine lesbische Putzfrau (!) an einem katholischen Kindergarten wegen ihrer sexuellen Orientierung entließ (queer.de berichtete).
In den letzten Jahren zeigte sich Overbeck weniger homofeindlich. 2014 sprach er sich etwa gegen Diskriminierung von Regenbogenfamilien in Kirchen aus (queer.de berichtete). Er traf sich außerdem mit LGBTI-Aktivisten zu einem "kritisch-konstruktiven Dialog" (queer.de berichtete). (dk)
Aber abwarten und Tee trinken, ehe wir dies (wieder) verfrüht als epochales Ereignis des Jahrtausends bejubeln und vorwerfen, dass andere dies nicht begreifen würden.