Vor zwei Jahren hatte sich die Bundesregierung in ihrem Aktionsplan gegen Rassismus (PDF) dazu verpflichtet, "Forschung auf dem Gebiet zur Homosexuellen- und Transfeindlichkeit – insbesondere in den Fachrichtungen Rechtswissenschaft, Sozialwissenschaften, Geschichtswissenschaft, Theologie, Psychologie, Medizin und Pädagogik" zu fördern. Bis heute hat das von Anja Karliczek (CDU) geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung jedoch kein einziges Projekt auf den Weg gebracht oder unterstützt (queer.de berichtete).
Mit dem Ignorieren des eigenen Maßnahmenkatalogs hat Karliczek jedoch kein Problem, wie am Mittwoch die Fragestunde des Deutschen Bundestages zeigte. Auf die gezielte Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Kai Gehring zu Forschungsvorhaben zu Homo- und Transfeindlichkeit erwiderte die CDU-Politikerin nur knapp, dass es hier kein Defizit gäbe. In ihrem Ministerium sei man bereits "zu vielen gesellschaftlichen Fragestellungen unterwegs, und dazu gehören auch immer Fragestellungen, wie entwickelt sich die Gesellschaft".
Gegenüber queer.de kritisierte Gehring die unbefriedigende Antwort: "Die Ignoranz der Ministerin gegenüber der Lebenswirklichkeit queerer Menschen ist schockierend", so der schwule Politiker aus Essen. "Statt mit der Förderung von Aufklärungsprojekten gegen Mobbing an Schulen vorzugehen, hat die Ministerin selbst Stimmungsmache gegen Regenbogenfamilien und die Ehe für alle betrieben. Mit ihrem demonstrativ zur Schau gestellten Desinteresse für Homo- und Transfeindlichkeit setzt die Ministerin jetzt noch eins drauf."
Karliczek kennt jetzt doch Studien über Regenbogenfamilien
Karliczek hatte letztes Jahr für Schlagzeilen gesorgt, als sie in einem Interview die Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht als "nicht richtig" bezeichnete (queer.de berichtete). Bereits 2017 hatte sie trotz zahlreicher existierender Untersuchungen beklagt, dass es "keine Langzeitstudien zu den Auswirkungen auf Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften" gebe, und später mehrere Möglichkeiten zu einer sich korrigierenden Stellungnahme nicht genutzt (queer.de berichtete).
Zwei Jahre später will die Bildungsministerin von ihrer Falschaussage nichts mehr wissen: "Natürlich gibt es Studien über Kinder in gleichgeschlechtlichen Familien. Das habe ich nie in Frage gestellt, ich habe auch nie Forschungsergebnisse in Frage gestellt", behauptete Karliczek am Mittwoch im Bundestag. In dem Interview im Jahr 2017 sei es nur darum gegangen, "mein Abstimmungsverhalten im Jahr 2017 darzustellen und das ganze Umfeld herum".
Forschung zu den Ursachen von Diskriminierung sei dringend notwendig, um bessere Gegenstrategien zu entwickeln, ermahnte der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring die Ministerin. Die systematische Erfassung von Gewalt gegen LGBTI gehöre hier ebenso dazu wie der Abbau von Diskriminierung in Schulen, Behörden und Arbeitsstellen. "Außerdem müssen wir die Geschichte staatlicher Repression – vom Paragraf 175 bis zum Sorgerechtsentzug bei lesbischen Müttern – wissenschaftlich aufarbeiten." (mize)
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