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Nach Kritik aus der Community
Kölner Polizei spricht nicht mehr vom "Homosexuellenmilieu"
Jahrzehntelang verwendeten Polizisten in Deutschland den diskriminierenden Begriff. Der Kölner Pressesprecher entschied jetzt, das Wort künftig zu meiden.

In Köln gibt es für die Polizei künftig kein "Homosexuellen-Milieu" mehr. (Bild: flickr / Eric Bauer / by 2.0)
- Von Markus Kowalski
1. April 2019, 11:45h 3 Min.
Alles begann mit einem Raubmord. Im Februar wurde der 79-jährige Valentin Lennartz tot in seiner Wohnung in Köln-Deutz gefunden (queer.de berichtete). Der Senior, so zeigte die Obduktion der Leiche, wurde gewaltsam umgebracht. Deswegen will die Kölner Polizei den Fall öffentlich machen, um mehr Hinweise auf die letzten Lebensstunden des Opfers zu bekommen.
Schon wenige Stunden, nachdem Nachbar*innen die Leiche gefunden und die Polizei informiert hatten, schrieb Pressesprecher Thomas Held eine Pressemitteilung. "Wir standen unter Zeitdruck", sagte er gegenüber queer.de. Die Beamten hätten nicht ausschließen können, dass sich der schwule Rentner in der Nacht in queeren Szenekneipen oder auf dem Straßenstrich aufgehalten habe. Das wollte Held in der Pressemitteilung berücksichtigen. Um den Straßenstrich nicht explizit zu erwähnen, schrieb er: "Möglicherweise hat sich das Opfer im homosexuellen Milieu aufgehalten."
Kritik vom Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen
Das Homosexuellen-Milieu, ein Begriff, mit dem Schwule und Lesben jahrzehntelang pauschal als Milieu bezeichnet wurden. Der Ausdruck, der Homosexuelle als potentiell kriminell diskriminiert, taucht immer wieder in Medienberichten und Pressemitteilungen auf.
Das kritisiert insbesondere Axel Bach, Vorstand beim Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ). Deswegen rief er Thomas Held an und konnte ihn überzeugen. "Wir wünschen der Polizei einen raschen Fahndungserfolg, sind aber der Meinung, dass eine konkrete Benennung der Umstände dabei mehr helfen könnte als der diskriminierende, verschwurbelte und falsche Begriff Homosexuellen-Milieu", sagte Bach. "Zudem sind wir gespannt, wie oft die Medien dieses Mal den unsinnigen und unsäglichen Begriff aus Polizeikreisen selbst verwenden werden." Tatsächlich übernahmen mehrere Medien die Bezeichnung, darunter der WDR, die "Rheinische Post" und die "Bild".
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Polizeisprecher Held: Gespräche waren konstruktiv
Dass Journalist*innen die Pressemitteilung teilweise wortwörtlich übernahmen, hat auch Thomas Held überrascht. Es habe gezeigt, wie groß die Verantwortung der Polizei sei, solche Aufrufe korrekt zu formulieren. "Wir sprechen künftig nicht mehr vom 'homosexuellen Milieu'", so Held. Damit ist Köln die erste Polizeidienststelle in Deutschland, die ihr Umdenken öffentlich gemacht hat und den Begriff meiden will. Die Pressesprecher*innen der Kölner Polizei wollen zudem die Kolleg*innen der anderen Polizei-Pressestellen in Nordrhein-Westfalen überzeugen, den Begriff ebenso zu meiden.
Thomas Held sieht es nun positiv: "Durch meinen Fehler in der Pressemitteilung sind nun gute Kontakt zu schwul-lesbischen Organisationen entstanden", sagt er. Drei Menschen hätten sich über den Begriff beschwert, doch die Gespräche seien sehr freundlich und konstruktiv gewesen. "Wir wollen in Zukunft sensibler formulieren, um niemandem auf die Füße zu treten", sagt Held. Auch die Pressemitteilung wegen des Raubmords sei habe etwas gebracht. Es seien viele Hinweise eingegangen, die nun hilfreich für die Ermittlungen seien.
