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Anstieg um 18 Prozent
Mehr homo- und transfeindliche Übergriffe in Berlin gemeldet
Das Antigewaltprojekt Maneo hat im vegangenen Jahr mehr als einen homo- oder transfeindlich motivierten Übergriff pro Tag registriert.

Homophobe Gewalt kann auch Heteros treffen: Ryan Langenegger wurde 2013 in Omaha verprügelt, weil er schwulen Freunden zur Hilfe geeilt war (Bild: Omaha PD)
- 7. Mai 2019, 11:52h 3 Min.
Deutlich mehr Übergriffe mit homo- oder transfeindlichem Hintergrund sind im vergangenen Jahr in Berlin erfasst worden. Die Zahl der Fälle habe sich um 58 auf 382 erhöht, teilte das Antigewaltprojekt Maneo am Dienstag bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2018 in der Hauptstadt mit. Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einem Anstieg von 18 Prozent, im Vergleich zu 2016 betrug der Anstieg sogar 31 Prozent. Der Großteil der erfassten Übergriffe richtete sich mit 286 Fällen gegen schwule oder bisexuelle Männer.
Es seien außerdem 50 Übergriffe gegen Transmenschen erfasst worden und 27 gegen Lesben oder bisexuelle Frauen. 19 Fälle hätten sich allgemein gegen die Gruppe gerichtet, wie etwa Angriffe auf Gedenkstätten.
In der Mehrzahl der Fälle habe es sich um Beleidigungen gehandelt. Im Vergleich zum Vorjahr verdoppelten sich diese demnach fast auf 123. Auch 90 Körperverletzungen seien erfasst worden. Darüber hinaus habe es 54 Nötigungen und Bedrohungen sowie 20 Raubstraftaten mit homo- oder transfeindlichem Hintergrund gegeben. Die meisten Fälle registrierte Maneo in Schöneberg, gefolgt von Neukölln. In diesem Bezirk wurde der größte Anstieg registriert: Die gemeldeten Übergriffe haben sich binnen eines Jahres verdoppelt.
Hohe Dunkelziffer vermutet
Dennoch geben die Zahlen nur einen Teil der Wahrheit wieder: "Wir müssen von weit mehr Vorfällen ausgehen, die sich 2018 in Berlin ereignet haben", erklärte Maneo-Leiter Bastian Finke mit Blick auf die Dunkelziffer. Sebastian Stipp, eine von zwei Ansprechpersonen der Berliner Polizei für queere Menschen, schätzt die Zahl der nicht angezeigten LGBTI-feindlichen Übergriffen auf 80 bis 90 Prozent. "Insofern sind wir tatsächlich sehr erfreut, dass die Anzahl der angezeigten Straftaten hochgegangen ist", sagte Stipp nach RBB-Angaben.
Die Berliner Polizei führt eine eigene Statistik, die mit anderer Definition von Hasskriminalität auf weniger angezeigte Fälle kommt. Nach im Herbst vorgestellten vorläufigen Zahlen wurden von ihr im Bereich der Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität in den ersten drei Quartalen 2018 insgesamt 105 Fälle statistisch erfasst, darunter 30 Gewaltdelikte (queer.de berichtete). Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren, samt Nachmeldungen, 139 Fälle registriert worden.
Die Maneo-Statistik weist so allein für Berlin mehr LGBTI-feindliche Straftaten aus als die Bundesregierung im selben Zeitraum für ganz Deutschland gemessen hatte. Das Bundesinnenministerium hatte im Februar erklärt, dass bundesweit 313 politisch motivierte Straftaten mit der Nennung des Unterthemas "Sexuelle Orientierung" gemeldet worden seien, davon 91 Gewalttaten (queer.de berichtete). Maneo-Chef Finke erklärte die Diskrepanz mit den Worten: "Wir sind mehr mit den Szenen vernetzt, vor allem aber sind wir eine unabhängige Stelle." Zudem gebe es in der LGBTI-Community noch immer Vorbehalte gegenüber der Polizei, die noch bis 1994 Homosexuelle nach dem Unrechtsparagrafen 175 verfolgt hatte. (AFP/dk)













