Das Grundgesetz schützt in seinem Antidiskriminierungsparagrafen zwar Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht, Rasse oder Religion, aber nicht aufgrund von sexueller Identität (Bild: Tim Reckmann / flickr)
Eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland möchte den Antidiskriminierungsartikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal "sexuelle Orientierung" erweitern. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor, die am Montag veröffentlicht wurde. Insgesamt hatten Meinungsforscher 1.026 deutschsprachige Menschen im März und April persönlich-mündlich befragt nach ihren Ansichten zur deutschen Verfassung, die in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag feiert.
Der Umfrage zufolge befürworten 51 Prozent der Bevölkerung die Erweiterung des Gleichbehandlungsartikels um "sexuelle Orientierung". 33 Prozent sprechen sich dagegen aus. Das Merkmal "geschlechtliche Identität" wollen 49 Prozent der Bevölkerung ebenfalls verfassungsrechtlich schützen. 35 Prozent sind dagegen.
Am meisten Menschen sprechen sich für die Aufnahme des Merkmals "Lebensalter" aus. 56 Prozent stimmen dem zu, 27 Prozent lehnen diesen Vorschlag ab.
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Antidiskriminierungsstelle: Erweiterung von Artikel 3 wäre "wichtiges Zeichen"
"Die Umfrage zeigt: Eine Mehrheit der Befragten hält den derzeitigen Grundrechtsschutz für unvollständig", so kommentierte Bernhard Franke, der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, am Montag in Berlin die Ergebnisse. "Gerade in Zeiten, in denen Vorurteile und Hass lauter geäußert werden, wäre es ein wichtiges Signal, den Schutz vor Diskriminierung auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Interpersonen und wegen des Alters klar im Grundgesetz zu verankern."
Laut der neuen Umfrage glaube eine Mehrheit der Bundesbürger, dass Homo- und Transsexuelle wegen ihrer Identität heutzutage noch immer "häufig" oder "manchmal" diskriminiert werden. Dies bejahen 60 Prozent im Bezug auf sexuelle Orientierung und 51 Prozent in Bezug auf Geschlechtsidentität. Die Bevölkerungsmehrheit erkennt auch Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft oder Rasse (71 Prozent), wegen Religion oder Weltanschauung (59 Prozent) oder Behinderung (53 Prozent) an. Dagegen glaubt eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts nur noch selten oder gar nicht mehr diskriminiert werden.
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Diskriminierungshierarchie: "Alter" und "sexuelle Identität" nur gesetzlich geschützt
Derzeit sieht das Grundgesetz nur das Verbot von Diskriminierung aufgrund der Merkmale Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen sowie Behinderung vor. Im 2006 beschlossenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind zusätzlich "sexuelle Identität" und "Alter" als Diskriminierungsmerkmale genannt.
Obgleich LGBTI nicht ausdrücklich in Artikel 3 des Grundgesetzes erwähnt werden, hat das Bundesverfassungsgericht aufgrund dieses Artikels mehrfach eine Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern für verfassungswidrig erklärt, etwa bereits 2010 bei der Erbschaftssteuer (queer.de berichtete). Die Richter beriefen sich dabei auf den Einstiegssatz von Artikel 3: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich".
Allerdings warnen LGBTI-Aktivisten davor, dass bei einem Rechtsruck in der Bundesrepublik die Grundrechte von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten auf dem Spiel stehen, wenn diese Minderheiten nicht vorher verfassungsrechtlich geschützt werden. Deshalb ist "Artikel 3" etwa Hauptthema beim diesjährigen CSD in Hamburg (queer.de berichtete).
Unter den Bundesparteien befürworten Grüne, Linke und SPD seit Jahren die Aufnahme von LGBTI in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes. 2017 gab auch die Bundes-FDP ihren Widerstand dagegen auf und forderte im Wahlkampf ebenfalls die Ergänzung des Grundgesetzes (queer.de berichtete).
Immer wieder ist "Artikel 3" auch Thema in den Ländern. Im Bundesrat unternahm etwa Berlin letztes Jahr einen erfolglosen Versuch, eine Mehrheit der Länder für die Änderung zu gewinnen (queer.de berichtete). Für die erfolgreiche Verabschiedung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl in Bundestag als auch im Bundesrat notwendig.
Aus der neuen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle geht auch eine hohe Akzeptanz für das Grundgesetz hervor. Die deutsche Verfassung stellt für eine überwältigende Mehrheit (86 Prozent) der Bevölkerung eine der größten Errungenschaften der Bundesrepublik Deutschland dar. Insgesamt 79 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, das Grundgesetz habe sich seit seinem Inkrafttreten im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte bewährt. (dk)
Aber zumindest in der Charta der EU sind wir schon vertreten, da heißt es unter Titel III Artikel 21:
Diskriminerungen, insbesondere des Geschlechts, der Rasse ... ... ... oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.