Nach langem Zögern der baden-württembergischen Grünen hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine Zustimmung der Landesregierung zur Ausweitung sicherer Herkunftsländer in Aussicht gestellt. "Der Eindruck stimmt", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart auf die Frage, ob er zur Zustimmung tendiere. Die Entscheidung im Bundesrat steht am Freitag an. Kretschmann sagte, er wolle aber erst zum Schluss entscheiden, weil noch einige Details und Verfahrensfragen geklärt werden müssen.
Die Bundesregierung will Algerien, Tunesien, Marokko sowie Georgien zu sogenannten sicheren Herkunftsländer erklären. Bereits letzten Monat hatte der Bundestag mit Zustimmung der Großen Koalition, der FDP und der AfD ein entsprechendes Vorhaben beschlossen (queer.de berichtete). Noch muss aber die Länderkammer zustimmen.
Kretschmann hatte eine Zustimmung im Bundesrat an Bedingungen geknüpft – vor allem zum Umgang mit Asylanträgen von Journalisten, Homosexuellen und religiösen Minderheiten. Durch eine vereinbarte juristische Beratung für diese Gruppen würden diese nun behandelt wie Asylbewerber aus anderen Ländern, so Kretschmann. "Im Kern ist meinem Begehren (…) Genüge getan, dass das jetzt im Gesetzestext selber steht."
Sichere Herkunftsländer sind Staaten, bei denen die Vermutung besteht, dass es dort im Regelfall weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Die Bundesregierung will mit der Änderung des Asylrechts erreichen, dass über Anträge von Menschen aus diesen Staaten schneller entschieden werden kann. Auch die Abschiebung soll dadurch beschleunigt werden.
LGBTI-Aktivisten: Maghreb-Staaten sind Verfolgerstaaten
Menschenrechtler und LGBTI-Aktivisten stehen insbesondere der Neueinstufung der drei Maghreb-Staaten kritisch gegenüber. Sie sehen die im Regierungsentwurf verankerte Rechtsberatung für besonders Schutzbedürftige als einen Formelkompromiss an, der am Ende kaum reale Auswirkungen haben werde. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hält die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten für eine "skandalöse Verharmlosung der Menschenrechtslage" in den Ländern: "Staaten, die Homosexualität kriminalisieren, sind nicht sicher, sondern sind Verfolgerstaaten", so LSVD-Vorstandsmitglied Marion Lüttig unlängst.
Selbst mit der Zustimmung Baden-Württembergs hat die Große Koalition im Bundesrat allerdings noch keine Mehrheit. Dazu müsste ein weiteres Bundesland zustimmen, in denen Grüne oder Linke mitregieren. Bislang hat es noch keine derartigen Signale aus den Ländern gegeben.
Die Zustimmung der Südwest-Grünen scheint überraschend, da erst wenige Stunden vor der Aussage Kretschmanns mehrere Männer in Tunesien wegen Homosexualität verurteilt worden waren (queer.de berichtete). Tunesien wird außerdem von Menschenrechtlern beschuldigt, Homosexuelle nach wie vor zu foltern (queer.de berichtete). (dpa/dk)