Vanessa Gronemann gehört seit der hessischen Landtagswahl im Oktober der 29-köpfigen grünen Fraktion in Wiesbaden an (Bild: Grüne Kassel)
Die hessische Landtagsabgeordnete Vanessa Gronemann (Grüne) hat am Montag bei Twitter über Jahre andauerndes Mobbing gegen ihre Person während der Schulzeit berichtet. "Von der 5. bis zur 7. Klasse bin ich von älteren Schüler*innen wegen meines Aussehens (zu dick, zu hässlich), von der 8. bis zur 10. wegen meiner Homosexualität gemobbt worden", schrieb die 29-jährige Politikerin. "Die Schule war für mich also immer ein Angstraum, den ich nicht meiden konnte." Gronenmann war in der nur 4.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Bad Karlshafen in Nordhessen auf die Schule gegangen.
In einem Interview mit der "Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen" nannte Gronemann als Grund für ihren Twittereintrag den Selbstmord eines elfjährigen Mädchens in Berlin, das sich offenbar wegen Mobbings an der Grundschule das Leben genommen hatte.
An ihrer Schule sei sie von einer "falschen Freundin" als lesbisch geoutet worden, "bis es jeder wusste", so Gronemann. "Und auf einmal haben mich Leute aus der Parallelklasse verfolgt und 'Lesbe, Lesbe' gerufen", sagte die Politikerin weiter. "Das ist eigentlich keine Beleidigung, aber es ging darum, mich bloßzustellen. Außerdem war die ganze Sache unschön, weil ich selbst gern die Entscheidung getroffen hätte, wem ich was sage."
"Angst und Verzweiflung" führten zu Suizidgedanken
Das erzwungene Coming-out habe sie fertig gemacht: "Gerade beim Thema Outing gingen bei mir die Angst und Verzweiflung so weit, dass ich Suizidgedanken entwickelt habe. Das lag aber auch an dem fragilen Gesamtkonstrukt damals – als ich dabei war, die eigene Identität zu finden." Sie habe sich zu dieser Zeit oft allein gefühlt. Geholfen habe ihr aber die "Solidarität meiner Familie und meiner Freunde".
Gronenmann forderte, dass Lehrer das Thema Mobbing mit Schülern besprechen müssten, damit Extremsituation erst gar nicht entstehen könnten. "Das heißt, die Lehrer müssen bei den Kindern eine gewisse Empathie hervorrufen, sie sensibilisieren und ihnen sagen, dass Mobbing gerade deswegen funktioniert, weil einige wegsehen."
Die Grünenpolitikerin hat einen Tipp an heutige Mobbingopfer: "Ich würde ihnen versuchen zu vermitteln, dass die Angriffe oder Beleidigungen gegen sie nichts mit ihnen zu tun haben, sondern sie haben mit der Person zu tun, die einen angreift oder beleidigt. Wenn man das verinnerlicht hat, hält man es besser aus." Das Schlimmste sei, wenn jemandem eingeredet werde, dass er nichts wert sei – und er es auch noch glaube.
Vanessa Gronemann wurde 2015 Chefin des grünen Kreisverbandes Kassel-Stadt. 2017 arbeitete sie für die Bundestagsabgeordnete Bettina Hoffmann im Wahlkreisbüro. Vergangenes Jahr stellte sie ihre Partei bei den hessischen Landtagswahlen als grüne Direktkandidatin im Wahlkreis Kassel-Stadt I auf, den 2013 noch die SPD erobert hatte – damals hatte die grüne Direktkandidatin Karin Müller noch rund 19 Prozentpunkte Rückstand auf die Sozialdemokraten, während Gronemann 2018 mit drei Prozent Vorsprung vor der SPD und fünf Prozent Vorsprung vor der CDU den Wahlkreis gewinnen konnte. (dk)
TippFür Kinder und Jugendliche, die in Deutschland Schwierigkeiten rund um ihr Coming-out haben oder an Mobbing leiden, gibt es zahlreiche LGBT-Jugendgruppen und -zentren, die ebenso Beratung bieten wie Kontaktmöglichkeiten zu Gleichgesinnten. Auch mehrere Webseiten, etwa
dbna (Du bist nicht allein) oder die des bundesweiten
Jugendnetzwerks Lambda, richten sich gezielt an junge Schwule und Lesben. Eine generelle Notfall-Seelsorge für Jugendliche mit Suizidgedanken ist unter den kostenlosen Nummern 116 111 oder 0800 111 0 333 zu erreichen.
Und die Selbstmordrate ist unter LGBTI-Jugendlichen 6-8 x höher als bei Hetero-Jugendlichen.
Dabei sollte Schule ein sicherer Raum sein, wo alle angstfrei hingehen können. Da werden nicht nur Menschenleben ruiniert, sondern das schadet auch ganz massiv der Volkswirtschaft.
Und auch Heteros gehen besser durchs Leben, wenn sie den Wert von Vielfalt kennen und in der Schule Akzeptanz gelernt haben. Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.
Umso skandalöser, dass es immer noch Parteien und Politiker gibt, die mehr Aufklärung und Förderung von Vielfalt an Schulen verzögern, abschwächen oder ganz verhindern wollen. Das schadet den Kindern und ihrer Bildung, also letztlich der Zukunft aller.