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Kinostart
Wenn die Eltern dich von deiner Homosexualität "heilen" wollen
Joel Edgertons schockierendes Ex-Gay-Drama "Der verlorene Sohn" mit Nicole Kidman und Lucas Hedges ist so regelrecht dokumentarisch, das einem fast schlecht werden kann.

Der 19-jährige Jared (Lucas Hedges) wird von seiner Mutter (Nicole Kidman) zu einer Homo-"Heiler"-Anstalt gebracht (Bild: Universal Pictures Germany)
- Von Antje Wessels, dpa
14. Februar 2019, 08:14h 4 Min.
In einigen Gegenden der USA ist die sogenannte Reparativtherapie bis heute weit verbreitet. Mit ihren Methoden versprechen selbst ernannte "Heiler" Lesben und Schwulen die Hoffnung darauf, ihre vermeintlich aus einer Sünde heraus entstandenen Neigungen in den Griff zu bekommen. In den meisten Fällen sind es allerdings gar nicht die Betroffenen selbst, die meinen, auf diesem Wege von einer Last befreit zu werden, sondern die Eltern.
Genau solche Eltern, für die eine Homosexualität ihres Sohnes eine furchtbare Vorstellung darstellte, waren auch die des Teenagers Garrard Conley, der über seine Erfahrungen ein Buch schrieb. In "Boy Erased" schildert er die wenigen Tage seines Aufenthalts in einer therapeutischen Einrichtung für Schwule und Lesben. Joel Edgerton, dessen Regiedebüt "The Gift" bereits begeisterte, hat daraus jetzt einen Film gemacht.
Sohn eines homophoben Baptistenpredigers

Poster zum Film: "Der verlorene Sohn" startet am 21. Februar 2019 regulär im Kino und läuft zuvor bereits in einigen Previews, u.a. im Rahmen der Queerfilmnacht
Teenager Jared Eamons (Lucas Hedges) ist wohlbehütet in der Obhut seiner Eltern Nancy (Nicole Kidman) und Marshall (Russell Crowe) aufgewachsen. Doch je älter er wird, desto mehr fühlt er sich sexuell zu Männern hingezogen – und das ist für seine Familie ein Problem. Denn als Baptistenprediger ist es für Marshall unmöglich, die das Schwulsein seines Sohnes zu akzeptieren. Über den Kopf seiner aufgeschlosseneren Ehefrau hinweg verdonnert er den Jungen zu einer religiösen "Reparativtherapie". Hier sollen homosexuelle Teenager mit kriminellen Methoden umerzogen werden.
Im "Therapie"-Zentrum angekommen nimmt ihn der selbst ernannte "Heiler" Victor Sykes (Joel Edgerton) sofort unter seine Fittiche. Fortan muss Jared lernen, seine Gefühle als krankhafte Schwäche anzusehen, die er zu bekämpfen hat. Doch anders als seine Mitpatienten beginnt Jared zu rebellieren – auch wenn die Flucht von diesem finsteren Ort weitaus schwerer ist als erwartet.
Auf Extreme und Überzeichnung verzichtet
Der erste Eindruck von "Der verlorene Sohn" ist trügerisch: Ganz so schlimm wie anhand der Inhaltsbeschreibung befürchtet, werden die zwei Stunden dann doch nicht. Tatsächlich verzichtet der auch für das Drehbuch verantwortliche Joel Edgerton bewusst auf Extreme. Sein Protagonist hat ja ohnehin nur wenige Tage in einer Einrichtung verbracht, in der es andere oftmals mehrere Monate oder sogar Jahre aushalten müssen. Außerdem hat er die besonders radikalen Ausprägungen nur am Rande mitbekommen, wurde also nie selbst das Opfer von Elektroschocks oder dem Beiwohnen der eigenen Beerdigung – eine Methode, die Edgerton hier anhand eines Mitinsassen aufgreift.
Kurzum: Das direkt greifbare Leid fühlt sich aus der Sicht des jederzeit rational denkenden Jared nicht zu schlimm an wie aus der eines vollkommen hilflosen Opfers. Immer wieder hinterfragt der von "Manchester by the Sea"-Star Lucas Hedges aufopferungsvoll verkörperte Jared die Methoden, äußert sich kritisch gegenüber Betreuern und seinen Eltern. Andere haben nicht so viel Glück und unterziehen sich einer langsamen Gehirnwäsche. Darin zu sehen, wie diese Methoden funktionieren und die Homosexuellen ihre sexuelle Orientierung selbst immer abstoßender finden, steckt die eigentliche Brutalität des Films.
Warum die Überzeugungstäter so erfolgreich sind
Auch eine Vergewaltigungsszene in der ersten Hälfte des Films geht ordentlich an die Nieren, spielt für den weiteren Verlauf der Story allerdings nur eine marginale Rolle. Es ist der einzige Moment in "Der verlorene Sohn", in dem man den Eindruck gewinnt, Edgerton wolle eben doch auch mal mit einer gewissen Drastik aufrütteln. Sie wirkt dadurch fast ein wenig deplatziert innerhalb dieses sich ganz auf seine reale Vorlage besinnenden Films, in dem ansonsten ohne Überzeichnung gearbeitet wird.
Noch nicht einmal die Betreuer vor Ort lassen sich automatisch in die Rolle der klassischen Schurken drängen; dafür tragen sie ihr menschenfeindliches Anliegen mit einer solchen Ernsthaftigkeit vor, dass man sofort erkennt, weshalb Jahr für Jahr so viele US-Amerikaner auf diese Methoden setzen. Genau das macht "Der verlorene Sohn" so schockierend: Edgerton liefert einen Einblick, der regelrecht dokumentarisch ist. Da kann einem fast schlecht werden.
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Der verlorene Sohn. Drama. USA 2019. Regie: Joel Edgerto. Darsteller: Nicole Kidman, Russell Crowe und Lucas Hedges. Laufzeit: ca. 115 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. Verleih: Universal Pictures. Filmstart: 21. Februar 2019 (zuvor Previews u.a. im Rahmen der Queerfilmnacht)
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