Die angekündigte Enthaltung der hessischen Landesregierung bei der Abstimmung über die Einstufung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sichere Herkunftsländer hat im Landtag von Wiesbaden heftige Diskussionen ausgelöst. Die FDP-Landtagsfraktion forderte Schwarz-Grün am Donnerstag in einem Antrag auf, im Bundesrat zuzustimmen. Im Bundestag gebe es eine Mehrheit, doch die Grünen nähmen die Politik mit ihrer "ideologischen Blockadehaltung" in "populistische Geiselhaft", sagte der FDP-Abgeordnete Stefan Müller.
"Unser Ziel ist es, das Grundrecht auf Asyl zu gewährleisten aber auch die Verfahren, da wo es möglich ist, zu beschleunigen", so Müller. Der Landtag lehnte den Antrag mit Mehrheit ab, die Linken-Fraktion stimmte mit CDU und Grünen, die SPD-Fraktion mit FDP und AfD. Eigentlich sprechen sich die Christdemokraten für die Verleihung des Prädikats "sicher" an die vier Länder aus, die Landesregierung hat sich aber darauf festgelegt, sich bei dem Thema wegen unterschiedlicher Auffassungen zu enthalten – eine Enthaltung in der Länderkammer ist gleichbedeutend mit einem Nein.
Der Streit um die Einstufung der Maghreb-Staaten dauert bereits seit Jahren an. Die schwarz-rote Koalition in Berlin hatte Mitte Januar im Bundestag einen neuen Anlauf beim Thema gestartet und mit Unterstützung von AfD und FDP die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und Tunesien – sowie von Georgien – als "sicher" beschlossen, obwohl in den Maghreb-Ländern Homosexualität unter Strafe steht und schwule Männer in Tunesien laut einer Menschenrechtsorganisation sogar gefoltert werden. LGBTI-Aktivisten kritisieren, dass es aus menschenrechtlicher Sicht ein fatales Signal sei, Verfolgerstaaten zu attestieren, sicher zu sein – man solle stattdessen lieber Druck auf die Länder ausüben, Homosexualität zu legalisieren.
Bundesrat soll am 15. Februar abstimmen
Die Länderkammer soll kommende Woche über das zustimmungspflichtige Gesetz abstimmen: Für eine Zustimmung bräuchte die Bundesregierung mindestens die Zustimmung von zwei Ländern, an denen Grüne oder Linke an der Regierung beteiligt sind. Bislang wackelt allerdings nur Grün-Schwarz in Baden-Württemberg bei dieser Frage (queer.de berichtete).
Bei der Wiesbadener Landtagsdebatte wiesen die Grünen die Vorwürfe der FDP scharf zurück. Der Abgeordnete Marcus Bocklet sprach von einem "weiteren durchsichtigen Versuch, diese Koalition zu entzweien". In einer Koalition gebe es naturgemäß Kompromisse. Die CDU-Ministerin Lucia Puttrich, die für Bundes- und Europaangelegenheiten zuständig ist, schloss sich an. Die CDU stehe zum Koalitionsvertrag.
Linke werfen FDP Rassismus vor
Die Linken-Abgeordnete Saadet Sönmez warf der FDP-Fraktion eine "rassistische Einstellung" vor, nahm dies aber nach einer Rüge zurück. In den betreffenden Ländern, Georgien, Algerien, Tunesien und Marokko, gebe es Menschenrechtsverletzungen, Folter, Verfolgung von Homosexuellen, Journalisten sowie religiöser Minderheiten.
SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel warb für die Ausweitung der Herkunftsländer und verwies auf niedrige Anerkennungsquoten. Die AfD-Fraktion kritisierte, im FDP-Antrag sei das Problem der Rücknahme von Migranten seitens ihrer Herkunftsländer nicht erwähnt. (dpa/dk)