Klöckner (r.) mit Kramp-Karrenbauer neben ihr und weiteren CDU-Politikern bei der Karnevalssitzung "Mainz bleibt Mainz" (Bild: Julia Klöckner / twitter)
Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner (CDU), hat sich am Sonntagabend hinter ihre Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gestellt, die nach einem "Witz" über "Toiletten für das dritte Geschlecht" bei einer Karnevals-Rede in Kritik geraten war.
"Über Männer werden Witze gemacht, über Frauen werden Witze gemacht", kommentierte Klöckner bei Twitter. "Wer keine Witze übers dritte Geschlecht macht, weil es um das dritte Geschlecht geht, diskriminiert es. #Gleichberechtigung #Gleichbehandlung #ernstnehmenauchimWitz", so das Mitglied im CDU-Bundesvorstand und die Landesvorsitzende der rheinland-pfälzischen CDU.
Der Eintrag sorgte in dem Netzwerk für einige Kritik. "Auf Menschen drauf hauen, die wenig Unterstützung in der Gesellschaft haben, ist für Sie ein Witz?", fragte etwa der bekannte Youtuber und Comedian Manniac. "Wenn Ihnen die Fähigkeit zur Empathie fehlt, sollten sie nicht in der Politik arbeiten."
Kritik aller übrigen Parteien
Kramp-Karrenbauer hatte sich am Donnerstag bei ihrer Karnevalsrede beim "Stockacher Narrengericht" unter anderem über "Gender-Gesetzgebungen" belustigt und dem Verein bei der im SWR übertragenen Sitzung die Gelegenheit gegeben, sie für ihre Ablehnung der Ehe für alle zu loben (queer.de berichtete). "Wer war denn von Euch vor kurzem mal in Berlin? Da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen", meinte die CDU-Vorsitzende zudem in ihrer eigenen Rede. "Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder noch sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist diese Toilette."
Nachdem queer.de am Samstag nach einem Hinweis von Nollendorf-Blogger Johannes Kram mit Videos über den Auftritt berichtete, hagelte es binnen Stunden Kritik von prominenten Vertretern von Grünen, Linken und FDP. Während der Grünenpolitiker Sven Lehmann dann am Sonntag in Rahmen einer zunehmenden Empörung in einem offenen Brief eine Entschuldigung der Politikerin forderte (queer.de berichtete), zog auch die SPD nach: Generalsekretär Lars Klingbeil sprach etwa von "absolut respektlosen" Äußerungen, die SPDqueer erinnerte an frühere Äußerungen AKKs gegen die Ehe für alle (queer.de berichtete).
Rückendeckung von "Bild"
Davon unbeeindruckt teilte Klöckner später am Sonntag noch einen Tweet von "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt, in dem dieser den schwulen Berliner Kultursenator Klaus Lederer angriff, weil dieser die Äußerungen Kramp-Karrenbauers als "Trauerspiel" bezeichnet hatte: "Die Vorsitzende der größten Bundestagspartei findet es lustig, auf Stammtischniveau am Karneval Menschen zu denunzieren, die nicht der geltenden Machonorm entsprechen", meinte der Linken-Politiker am Samstag.
"Unterste Schublade, wie @klauslederer hier Frauen mit Doppelnamen diskriminiert, die im Karneval Witze machen", schrieb Reichelt dazu. "Wir brauchen endlich den humorfreien, narrenfreiheitsfreien, Doppelnamen-freien, kostümfreien, laktosefreien Gender-Karneval*in."
Die einflussreichste Zeitung Deutschlands, die mit dem Angebot "Queerbild" derzeit die LGBTI-Community bei Facebook umwirbt, scheint AKK "Narrenfreiheit" gegenüber Minderheiten zugestehen zu wollen. "Wenn eher matte Witze über Herrn- und Damenklos auch nicht mehr gehen, dann werden das recht schweigsame Tage über Karneval", schrieb etwa auch Chefredaktions-Mitglied Nicolaus Blome bei Twitter.
Der Leiter des "Bild"-Parlamentsbüros, Ralf Schuler, retweetete mehrere entsprechende Einlassungen – darunter eine von Jeno Krishnan, Mitglied des CDU-Bundesvorstands: "Diese Empörungskultur in Deutschland ist einfach nur noch absurd. Es fehlt eigentlich nur noch so etwas unnützes wie witzewatch.de, die jeden Witz auf seine Political Correctness prüfen. #AKK". (nb)
Nachtrag 23.10h: Etwa gleichzeitig zu diesem Artikel erschien ein "Bild"-Kommentar von Ralf Schuler mit dem Titel "Karneval der Korrekten", in dem er sich über "links-grün-feministische Echauffierer*innen" echauffierte. "Wenn man nicht mal mehr in einer Büttenrede einen Witz über Unisex-Toiletten machen kann – wo denn bitte dann? Nicht umsonst gibt es ja die Narrenfreiheit", so Schuler, der mit keinem Wort auf Inter- oder Transsexuelle einging. "Muss man nicht mögen, aber dafür kämpfen muss man offenbar inzwischen leider schon: Rettet den Karneval!" (nb)