Verfolgte aus sogenannten "sicheren" Ländern haben so gut wie keine Chance, in Deutschland Asyl zu erhalten (Bild: flickr / brx0 / by 2.0)
Auf Bestreben der Ausländerbehörde des Rhein-Erft-Kreises ist am Dienstag eine schwer erkrankte Transfrau in die Republik Mazedonien abgeschoben worden. Der Kölner Flüchtlingsrat e.V., der den Fall von Frau B. über ein Jahr begleitet hatte, hat Zweifel, ob die Abschiebung rechtens war, wie es vom FDP-geführten NRW-Flüchtlingsministerium behauptet wurde.
"Frau B. ist lt. mehrerer ärztlicher Stellungnahmen schwer psychisch krank (Posttraumatische Belastungsstörung, Angststörung, Bindungsstörung, Intelligenzminderung, strukturelle Störung) und leidet unter Diabetes", heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins. "Die eigenständige Einstellung mit Insulin ist Frau B. aufgrund ihrer zahlreichen psychischen Störungen nicht möglich. In der Flüchtlingsunterkunft kollabierte sie deswegen mehrfach. Es wurde schließlich auch ein betreutes Wohnen eingerichtet, welches letztendlich jedoch am erforderlichen Aufenthaltsstatus von Frau B. scheiterte. Frau B. ist auf Betreuung angewiesen, welche sie in Mazedonien nie erhielt und nicht erhalten wird."
B. sei transsexuell, Analphabetin und Romni – aufgrund dieser Faktoren habe sie in Mazedonien, einem nach deutschem Recht "sicheren Herkunftsland", Gewalt und Diskriminierung erfahren. Sie habe jahrelang als Obdachlose auf der Straße gelebt und sich von Betteln und Essen aus der Mülltonne ernährt. Von ihrer Familie habe sie keine Unterstützung erhalten. Lediglich eine LGBTI-Hilfsorganisation habe ihr zeitweise geholfen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Verwaltungsgericht hatten den Asylantrag von B. abgelehnt. Ein Antrag bei der Härtefallkommission NRW war zum Zeitpunkt der Abschiebung aber noch anhängig.
"Unbarmherziges Vorgehen"
"Ohne Not wurde die Transfrau abgeschoben", beklagte Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates. "Die Ausländerbehörde des Rhein-Erft-Kreises ist bekannt für knüppelhartes und unbarmherziges Vorgehen. Sie ist auch dafür bekannt, Verfahren bei der Härtefallkommission NRW zu ignorieren." Er warf den Behörden vor, die besondere Schutzbedürftigkeit von B. ignoriert zu haben. Sie sei völlig auf sich alleine gestellt gewesen und habe die komplexen Abläufe des Asylverfahrens nicht verstanden. Das habe dazu geführt, dass ihr Asylantrag schnell als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurde.
"Für Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern ist es in den dafür vorgesehenen Asyl-Schnellverfahren faktisch unmöglich, Schutz in Deutschland zu erhalten. Die Situation von Transmenschen in Mazedonien ist jedoch prekär", so der Flüchtlingsrat. B. sei nach Einschätzung der Organisation "fundamental in ihren Grundrechten beschnitten" worden. "Die Asylklage ist noch anhängig. Und darüber, ob sogenannte inländische Abschiebungshindernisse umfassend geprüft worden sind, haben wir ganz erhebliche Zweifel!", so Prölß.
"Ich kann es noch gar nicht fassen"
Marlen Vahle vom Flüchtlinsrat, die B. als Beraterin zur Seite stand, erklärte: "Ich kann es noch gar nicht fassen. Selten habe ich einen Menschen erlebt, der in so prekären Lebensverhältnissen lebte." B. sei "sehr an Gewalt und Diskriminierung gewöhnt, dass es für sie zur Normalität wurde", so Vahle. "Ich frage mich, wer aus sogenannten 'sicheren Herkunftsländern' überhaupt noch Schutz erhalten soll, wenn nicht dieser Mensch." Durch die Abschiebung sei sie in menschenunwürdige Lebensverhältnisse geschickt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Abschiebung zu Verwahrlosung und einem frühen Tod führt.
Der Fall wirft ein neues Licht auf die Debatte um sichere Herkunftsstaaten. Die schwarz-rote Koalition hatte vor zwei Wochen im Bundestag, mit Unterstützung von AfD und FDP, die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und Tunesien als "sicher" beschlossen, obgleich in allen drei Ländern Homosexualität unter Strafe steht und schwule Männer in Tunesien laut einer Menschenrechtsorganisation sogar gefoltert werden sollen. Die Verleihung des Prädikats "sicher" für die drei Maghreb-Staaten muss noch durch den Bundesrat, in dem Linke und Grüne derzeit eine Verabschiedung blockieren (queer.de berichtete). LGBTI-Aktivisten kritisieren, dass es aus menschenrechtlicher Sicht ein falsches Signal sei, Verfolgerstaaten zu attestieren, sicher zu sein.
Bereits seit den Neunzigerjahren sind zwei Verfolgerstaaten auf der deutschen Liste der "sicheren" Länder: Im Senegal droht auf Homosexualität eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, in Ghana von bis zu drei Jahren. Die Republik Mazedonien, die Homosexualität 1996 legalisierte, ist seit 2014 als "sicher" eingestuft. (cw)
Union und SPD lügen wieder mal, dass sich die Balken biegen. Und ginge es nicht ganz konkret um Menschenleben, müsste man sich amüsieren, wieviele Leute noch darauf reinfallen.