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Mit ihrem neuen Album "Trendelburg" hat die deutsche Indie-Synth-Pop-Band TÜSN ihre Findungsphase hinter sich gelassen.
Nordhessen, 15. Jahrhundert: Ein Riese. Mit drei gleichsam hochgewachsenen Töchtern. Eine fieser als die andere. Und Trendula war der Überlieferung nach die mieseste überhaupt. Irdisch derart so untragbar soll sie gewesen sein, dass ein richtender Blitz sie erschlagen musste. Als Strafe dafür, dass sie ihre Schwestern zuvor aufs Derbste drangsaliert und ihnen das Leben auf Erden zur Hölle gemacht hatte. Welch schaurige Saga, welch trister Ort: Trendelburg.
Trendelburg, 21. Jahrhundert: Eine Kleinstadt. In Nordhessen und acht Teilen. Dort trifft man heute auf Normalwüchsige, runde siebzig Einwohner pro Quadratkilometer. Und mit etwas Phantasie sieht man nah der sagenumwobenen Burg heute noch Spuren des besagten Blitzeinschlags, diese Krater des Daseins oder einfach nur: tiefe, dunkle Löcher.
Welt, hier: Eine Farce. Ausgenommen, aufgebläht und saugend. Das schwere Los des Lost-im-Überfluss-Seins. Kaum ein Biest mehr in dir, dafür so viele Biester da draußen. Lauernd, kauernd. Die Konzerne, diese Staaten, dieses Second Life, das keines ist. It's Finstergram.
Drang, Druck und Demut
TÜSN, jetzt: Eine Band. Und die hat etwas dagegen: Fragen in einem anderen Licht. Denn so schafft man eine Gegenseite, die das Irdische anders erscheinen lässt. Ihr Bandraum ist ein Weltraum. Voller Ecken und Kanten, an denen man sich stößt. Ein Raum für Interpretation, Inszenierung und Irritation. Ein brachialer Riese irgendwie. Mit drei hochgewachsenen Köpfen. Voll von Drang, Druck und Demut. Familie und Liebe, Mord und Totschlag, Heimat und Weltschmerz. Mit TÜSN geht die Sonne auf – nur eben anders. Dafür muss man ihnen blind in den Keller folgen. Ein Umweg, der sich lohnt. Und das Leben meint. Als eine Entscheidung und Leidenschaft, die bewegt, bevor es einschlägt.
"Trendelburg" (Amazon-Affiliate-Link ), 2019: Ein Entschluss. Der Blitzschlag nach der "Schuld" (2016). Nun sind die Berliner mit nordhessischen Wurzeln aus der Findungsphase, schreiten auf selbstgestampften Wegen. Sagenhaft dramatische Populärmusik ist das, immer etwas drüber. Diesmal mit Gitarre unterm Deckmantel, Wondratschek im Geiste und kopulierenden Gegensätzen überall: mal härter und kantiger, mal runder und redseliger. Distanz in jedem Wort, Zweideutigkeit in jeder Wendung. So schaffen sie Nähe und neue Bilder.
Schachtel sitzt auf Schachtel auf Schachtel auf Schachtel. Und trotzdem ist alles im Fluss. Das, so sagt man, kann man nicht verkaufen, damit muss man sich beschäftigen! Um sich wiederzufinden und einmal neu zu verorten. Schließlich geht jede Bleibe zurück auf das Nachdenken über einen Ort derer, die an diesem ihr Zuhause suchen. Oder ist es Weltflucht? TÜSN bieten ein Verlies von Fragen. Der Keller von "Trendelburg" ist randvoll und angerichtet. Ein existentialistisches Pop-Purgatorium, ein erlösender Stich für die digitale Blässe. (cw/pm)
Links zum Thema:
» In das Album bei amazon.de reinhören
» Offizielle Website von TÜSN
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