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Wegen zunehmender Kriminalität
"Gewaltproblem" in Neukölln: Queerbeauftragte soll helfen
In dem Berliner Stadtteil soll eine Queerbeauftragte gegen Hasskriminalität vorgehen. Die Bezirksverordnete Ursula Künning (Grüne) erzählt im Interview mit queer.de, wie man Übergriffe auf LGBTI verhindern kann.
- Von Markus Kowalski
14. April 2019, 06:07h 5 Min.
Am Mittwoch hat die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Neukölln beschlossen, sich beim Senat für eine Queerbeauftragte stark zu machen. In Tempelhof-Schöneberg gibt es seit vergangenem Jahr eine ähnliche Stelle. In Neukölln hatte sich die Grünen-Kommunalpolitikerin Ursula Künning monatelang für den Antrag eingesetzt.

Ursula Künning (Bild: privat)
Frau Künning, wieso braucht es eine Queerbeauftragte für Neukölln?
Als ich den Antrag im Frühjahr letzten Jahres gestellt habe, hatte die Gewalt gegen queere Menschen in Neukölln seit Monaten sehr zugenommen. Da gab es etliche Beschimpfungen und körperliche Übergriffe auf den Straßen Neuköllns. Es fanden Gegendemos statt. Da kam auch die Idee für eine Stelle, die sich koordinierend um queere Menschen im Bezirk kümmert.
Was kann man gegen die Hasskriminalität tun?
Es existieren furchtbare Vorurteile gegenüber Lesben, Schwule, trans und inter Personen und allen, die sich nicht einordnen wollen in heteronormative Vorstellungen davon, wie ein "richtiger Mann" und eine "richtige Frau" auszusehen haben und welche Funktionen er/sie jeweils im Privaten und in der Gesellschaft einnehmen sollten. Deswegen brauchen wir in erster Linie Aufklärung für alle Altersgruppen, das sollte also nicht nur Schule und Jugendarbeit betreffen. Diskriminierung erleben Betroffene nach wie vor auch am Arbeitsplatz. Ältere oder beeinträchtigte Personen erleben dies im Pflegeheim oder in Wohnstätten. Auch bei der Polizei ist nach wie vor Schulungsbedarf, denn die Dunkelziffer im Anzeigeverhalten ist nach wie vor sehr hoch. Viele von Gewalt Betroffene gehen nicht zur Polizei, da sie befürchten, hier weitere Diskriminierung zu erleben.
Was kann man also tun?
Da ist viel zu tun von Bildungsarbeit durch beispielsweise Workshops oder Interventionen auf der strukturellen Ebene von Institutionen. Das kann die Entwicklung von demokratischen, diversitätssensiblen Leitbildern für Verwaltungen und Betriebe bedeuten. Und es braucht mehr Verständnis dafür, dass wir es hier nicht mit einem sogenannten "Minderheitenthema" zu tun haben. Homo- und Transfeindlichkeit geht uns alle an, und letztlich wird unsere Demokratie eingeschränkt, wenn wir diesem Hass und der Gewalt nichts entgegensetzen.
Was werden die Aufgaben einer solchen Queerbeauftragten sein?
Es geht um Sensibilisierung und Aufklärung, aber auch um Vernetzung der Community und um Monitoring von Straftaten. Das Gewaltproblem hat viel mit Vorurteilen und Diskriminierung zu tun. Es geht aber auch um eine Reflektion der Ursachen. Warum meinen in vielen Fällen heterosexuelle Männer, dass ihre Gewalt gegen LGBTI legitim sei, sie dazu ein Recht hätten? Das hat viel mit traditionellen, bürgerlichen Männlichkeitsvorstellungen zu tun. Da geht es um Reflektion und Diskussion. Also da braucht es Aufklärung an den Schulen. Das kann die Queerbeauftragte nicht alles selbst machen. Aber sie kann Kontakte zu Schulen, Kirchen oder Moscheen knüpfen, zur Polizei und zu den Clubs. Die Queerbeauftragte sollte eine Person sein, die sich in der Szene auskennt und bei der die Fäden zusammenlaufen können.

Mit dem SchwuZ gibt es in Neukölln eine queere Berliner Szene-Institution (Bild: Guido Woller)
Aber wieso braucht es dann extra eine Beauftragte?
Ich glaube, dass so eine Stelle einen hohen Mehrwert haben wird. Neukölln ist ein Bezirk, der von sozialen Schwierigkeiten und vom Zuzug von Menschen aus anderen Bezirken und von außerhalb geprägt ist, auch von queeren Menschen. Die machen nicht nur alle Party. Manche studieren, arbeiten oder gründen Familien. Die Kinder dieser Familien gehen in Kitas. Es wäre schon, wenn nicht nur die queeren Party-Menschen eine Anlaufstelle haben, sondern alle. So könnten Familien bei der Beauftragten fragen: In welche Kita kann ich mein Kind bringen? Oder: Mein Mann oder meine Frau wurde blöd angemacht, an wen kann ich mich wenden? Ich glaube, dass da viel möglich ist.
Aber so eine Person gibt es auch schon bei der Berliner Polizei, mit dem Ansprechpartner für LGBTI.
Ja, aber es ist schon ein Unterschied, ob man sich an die Polizei wendet oder an eine zivile Person. Zur Polizei gehen Menschen, wenn sie jemanden anzeigen wollen. Aber es geht manchmal auch um eine reine Beratung.
Wie kann die Beauftragte genau die Personen erreichen, die noch aufgeklärt werden müssen?
Die oder der Queerbeauftragte kann in Jugendclubs, in Schulen, Verwaltungen, in Altersheime und Betriebe gehen. Oder in Moscheegemeinden und in orthodoxe Kirchengemeinden, wo noch kulturelle Vorurteile herrschen und wo es Berührungsängste gibt. Letztlich geht es im Zuge von Aufklärung darum, Begegnungen zu schaffen. Wenn die Bereitschaft da ist, können queere Menschen in Räume gehen, die bislang weniger offen für sie waren.
Bevor Ihr Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen wurde, gab es monatelange Verhandlungen. Wieso?
Ich hatte zuerst beantragt, dass das Bezirksamt Neukölln die Stelle einrichtet und diese aus den Mitteln des Bezirks bezahlt. Das ist aber gar nicht möglich, das Geld hat Neukölln nicht. Es gibt aber einen Investitionsfonds vom Berliner Senat, mit dem solche Stellen finanziert werden können. Deswegen habe ich den Antrag entsprechend geändert. Dann ging er in den Haushaltsausschuss. Und da haben die Vertreter*innen der AfD, CDU und FDP nicht geschrien "Hurra, wir wollen eine Queerbeauftragte". Da gab es viel Diskussion. Mit den Stimmen der Grünen und der SPD konnte dann der Antrag im Ausschuss beschlossen werden.















Oh, da passt aber auf, dass es keinen Aufschrei aus angeblich queeren Kreisen über den 'Rassismus' von 'homonationalistischen' schwulen weißen Cis-Männern gibt, der solche Aktionen in Neukölln erst veranlasst.
In deren Fantasiewelt sind die heterosexuellen weißen Cis-Männer, die die Moscheen und orthodoxen Kirchengemeinden dominieren, nämlich irgendwie 'people of color'.
Und da herrscht dann strengstes Kritikverbot.
Ist natürlich alles weltfremder Mittelschichtquatsch, der z. B. lesbische und schwule Gastarbeiterenkel*innen aus Neukölln nicht von Selbstmordgedanken abhält.
Aber der Quatsch verkauft sich gut.