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Jean Wyllys
Aus Brasilien geflohener schwuler Politiker lässt sich in Berlin nieder
Der brasilianische Ex-Abgeordnete Jean Wyllys will künftig von der deutschen Bundeshauptstadt aus gegen den ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro kämpfen.

Vor zwei Monaten floh Jean Wyllys nach Morddrohungen aus Brasilien – jetzt will er offenbar in Deutschland ein neues Leben aufbauen (Bild: Facebook / Jean Wyllys)
- 20. März 2019, 13:44h 2 Min.
Der nach Morddrohungen aus Brasilien geflohene Politiker Jean Wyllys will sich vorerst in Deutschland niederlassen: "Berlin wird meine provisorische Heimat", sagte der offen schwule Politiker gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Von der Bundeshauptstadt aus werde der 45-Jährige seinen Kampf gegen Brasiliens rechtsradikalen Staatschef Jair Bolsonaro fortsetzen, der am Dienstag von US-Präsident Donald Trump in Washington empfangen worden war (queer.de berichtete).
Bolsonaro habe ihn "zu einem Paria gemacht", einem Ausgestoßenen im eigenen Land, kritisierte der frühere Abgeordnete der Linkspartei PSOL. "Ich habe Morddrohungen per Telefon, über die sozialen Netzwerke und per Email erhalten", betonte Wyllys. "Zuletzt haben mich sogar Menschen auf der Straße angefeindet." Eine baldige Rückkehr nach Brasilien schließt er deshalb aus.
Wyllys hatte sein Mandat im brasilianischen Kongress niedergelegt, nachdem er Brasilien im Januar verlassen hatte (queer.de berichtete). Bisher hielt er seinen Aufenthaltsort aus Furcht vor Angriffen geheim.
In Berlin war Wyllys vor gut einem Monat auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung aufgetreten und hatte sich Fragen zur Lage in seinem Land gestellt. Die der Linkspartei nahestehende Stiftung und die Open Society Foundation von US-Milliardär George Soros hätten ihm vorgeschlagen, in der Hauptstadt einen Doktortitel zu erwerben, sagte er nun.
Wyllys: Demokratie in Brasilien in Gefahr
Die Demokratie in Brasilien sei "in Gefahr", bilanzierte Wyllys im Gespräch mit der AFP. Nach Bolsonaros Wahlsieg im Oktober habe die Gewalt gegen Mitglieder der LGBTI-Community deutlich zugenommen. Er selbst werde bereits seit dem Mord an der lesbischen Kommunalpolitikerin Marielle Franco in Rio de Janeiro im März 2018 bedroht. Wyllys und Franco waren Mitglieder der selben Partei und eng miteinander befreundet. Ein weiterer Kumpel und Parteifreund, der ebenfalls schwule Journalist und Politiker David Miranda, hat inzwischen Wyllys' Parlamentsmandat übernommen.
Der frühere Armeeoffizier Bolsonaro, der immer wieder mit LGBTI-feindlichen Äußerungen aufgefallen ist, ist seit Jahresbeginn Präsident (queer.de berichtete). In seiner Zeit als Abgeordneter waren er und Wyllys mehrfach aneinandergeraten. Im April 2016 spuckte Wyllys Bolsonaro ins Gesicht, nachdem der ultrarechte Politiker in der Debatte um die Absetzung der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff einen Folterer aus der Zeit der Militärdiktatur gelobt hatte.
Wyllys war 2005 als erster offen schwuler Teilnehmer an "Big Brother" landesweit bekannt geworden und gewann die fünfte Staffel. Er nutzte seine Popularität, um sich für LGBTI-Themen einzusetzen, und wurde von Medien gar als "Harvey Milk Brasiliens" bezeichnet.
Brasilien hat eine der höchsten Mordraten an LGBTI weltweit. Der Gruppe Gay de Bahia zufolge wurden 2017 insgesamt 387 Morde mit homo- oder transphoben Hintergrund bekannt, zudem habe es 58 Selbstmorde gegeben. (AFP/dk)

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