Donald Trump und sein Vertreter in Deutschland, Richard Grenell
US-Präsident Donald Trump hat sich am Mittwoch überrascht gezeigt über eine angebliche weltweite Initiative der amerikanischen Regierung zur Entkriminalisierung von Homosexualität. Einen entsprechenden Einsatz hatten in den letzten Tagen mehrere Beamte anonym gegenüber US-Medien als großen Schritt angekündigt.
Im Oval Office wurde Trump am Mittwoch von einer Reporterin gefragt: "Zu ihrem Vorstoß, Homosexualität zu entkriminalisieren: Machen sie das? Und warum?" Trump bat um eine Wiederholung der Frage und antwortete dann: "Ich weiß nicht, von welchem Bericht sie reden. Wir haben viele Berichte." Dann bat er um die nächste Frage.
"Es geht darum, dass im 21. Jahrhundert ungefähr 70 Länder immer noch Menschen mit LGBTI-Status oder -Verhalten kriminalisieren", hatte ein Beamter zu der Initiative gegenüber NBC News gesagt, die als erste darüber berichteten. Der US-Botschafter in Berlin Richard Grenell, der ranghöchste offen schwule Vertreter der Regierung, solle die Kampagne anführen, die einiges Medienecho in den USA erfuhr.
Grenell hatte dazu am Dienstag zu einer ersten Veranstaltung mehrere Vertreter von LGBTI-Organisationen einfliegen lassen – zu einem eher privat anmutenden Treffen in seiner Berliner Residenz. Offenbar waren mehrere osteuropäische Aktivisten eingeladen worden, die teilweise eine Unterstützung der US-Regierung erhalten, nicht aber der LSVD, ILGA Europe, Vertreter der wichtigsten queeren US-Organisationen der USA oder Experten zu und LGBTI aus den Ländern, in denen Homo- oder Transsexuelle verfolgt werden. Nähere Erläuterungen zu der angeblichen Initiative oder gar Strategiepapiere wurden bislang nicht öffentlich. Laut den Medienberichten sollte die Initiative auf Entkriminalisierung beschränkt sein, sich also nicht um LGBTI-Rechte, -Emanzipation oder Antidiskriminierung kümmern.
Zweifel an Einsatz für Sache
US-Organisationen und -Medien vermuteten, dass es bei der vermeintlichen Initiative vor allem um Druck auf den Iran ginge. Grenell hatte erst vor wenigen Wochen auf Deutsch und Englisch einen Kommentar in der "Bild"-Zeitung veröffentlicht, in dem er die angebliche Hinrichtung eines schwulen Mannes im Iran wegen dessen Homosexualität in einem Artikel kritisiert hatte und Konsequenzen forderte (queer.de berichtete). Ob der Mann tatsächlich wegen Homosexualität gehängt wurde, ist im Unterschied zu früheren Hinrichtungen im Iran allerdings bei einer sehr schlechten Quellenlage weiter unklar (queer.de berichtete).
Queere US-Organisationen zeigten sich wenig überzeugt von dem angeblichen Vorstoß der US-Regierung. Sie verwiesen etwa darauf, wie diese im Inland LGBTI-Rechte bekämpft oder eingeschränkt habe. Auch machten Trump und sein Vize Mike Pence Organisationen wie der "Alliance Defending Freedom" Zugeständnisse, die weltweit gegen LGBTI-Rechte ankämpfen, oder ignorierten Verstöße gegen die Menschenrechte von LGBTI bei "Verbündeten". So schwieg Trump bislang zu der Verfolgung Homo- oder Transsexueller in Tschetschenien, trotz der Aufforderungen der internationalen Politik und auch seines Außenministeriums an Russland, für ein Ende und eine Aufklärung der Verbrechen zu sorgen. Zu den Ländern, die Homosexualität mit Haft- und Todesstrafen belegen, gehört auch das von der Trump-Regierung hofierte Saudi-Arabien.
Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hatte 2015 den Posten eines Sonderbotschafters für LGBT-Rechte eingeführt (queer.de berichtete) – er ist seit der Amtsübernahme Trumps unbesetzt (wie zwei Beraterstäbe des Präsidenten zu HIV). Obama hatte bei Auslandsbesuchen mehrfach LGBTI-Aktivisten getroffen, etwa in Russland (queer.de berichtete), und queere Themen in internationalen Organisationen zum Thema gemacht, speziell bei den Vereinten Nationen. Unter Trump haben die USA den UN-Menschenrechsrat verlassen und zuvor gegen eine Resolution gestimmt, die die Todesstrafe unter anderem aufgrund von Homosexualität verurteilt hätte (queer.de berichtete). (nb)