Der offen schwule US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hat die gegen Homosexuelle gerichtete Politik des Iran mit Gräueltaten der Terrormiliz "Islamischer Staat" gleichgesetzt. "Im Iran, wo selbst neunjährige Kinder zum Tode verurteilt werden können, werden schwule Teenager öffentlich gehängt, um andere so zu verängstigen und einzuschüchtern, dass sie es nicht wagen, sich zu outen", erklärte der 52-Jährige in einem in der "Bild"-Zeitung veröffentlichten Gastkommentar. "Irans abscheuliche Maßnahmen stehen der Brutalität und Grausamkeit der ISIS-Terrormiliz in nichts nach. In acht Ländern steht auf Homosexualität die Todesstrafe, in 70 weiteren ist sie illegal."
Der Diplomat kritisierte "barbarische öffentliche Hinrichtungen" und die Kriminalisierung von Homosexualität im Iran, die "jeden Befürworter der grundlegenden Menschenrechte" wachrütteln sollten. "Man kann unterschiedlicher Ansicht über Homosexualität sein, aber niemand sollte jemals strafrechtlich verfolgt werden, weil er homosexuell ist", so Grenell, in dessen eigenem Land Homosexualität in großen Teilen bis 2003 strafbar war. "Mir wurde beigebracht, dass 'alle Wahrheit Gottes Wahrheit ist, unabhängig davon, wo man sie findet'. Meine Wahrheit ist die, dass ich homosexuell geboren wurde."
Grenell bezog sich in seinem Artikel auf eine angebliche Hinrichtung eines Mannes wegen Homosexualität im Iran im Januar, über die mehrere Medien unter Verweis auf eine iranische Nachrichtenagentur berichtet hatten. Der US-Diplomat hatte die Tat bereits damals via Twitter verurteilt und diplomatische Reaktionen von den Europäern gefordert – die Quellenlage zu der Hinrichtung und ihrer Motivation bleibt allerdings bis heute vage (queer.de berichtete).
US-Linie gegen Iran verschärft sich
Das plötzliche Interesse Grenells an Menschenrechten im Nahen Osten könnte mit einer veränderten Politik der USA zusammenhängen: Letztes Jahr kündigte die Trump-Regierung das erst wenige Jahre zuvor vereinbarte Atomabkommen auf, an dem Deutschland und die europäischen Verbündeten gerne festhalten würden. Seit der Kündigung drohen US-Politiker und Diplomaten wie Grenell europäischen Ländern, dass sie ökonomisch bestraft werden könnten, wenn sie nicht die harte amerikanische Linie mittragen. Dies wird oft als heuchlerisch kritisiert, weil die Trump-Regierung zeitgleich die militärische Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien intensivierte – obwohl auch dort Homosexuelle öffentlich hingerichtet werden.
Grenell war im Sommer 2017 von Präsident Trump für den Botschafterposten in Berlin nominiert worden (queer.de berichtete). Erst ein Jahr später bestätigte ihn der US-Senat (queer.de berichtete). Die meisten Mitglieder der demokratischen Oppositionsfraktion stimmten gegen den langjährigen Trump-Anhänger und begründeten das unter anderem mit sexistischen Tweets gegen politische Gegner wie Hillary Clinton oder die lesbische Journalistin Rachel Maddow.
Der US-Botschafter in Berlin hat eine lange politische und diplomatische Karriere hinter sich: Nach seinem Studium an einer von der evangelikalen Pfingstbewegung betriebenen Privat-Hochschule sowie an der Universität Harvard arbeitete er für mehrere republikanische Politiker, darunter den New Yorker Gouverneur George Pataki, für US-Senator John McCain und den Kongressabgeordneten Dave Camp. Grenells diplomatische Laufbahn begann im Jahr 2001, als er vom damaligen Präsidenten George W. Bush zum US-Sprecher bei den Vereinten Nationen ernannt wurde. Diese Rolle hatte er bis 2008 inne, länger als jeder andere. Danach gründete er ein Beratungsunternehmen für Medien und war als republikanischer Kommentator in US-Nachrichtensendern, insbesondere im konservativen Haussender Fox News Channel, tätig.
Im Präsidentschaftswahlkampf 2012 war Grenell der außenpolitische Sprecher des republikanischen Kandidaten Mitt Romney. In der aufgeheizten politischen Atmosphäre wurde er aber wegen seiner Homosexualität von konservativen Republikanern attackiert und musste schließlich das Amt aufgeben (queer.de berichtete). 2016 warb er bereits früh für den zunächst als aussichtslos geltenden Kandidaten Donald Trump und verteidigte ihn auch nach seinem Amtsantritt gegen jegliche Kritik. Damit verdiente er sich offenbar den Botschafterposten, da der US-Präsident bedingungslose Loyalität schätzt. Für LGBTI-Rechte in seinem eigenen Land hat sich Grenell bislang nicht offen eingesetzt. (dk)