Die politische Kritik an der Partnerland-Auswahl der Internationalen Tourismusbörse (ITB) wird lauter. Bereits die Bekanntgabe, dass Malaysia der diesjährige Partner der weltgrößten Reisemesse ist, hatte vor rund einem halben Jahr Kritik ausgelöst, weil das Land Schwule und Lesben wegen ihrer sexuellen Orientierung aktiv verfolgen und sogar foltern lässt – und nebenbei auch noch mit judenfeindlichen Verschwörungstheorien und Einreiseverboten in der Kritik steht (queer.de berichtete). Bei der Eröffnungspressekonferenz heizte der malaysische Tourismusminister die Debatte weiter an, indem er – wie einst der iranische Regierungschef Mahmud Ahmadinedschad – behauptete, in seinem Land gebe es keine Homosexuellen (queer.de berichtete).
Im Zentrum der Kritik steht Bürgermeisterin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die für die Landesregierung im Aufsichtsrat sitzt. Eine Sprecherin von Pops Behörde erklärte, dass Thema sei "in der Aufsichtsratssitzung kritisch angesprochen" worden und die Senatorin habe sich angeblich dafür eingesetzt, dass die Geschäftsführung etwas tue. Offenbar habe sie sich aber nicht durchsetzen können, obwohl dem Land Berlin 99,7 Prozent der Messe Berlin gehört. In der Vergangenheit hatte sie dafür geworben, bei dieser Messe Malaysia mit den Menschenrechtsverletzungen zu konfrontieren. Der "Nollendorfblogger" Johannes Kram warf ihr wegen dieser Beschwichtigungsformeln "hohles Geschwätz" vor. Er forderte, Malaysia den Status des Partnerlandes zu entziehen.
Messe: Dialog statt Boykott
Die Messe-Führung beharrt aber darauf, dass Malaysia trotz der Menschenrechtsverletzungen den Partnerstatus nicht aberkannt bekomme, "da wir Dialog und offenen Umgang mehr schätzen als Verwehrung oder Boykott", so ein Sprecher. Kritiker der Partnerschaft mit Malaysia hatten in den letzten Monaten auch auf den Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung verwiesen, in dem eigentlich versprochen wurde, "Belange der LSBTTIQ*-Community national und international engagiert [zu] vertreten".
Auch mehrere Grünenpolitiker kritisierten die Auswahl des Partnerlandes scharf. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck sprach in sozialen Netzwerken von einem "ITB-Skandal". Gegenüber der "Jüdischen Allgemeinen" ergänzte der 58-Jährige: "Mit dieser exklusiven Partnerschaft während der weltgrößten Reisemesse wird eine Regierung aufgewertet, […] die Menschenrechte mit Füßen tritt und Israel als Staat ablehnt." Die Messe hofiere damit "eine judenfeindliche und homophobe Regierung". Anja Kofbinger, die queerpolitische Sprecherin der Berliner Grünen, kündigte an, gemeinsam mit SPD und Linken einen Antrag ins Parlament einbringen zu wollen, um "verbindliche Kriterien für die Auswahl der Partnerländer der ITB zu entwickeln" – und die Landesregierung damit zum Handeln zu zwingen.
Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin, kritisierte die Auswahl von Malaysia nur indirekt, ohne das homophobe Land zu erwähnen: "Reisen hat heutzutage noch eine andere politische Dimension. Immer mehr Urlauber fühlen sich abgestoßen, wenn Regimes Freiheits- und Menschenrechte missachten", erklärte der SPD-Politiker am Dienstag. Er präsentierte seine Stadt als Vorbild: "Wenn aber Menschenrechte respektiert werden und Freiheit, Toleranz und Weltoffenheit herrschen, werden Reiseziele besonders attraktiv. Ein gutes Beispiel ist unsere Stadt. Ich bin sicher, dass wir im Herbst zur Feier des 30-jährigen Jubiläums von Friedlicher Revolution und Mauerfall viele Gäste aus aller Welt begrüßen können."
In den letzten Jahren waren bereits mehrfach Staaten, die Homosexualität unter Strafe stellen, Partnerländer der ITB, ohne dass es zu großer Kritik gekommen ist. Im kommenden Jahr ist mit Oman erneut ein Verfolgerstaat Partnerland der Berliner Reisemesse. Das Sultanat bestraft Homosexualität allerdings "nur" mit bis zu drei Jahren Haft – und nicht wie Malaysia mit bis zu 20 Jahren und Folterstrafen.
Die 53. ITB ist von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Insgesamt gibt es mehr als 10.000 Aussteller aus 181 Ländern und Regionen. (dk)
Auch das Rumeiern des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller von der SPD ist an Peinlichkeit kaum noch zu übertreffen.
Ich habe eher das Gefühl, SPD, Grüne und Linke haben sich überhaupt keine Gedanken über die Menschenrechtssituation gemacht und wollen das jetzt am liebsten schön klein halten.