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Warnung vor Radikalisierung

Bundestagsdebatte: Was tun gegen Homo- und Transphobie?

Als letzte Debatte vor den Pfingstferien waren LGBTI-Rechte noch einmal Thema im Bundestag. Alle Parteien außer der AfD wollen den Schutz queerer Menschen verbessern, allerdings sind sie sich teilweise nicht über die konkreten Maßnahmen einig.


Der Bundestag nahm sich kurz vor den Pfingstferien eine gute halbe Stunde Zeit, um über LGBTI-Rechte zu debattieren

Am späten Freitagnachmittag war der Schutz von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen noch einmal Thema im Bundestagsplenum. Das Parlament debattierte dabei über zwei Anträge von Grünen (PDF) und FDP (PDF). Die Ökofraktion wünscht sich einen umfassenden bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, während die Liberalen die Bundesregierung auffordern, sich auf EU-Ebene besser für diese Vielfalt einzusetzen. In einem dritten Antrag fordert die AfD (PDF) hingegen, besonders heterosexuelle Familien zu fördern und bei jungen Menschen für Heterosexualität zu werben (queer.de berichtete).


Die AfD fordert in ihrem Antrag, dass der Staat für Heterosexualität werben müsse

Als erster Redner ging der Kölner Abgeordnete Sven Lehmann (Grüne) mit einem Regenbogenherz am Revers ans Podium. Der Fraktionssprecher für Queerpolitik erklärte einführend, dass Deutschland laut dem neuesten Bericht von ILGA Europe im Vergleich zu den Nachbarn zurückfalle (queer.de berichtete). Es gebe hierzulande immer noch "zu viele Lebensbereiche, in denen queere Menschen benachteiligt und diskriminiert werden". Eine offene und demokratische Gesellschaft erkenne man aber daran, "wie sie mit ihren Minderheiten umgeht". Daher sei ein "umfassender Aktionsplan" wichtig.


Wiesmann (CDU): Landes-Aktionspläne ausreichend

Die hessische CDU-Politikerin Bettina Wiesmann stimmte zwar überein, dass der Schutz von LGBTI gesellschaftlich wichtig sei. Allerdings verwies sie darauf, dass bereits jetzt 13 von 16 Bundesländern Aktionspläne gegen Homo- und Transphobie aufgelegt hätten. Die Länder seien "näher an Bürgern" und könnten das Problem besser angehen, daher sei ein nationaler Aktionsplan nicht notwendig. In ihrem Heimatland Hessen werde "den Phobien ein Ende gemacht", besonders an Schulen.

Die 52-Jährige sagte selbstbewusst, dass auch auf Bundesebene viele Fortschritte gemacht würden. Als Beispiele nannte sie die Einführung der Geschlechtsoption "divers", die angestrebte (und von Betroffenen und Verbänden abgelehnte) Reform des Transsexuellengesetzes und das geplante Verbot von Konversionstherapien. Deutschland sei ein "ein menschenrechtsorientiertes Land". Der AfD warf Wiesmann vor, mit ihrem Antrag nur Ressentiments schüren zu wollen.


Der Rede von AfD-Politiker Martin Reichardt zeigte anschließend, was Wiesmann mit ihrem Vorwurf meinte. Der Rechtspopulist schimpfte über Grüne, Linke und SPD, die Familienfreundlichkeit vorheuchelten, um dann "die traditionelle Familie in ihren Grundfesten zu erschüttern". Linken Parteien warf er "ideologische Verblendung" vor – und erklärte, dass die Initiativen zum Schutz von LGBTI überflüssig seien. "Die Homosexuellen in unserer Partei, die sind genau das, was sie sind", behauptete Reichardt. "Sie brauchen nicht Ihren ideologischen Unsinn, der das alles mit dem Bade ausschüttet."

Wie in praktisch jeder AfD-Rede zum Thema warf er Ausländern – völlig ahistorisch – vor, dass Problem der Homophobie nach Deutschland eingeschleppt zu haben. Konkret erklärte der 49-Jährige aus Sachsen-Anhalt mit Blick auf die anderen Parteien, dass der "Import extrem homophober religiöser Minderheiten nach Deutschland die Bedrohung für die Menschen herbeiführt, die sie schützen wollen". Die Union müsse jetzt zu den vorgelegten Anträgen entscheiden, "ob sie dem linksgrünen Mummenschanz hinterherkriechen" wolle.


Der Sozialdemokrat Karl-Heinz Brunner zeigte sich froh über die Anträge von Grünen und FDP, da damit ein wichtiges Thema wieder auf der Agenda des Bundestages stehe. 50 Jahre nach dem Stonewall-Aufstand sei es bedauerlich, dass man immer noch über Gleichbehandlung diskutieren müsse. "Es sollte eigentlich Normalität überall sein", so Brunner.

Mit Blick auf die ablehnende Haltung des Koalitionspartners erklärte er, dass Aktionspläne "sehr wohl etwas beitragen" könnten. Der 66-Jährige verwies auch darauf, dass im letzten Koalitionsvertrag 2013 bereits ein Nationaler Aktionsplan vorgesehen war (queer.de berichtete). Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode folgte dann aber nur ein Miniplan, der von LGBTI-Aktivisten scharf kritisiert wurde (queer.de berichtete). Brunner wünsche sich Gespräche mit CDU/CSU sowie FDP und Grünen, um in dieser Legislatur "was Vernünftiges" auf den Weg bringen zu können. "Uns kommt vielleicht die Erleuchtung in den Pfingstferien", hoffte der bayerische Abgeordnete.


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Brandenburg (FDP) beklagt homophobes Mobbing

"Ich möchte in einer Welt leben, in der wir über Akzeptanz von sexueller Vielfalt nicht mehr diskutieren müssen", so begann der FDP-Politiker Jens Brandenburg seinen starken Redebeitrag. Der offen schwule 33-Jährige aus Baden-Württemberg verlas daraufhin Briefe von Homo-Hassern, die er wegen seines politischen Einsatzes für LGBTI-Rechte erhalten habe. So habe er gesagt bekommen "Geh doch zum Psychiater", "Irgendwann darf man dann auch Tiere heiraten" oder "Homosexualität macht krank" – "Ich halte das aus, weil ich in meinem ganzen Leben gelernt habe, diesen Schwachsinn nicht an mich herankommen zu lassen", so Brandenburg. Vielen anderen – gerade jüngeren Menschen – falle dies aber viel schwerer.

Brandenburg erklärte mit Blick auf den FDP-Antrag, dass es auf EU-Ebene viele Probleme gebe – er sprach vom starken Anstieg der queerfeindlichen Übergriffen in Frankreich, der Werbung für Homo-"Heilung" in Großbritanniens stärkster Partei im neuen EU-Parlament und von Skinheads, die den CSD in Bulgarien bedrohten. "Auch in Europa radikalisieren sich Demokratien", so Brandenburgs Warnung. Seine Bitte an die demokratischen Abgeordneten: "Überlassen wir unser starkes Europa nicht den Populisten."


Die Linkspolitikerin Doris Achelwilm dankte dem Liberalen daraufhin tief bewegt für seine Worte – eine Konstellation, die nicht alltäglich im Bundestag ist. Sie erhielt dafür Applaus von allen Fraktionen mit Ausnahme der AfD.

Den von den Grünen geforderten Aktionsplan bezeichnete die Bremerin als "adäquaten Ansatz", der gute Vorläufer auf Landesebene habe. Ein nationaler Plan könne die Lücken füllen, die Landesaktionspläne hinterließen – wichtig sei es, mit den von den Grünen eingeplanten 35 Millionen Euro im Jahr besonders Gruppen finanziell unter die Arme zu greifen, die innerhalb der LGBTI-Community zu wenig Gewicht hätten, etwa Lesben- und Transorganisationen. Achelwilm kritisierte ferner die ständigen homophoben Provokationen der AfD, aber auch minderheitenfeindliche "Karnevalswitze" von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.


Als letzter Redner klopfte der Münchner CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger sich und den anderen Politikern auf die Schultern, weil man bei LGBTI-Rechten "grundsolide Fortschritte" gemacht habe – er nannte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, die Ehe für alle, die Abschaffung des Paragrafen 175 und die geplante Reform des Transsexuellengesetzes. Zwar sei "nicht alles perfekt", aber es gehe voran. Er wandte sich gegen Symbolpolitik bei diesem Thema: "Toleranz kann man nicht verordnen. Der Weg zur Toleranz führt nicht über symbolhafte Grundgesetzänderungen."


Nach dieser 37-minütigen Debatte wurden alle Anträge in die Ausschüsse überwiesen. Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) beendete die Sitzung und schickte die Abgeordneten in die Pfingstferien. Der Bundestag tritt erst wieder am 26. Juni zusammen.


-w-

#1 FinnAnonym
  • 07.06.2019, 18:52h
  • Eigentlich ist doch jedem nachdenkenden Menschen klar, was getan werden muss. Es muss nur endlich mal das Gelaber und ewige Debattieren aufhören und endlich konkret gehandelt werden.

    Gegen Homo- und Transphobie hilft nur:

    1. Mehr Aufklärung an Schulen

    Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

    Und das betrifft nicht nur Sexualkunde, sondern auch Fächer wie Geschichte, Politik, Sozialkunde, Erdkunde, etc., wo man z.B. über Homoverfolgung im Dritten Reich oder noch heute in anderen Staaten aufklären kann. Oder z.B. auch mal in den Sprachen eine Lektüre mit LGBTI-Thema lesen.

    2. Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie

    Man kann z.B. mit entsprechenden Werbeaktionen viel bewirken. Es sei nur daran erinnert, wie damals in der HIV-Anfangsphase dieser legendäre Kondom-Werbespot mit Hella von Sinnen und Ingolf Lück ("Tina, wat kosten die Kondome?") wirklich etwas in Gang gesetzt hat.

    3. Volle rechtliche Gleichstellung

    Auch davon geht ein Signal aus, das direkt und indirekt die Gesellschaft beeinflusst. Wie will man erwarten, dass die Gesellschaft LGBTI voll akzeptiert, wenn es nicht mal der Staat tut?
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#2 Carsten ACAnonym
  • 07.06.2019, 19:07h
  • Es wäre jetzt eine historische Chance, endlich etwas zu tun und ganz konkrete Verbesserungen für LGBTI durchzusetzen.

    Denn die SPD könnte momentan so ziemlich alles von der Union verlangen und ansonsten mit dem Ende der Groko drohen. Für die SPD wäre ein Ende dieser Koalition, die die SPD nur immer mehr in den Ruin treibt eh das beste.

    Aber für die Union kämen Neuwahlen jetzt zur Unzeit: die Umfragen sind für die Union schlechter denn je und haben einen Trend nach unten; die Beliebtheit von AKK ist im freien Fall; dazu noch die diversen Skandale in Frau von der Leyens Ressort, etc. etc. etc.

    Die Union hat panische Angst vor Neuwahlen und ist noch nicht dazu bereit. Und die haben immer wieder bewiesen, dass sie für den Machterhalt auch zu inhaltlicher Flexibilität bereit sind.

    Was die SPD jetzt als Minimum fordern sollte:

    - ein generelles und komplettes Verbot sog. "Konversions-Therapien", denn da geht es um Menschenleben

    - eine längst überfällige Reform der rechtlichen Situation Trans- und Intersexueller, die die Forderungen der Betroffenen umsetzt

    - eine Reform des Abstammungsrechts, um endlich die letzten Diskriminierungen, die durch die Eheöffnung entstanden sind, zu beenden

    - ein Ende der Ausnahmen im AGG, das seinen Namen nicht verdient, so lange es manchen Gruppen explizit Diskriminierung erlaubt

    Das ist das Minimum, was die SPD jetzt für den Fortbestand der Groko verlangen sollte. Eine Reform von Art. 3 GG, etc. wären auch wichtig, aber obige 4 Punkte sind das absolute Minimum. Und sollte die Union sich darauf nicht einlassen, gibt es halt Neuwahlen. Das schadet vor allem der Union, weswegen sie wohl einlenken würden, wie sie immer wieder bewiesen haben. Zumal auch die Union eigentlich weiß, dass sie diese Dinge nur noch verzögern, aber nicht mehr verhindern kann.

    Sollte die SPD allerdings nicht darauf bestehen, wissen wir, dass ihr LGBTI egal sind.
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#3 feli491Anonym
  • 07.06.2019, 19:19h
  • Es wäre schon mal ein schöner Anfang, wenn CDU/CSU/SPD aufhören würden, ihre geplante Reform des TSG als "Erfolg" zu bewerben, denn für die Betroffenen ist es das nicht...
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