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Niedersachsen
Bericht: Islam-Beirat lehnt sexuelle Vielfalt ab
Sexuelle Vielfalt ist im islamischen Religionsunterricht in Niedersachsen offenbar nicht erwünscht.

Rudy Herman / flickr) Die Verantwortlichen für islamischen Religionsunterricht wollen offenbar nicht Homo- und Transsexualität thematisieren müssen (Bild:
- 1. Februar 2019, 15:44h 3 Min.
Das Thema "sexuelle Vielfalt" sorgt weiter für Widerstand von homophoben Akteuren an niedersächsischen Schulen: Laut der "Neuen Osnabrücker Zeitung" prüft das niedersächsische Kultusministerium deshalb, ob der Beirat für den islamischen Religionsunterricht überhaupt für den Lehrplan zuständig ist.
Dem Zeitungsbericht zufolge hatte der Beirat einen überarbeiteten Lehrplan für die Grundschulen bereits im April 2017 abgelehnt "aufgrund von Bedenken gegen einzelne Formulierungen, darunter auch wegen des Hinweises auf die Berücksichtigung sexueller Vielfalt". Bis heute gibt es offenbar keine Lösung. Das Ministerium wolle nun prüfen, ob es sich bei den kritisierten Punkten überhaupt um theologische Grundsätze handelt, ob der Beirat also überhaupt gefragt werden muss.
In dem Beirat sitzt neben der Dachorganisation Schura Niedersachsen der deutsch-türkische Verband Ditib, der laut Beobachtern eine Marionette der autoritären Regierung in Ankara ist. Die Türkei hat in den letzten Jahren immer homophobere Politik betrieben – so wurden mehrfach CSDs wie der in Istanbul verboten und wer dennoch demonstrierte, wurde von der Polizei mit Gewalt verfolgt (queer.de berichtete). Öffentlich wollten sich der Beirat und die beiden Organisationen zu dem Thema nicht äußern.
In einem Kommentar wird in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" das Ende der Zusammenarbeit mit homophoben Verbänden gefordert: "Hessen hat die Zusammenarbeit mit Ditib beim Reliunterricht gerade beendet. Auch in NRW steht das zur Debatte. Wenn sich die Verbände weiterhin lieber bedeckt halten, könnte ihnen in Niedersachsen ein ähnliches Schicksal drohen."
Katholische Kirche akzeptiert sexuelle Vielfalt an Schulen
Andere nicht gerade homofreundliche Glaubensgemeinschaften haben die Behandlung des Themas sexuelle Vielfalt akzeptiert: Die katholische Kirche habe laut der "Neuen Osnabrücker Zeitung" etwa erklärt, dass der Lehrplan für Gymnasien bereits geändert worden sei.
Die Grünen kritisieren das Vorgehen der Islamverbände: "Es muss möglich sein, auch kontroverse Themen im islamischen Religionsunterricht darzustellen", sagte der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Belit Onay der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch der Islam habe immer wieder Berührung mit Themen wie sexueller Vielfalt und Homophobie. Schüler müssten lernen, das einzuordnen. "Es kann doch nicht sein, dass die Verantwortlichen nun bei den ersten Schwierigkeiten die Segel streichen und sich verweigern", kritisierte Onay. "Dass weder Kultusministerium noch Islamverbände bislang offen über diese Probleme gesprochen haben, zeugt von mangelndem Problembewusstsein."
Sexueller Vielfalt seit 2014 in niedersächsischen Schulen
Das Land Niedersachsen hatte 2014 mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP gegen heftigen Widerstand der Christdemokraten einen Antrag zum besseren Umgang mit der Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten in den Schulen beschlossen (queer.de berichtete). Die Debatte führte damals zu vielen homophoben Reaktionen: CDU-Schulexpertin Karin Bertholdes-Sandrock warnte sogar davor, "dass beispielsweise Schwule und Lesben in den Klassen allein gegenüber den Kindern auftreten" (queer.de berichtete). Die Schüler-Union behauptete, Schulaufklärung über Homosexualität führe zu "Übersexualisierung und Perversion" (queer.de berichtete). Außerdem wurde eine "Demo für alle" gegen die Thematisierung von sexueller Vielfalt an Schulen abgehalten (queer.de berichtete).
Ganz rund läuft die Umsetzung des Bildungsplanes nicht: Die Grünen haben erst vor wenigen Tagen die inzwischen rot-schwarze Landesregierung kritisiert, weil sie zu wenig für sexuelle Vielfalt an Schulen tue: "Es ist eine Schande, dass Jugendliche auch heute noch Angst vor einem Outing haben müssen. Die Landesregierung nimmt dieses Problem nicht ernst, im Gegenteil: Der Beschluss des Landtages, dieser Diskriminierung durch gezielte Maßnahmen zu begegnen, scheint für die GroKo nur anstrengende Pflichtlektüre zu sein", erklärte Julia Willie Hamburg, die schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. Sie reagierte damit auf Antworten (PDF) des SPD-geführten Kultusministeriums zur Umsetzung des Bildungsplans. (ots/cw)
