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Rainbow Europe 2019
Deutschland fällt bei LGBTI-Rechten zurück
Nach einem Jahr der politischen Stagnation fällt Deutschland europaweit auf Rang 15 der LGBTI-freundlichsten Länder zurück. Spitzenreiter ist weiterhin Malta.

Europameisterschaft in weiter Ferne: Deutschland wird von Westeuropa langsam abgehängt (Bild: ILGA Europe)
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13. Mai 2019, 13:36h 3 Min.
Nach der Euphorie der Ehe-Öffnung im Jahr 2017 kommt der Kater: In der am Montag in Oslo von der LGBTI-Organisation ILGA Europe veröffentlichten Liste der LGBTI-freundlichsten Länder ist Deutschland von Rang zwölf im vergangenen Jahr auf Rang 15 zurückgefallen. Schuld ist Stagnation der Gesetzgebung, die queere Menschen betrifft. Deutschland liegt damit in der Rangliste wieder auf dem selben Stand wie vor der Ehe-Öffnung.
Seit inzwischen zehn Jahren veröffentlicht ILGA Europe das jährliche Ranking Rainbow Europe. Darin wird anhand dutzender Kriterien die rechtliche Lage von queeren Menschen ausgewertet – so spielt etwa eine Rolle, ob ein Land umfassende Antidiskriminierungsrichtlinien anbietet, die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben umgesetzt hat oder Transsexuelle anerkennt.
An Deutschland in diesem Jahr in der "Raibow Europe"-Liste vorbeigezogen sind Griechenland, Österreich und Luxemburg. Griechenland reichten kleine Reformen, um knapp die Bundesrepublik zu überholen, Österreich öffnete zum 1. Januar die Ehe, Luxemburg konnte unter anderem mit einem vorbildlichen Transsexuellengesetz von Rang 18 auf Rang drei klettern – und machte damit den größten Sprung nach oben.
/ infoTGNS | Schweizer LGBTI-Aktivisten beklagen, dass ihr Land weit abgeschlagen hinter den Nachbarn aus Frankreich, Deutschland und Österreich liegtDie Schweiz nur auf Platz 27 im @ILGAEurope Länderranking! Also 5 Plätze weniger als 2018. Und es gibt Leute, die tatsächlich meinen, LGBTI-Menschen "hätten doch längst alle Rechte"… @pinkcross_ch @LOS_Schweiz @LGBTfamilie @humanrightsCH @queer_de https://t.co/S2JWPY0W7P pic.twitter.com/yPoMMjaicX
TGNS (@infoTGNS) May 13, 2019
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Deutschland mit vielen Defiziten
Schuld am schlechten Abschneiden Deutschlands sind insbesondere Defizite bei der Gesetzgebung zu Hassverbrechen – hier konnte die Merkel-Republik nur drei von 100 möglichen Punkten erreichen. Auch bei der Trans-Gesetzgebung und im Bereich Nichtdiskriminierung liegt die Punktzahl bei unter 50. Schuld an dieser schlechten Einstufung sind beispielsweise das völlig veraltete Transsexuellengesetz, das die Bundesregierung derzeit nur bedingt überarbeiten will, sowie fehlende Gleichbehandlung, etwa im Bereich der Blutspenden durch schwule oder bisexuelle Männer.
Europaweit ganz oben stehen wie im letzten Jahr Malta und Belgien. Malta, das die Spitzenposition bereits im dritten Jahr in Folge einnimmt, hat mit 90 von 100 Punkten derzeit einen weiten Vorsprung. Das Land hat unter anderem die Ehe für alle eingeführt und nach Ansicht vieler LGBTI-Aktivisten nahezu perfekte Gesetze gegen Hassverbrechen oder Volksverhetzung beschlossen. Unter anderem ist Malta auch der einzige Staat in Europa, der Homo-"Heilung" verbietet.
Schlusslichter sind Türkei und Aserbaidschan
Die LGBTI-feindlichste Gesetzgebung hat Aserbaidschan, gefolgt von der Türkei, Armenien und Russland. ILGA Europe kritisierte insbesondere die Türkei; dort habe sich die Lage in den letzten Jahren stetig verschlechtert.
Angesichts des neuen Berichts warnte ILGA Europe vor einem "Backlash". In mehreren Ländern gebe es Anzeichen, dass die Lage für LGBTI nicht nur stagniere, sondern sich verschlechtere. Neben der Türkei nannte die Organisation als negative Beispiele Bulgarien und Ungarn, da in diesem Ländern die Regierungen aktiv dabei versagten, die Grundrechte von queeren Menschen, etwa die Versammlungsfreiheit, zu schützen. In diesem Ländern würden auch LGBTI-Organisationen behindert.
"Wenn es je eine Zeit gab, der LGBTI-Gleichbehandlung eine hohe politische Priorität einzuräumen, dann muss das jetzt geschehen", erklärte ILGA-Europe-Sprecherin Evelyne Paradis. "Letztes Jahr haben wir davor gewarnt anzunehmen, dass die Arbeit schon getan ist. Leider zeigt sich dieses Jahr, dass in einigen Gegenden eine Rückwärtsentwicklung stattfindet." Schuld daran sei auch die polarisierte politische Situation. "Hier ist die Gesetzgebung oft die letzte Verteidigungslinie für LGBTI-Communitys", so Paradis. Daher müsse weiter für Antidiskriminierungsgesetze und ähnliche Initiativen gekämpft werden.
Die gesamte Rangliste (in Klammern Vorjahresposition sowie gerundete Punktzahlen)
1. (1.) Malta (90/100)
2. (2.) Belgien (73)
3. (18.) Luxemburg (70)
4. (5.) Finnland (69)
5. (8.) Dänemark (68)
6. (3.) Norwegen (68)
7. (7.) Portugal (66)
8. (4.) Großbritannien (65)
9. (6.) Frankreich (63)
10. (10.) Schweden (62)
11. (9.) Spanien (60)
12. (11.) Niederlande (50)
13. (13.) Österreich (49)
14. (14.) Griechenland (49)
15. (12.) Deutschland (48)
16. (16.) Kroatien (47)
17. (15.) Irland (47)
18. (19.) Island (47)
19. (20.) Ungarn (41)
20. (17.) Slowenien (40)
21. (21.) Estland (38)
22. (23.) Montenegro (36)
23. (25.) Albanien (31)
24. (33.) Georgien (30)
25. (27.) Bosnien-Herzegowina (30)
26. (31.) Slowakei (30)
27. (22.) Schweiz (29)
28. (26.) Kosovo (28)
29. (24.) Andorra (28)
30. (28.) Serbien (28)
31. (29.) Tschechien (26)
32. (37.) Litauen (23)
33. (30.) Zypern (23)
34. (32.) Italien (22)
35. (36.) Ukraine (22)
36. (35.) Rumänien (21)
37. (34.) Bulgarien (20)
38. (38.) Polen (18)
39. (40.) Lettland (17)
40. (41.) Nordmazedonien (16)
41. (43.) Moldawien (14)
42. (39.) Liechtenstein (14)
43. (42.) Weißrussland (13)
44. (44.) San Marino (13)
45. (46.) Monaco (11)
46. (45.) Russland (10)
47. (48.) Armenien (6)
48. (47.) Türkei (5)
49. (49.) Aserbaidschan (3)
Links zum Thema:
» rainbow-europe.org













