Ohne Namen und Gesicht steht er in Kölner Innenstadt. Seine Arme hat er weit ausgestreckt. Vom weiten erinnert alles an eine Free-Hug-Aktion, wie sie nicht selten in Innenstädten zum zwanglosen Umarmen einlädt. Aber dieser Fall ist anders: Denn auf der Brust des jungen Mannes steht auf einem Schild geschrieben: "Ich bin HIV-positiv. Umarmst du mich?"
Es nähern sich einige Passantinnen und Passanten, lesen das Schild, machen sich Gedanken. Meist folgt dann eine Umarmung – festgehalten von der Kamera des YouTube-Kanals anyway.tv, das ein kurzes Video der Aktion am Freitag veröffentlichte.
Einige Umarmungen sind zaghaft. Andere drücken den Jungen ohne Namen fest an sich und wünschen ihm alles Gute. In nur zehn Minuten bekommt er aber unzählige Umarmungen: "Ich habe gedacht, dass viele zuschauen und mich nicht umarmen", erklärte der junge Mann, der laut den Machern des Videos bewusst kein Gesicht und keinen Namen hat. Denn HIV sehe man niemanden an und vor allem: niemand sei durch eine HIV-Infektion ein schlechterer Mensch.
anyway will auf Stigmatisierung aufmerksam machen
"Wir wollten mit der Aktion auf das Thema Stigmatisierung und Ausgrenzung von HIV-Positiven aufmerksam machen", so beschrieb der 17-jährige Marvin vom queeren YouTube-Kanal anyway.tv die Intention hinter dem Video. Besonders im Berufsalltag, im Gesundheitswesen aber auch bei der Partnersuche stießen Menschen mit HIV immer wieder auf Zurückweisung oder Diskriminierung. Grund dafür seien oft Vorurteile und fehlendes Wissen. Marvin und die anderen Jugendlichen aus dem Jugendzentrum anyway aus Köln wollten deshalb zum Nachdenken anregen: "Jede Person soll sich fragen: Würde ich eine Umarmung verweigern oder eine kleine Geste der Menschlichkeit zeigen?", sagt Marvin.
Das Video entstand im Rahmen des Projektes #saferanyway, in dessen Rahmen sich Jugendliche mit sexueller Gesundheit beschäftigten und mehrere Videos produzierten. Dabei ist unter anderem auch ein Erklärvideo zu HIV-Schnelltests für Zuhause entstanden, die seit Oktober in Apotheken, Aidshilfen und Online-Drogerien erhältlich sind.
Das Projekt #saferanyway wurde von der Aidshilfe NRW und vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Das anyway ist Europas erstes queeres Jugendzentrum, das speziell für junge LGBT sowie deren Freunde und Freundinnen von 14 bis 27 Jahren gegründet wurde. Es entstand aus den Jugendgruppen "Bad Girls" und "Boy Trek" und wurde 1998 vom Rat der Stadt Köln beschlossen. (cw)