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Verdächtige festgenommen
London: Entsetzen über Angriff auf lesbisches Paar
Die beiden Frauen wurden laut einem viralen Bericht von einer Gruppe Männer im Bus verprügelt, nachdem sie sich weigerten, sich für diese zu küssen.

Melania Geymonat (r.) und ihre Partnerin Chris kurz nach dem Angriff (Bild: privat)
- 7. Juni 2019, 19:55h 4 Min.
Das virale Posting eines lesbischen Paares aus London über einen nächtlichen Angriff auf sie hat in Großbritannien zu einem großen Medienecho und binnen Stunden zur Festnahme von vier Verdächtigen geführt.
Der Angriff auf die 28-jährige Flugbegleiterin Melania Geymonat und ihre Freundin Chris hatte sich demnach in der Nacht zum 31. Mai in einem Bus Richtung Camden abgespielt. In einem Posting bei Facebook schrieb Geymonat an diesem Mittwoch, eine Gruppe junger Männer habe sie zunehmend belästigt, als sie feststellten, dass es sich um ein Paar handelte.
Twitter / BBCWorldatOne | Melania Geymonat im Gespräch mit der BBCThey started beating me, I was bleeding all over I was really bleeding
The World at One (@BBCWorldatOne) June 7, 2019
Melania Geymonat tells @BBCMarkMardell on #BBCwato about how she and her girlfriend were attacked after a group of men demanded they kiss. pic.twitter.com/E3kRVLxQtA
"Sie fingen an, sich wie Hooligans zu benehmen, und forderten, dass wir uns küssen, damit sie es genießen konnten, uns zu beobachten. Sie nannten uns 'Lesben' und beschrieben sexuelle Positionen", so die aus Uruguay stammende Geymonat. Sie habe noch versucht, die Situation mit Scherzen zu entspannen. Aber die Belästigungen wurden intensiver. "Bevor ich es wusste, lag Chris auf dem Boden in der Mitte des Busses und kämpfte mit ihnen", so Geymonat über ihre US-amerikanische Partnerin, mit der sie zusammen in England lebt.
Dann habe auch Geymonat Schläge einstecken müssen. Beide Frauen mussten nach der "chauvinistischen, misogynistischen und homophoben Gewalt" mit Gesichtsverletzungen im Krankenhaus behandelt werden. Am meisten erschrecke sie, wie solche Vorfälle zum Alltag werden, so Geymonat. Sie hoffe, dass das Öffentlichmachen der Tat dazu beitrage, dass entsprechende Gewalt aufhöre.
Politik und Gesellschaft verurteilen Tat
Der Eintrag verbreitete sich schnell viral, wurde von Medien aufgegriffen und führte zu einer großen öffentlichen Solidarität mit den Angegriffenen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan verurteilte die Tat als "widerlich und frauenfeindlich" und bat Zeugen, sich zu melden: "Hassverbrechen gegen die LGBT+-Community werden in London nicht toleriert."
"Dies war ein ekelhafter Angriff und meine Gedanken sind bei dem betroffenen Paar", betonte die konservative Premierministerin Theresa May. "Niemand sollte jemals verbergen müssen, wer er ist oder wen er liebt, und wir müssen zusammenarbeiten, um die unakzeptable Gewalt gegen die LGBT-Community zu beseitigen."
Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn sprach von einer "schockierenden Tat": "Wir dürfen und werden diese homophobe und misogynistische Gewalt in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren. Unsere Solidarität gilt Melania und Chris und allen in der LGBT+-Community für alles, was sie ertragen, weil sie einfach nur sind, wer sie sind."
In sozialen Netzwerken wird die Tat ebenfalls stärker debattiert. Viele schwule oder lesbische, cis- und transsexuelle Nutzer berichteten von eigenen Belästigungs- und Gewalterfahrungen.
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Verdächtige festgenommen
Am Freitag teilte der für Verkehr zuständige Bereich der Londoner Polizei zunächst mit, Videomaterial zu sichten. Am Nachmittag teilte die Met Police dann mit, vier junge Männer zwischen 15 und 18 Jahren wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung und Raub festgenommen zu haben (den Frauen wurde auch ein Smartphone und eine Einkaufstasche entwendet). Derzeit würden die Verdächtigen getrennt auf zwei Wachen verhört, während die Ermittlungen weiter gingen.
Twitter / MPSRTPCInvestigation update:- Arrests have now been made and the investigation remains ongoing. If you have any information about this attack please report it to @metpoliceuk on 101 or via Crimestoppers anonymously on 0800 555 111. https://t.co/3zJVod1tP8
Roads&Transport MPS (@MPSRTPC) June 7, 2019
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"Dies war ein abscheulicher Angriff auf zwei Frauen, die von einer Gruppe von Jugendlichen gezielt ins Visier genommen worden zu sein scheinen", sagte Hauptkommissar Andy Cox. "Die Verdächtigen haben dem Paar gegenüber eine Reihe homophober Kommentare abgegeben, bevor sie Münzen nach ihnen warfen. Als die Frauen versuchten, mit der Gruppe zu reden, eskalierte der Angriff in tätliche Handlungen." (nb)
Update 8.6., 13.10h: Weiterer Verdächtiger festgenommen
Am Samstagmorgen gab die Londoner Polizei bekannt, einen fünften Verdächtigen festgenommen zu haben. Er ist 16 Jahre alt. Die anderen vier jungen Männer würden weiter in Polizeigewahrsam befragt.
In einem am Freitagabend ausgestrahlten TV-Interview mit der BBC (Ausschnitte) gab sich das Paar kämpferisch: "Ich habe keine Angst, mich öffentlich queer zu zeigen. Jetzt sollte man sich erst recht zeigen", sagte Chris. Sie glaube, dass die Zunahme von Rechtspopulismus für eine Zunahme von Hassverbrechen verantwortlich sei. Man werde nicht nur angegriffen, weil man als Frauen Frauen liebe, sondern einfach auch als Frauen, ergänzte Melania Geymonat.
Rechtpopulisten versuchten zugleich, die Tat für sich zu nutzen. So teilte die AfD-Politikerin Alice Weidel bei Facebook und Twitter einen Artikel zu dem Angriff mit dem Hinweis "Schöne neue Welt. Frauenpaar wird von einer 'Gruppe von Männern' im Bus verprügelt" – von den über 1.000 Kommentaren wurde das als Andeutung verstanden, die Täter seien Muslime oder Flüchtlinge, was oft mit gehässigen Kommentaren über ein Selbstverschulden einer "bunten" Gesellschaft verbunden wurde. In einem Interview hatte Geymonat angegeben, dass einer der Angreifer einen spanischen und die übrigen einen britischen Akzent gehabt hätten. (nb)
Update 9.6., 10.40h: Verdächtige vorerst auf freiem Fuß
Die Polizei hat die fünf Verdächtigen unter Kautionsbedingungen freigelassen. Für Anfang Juli gebe es eine Vorladung der Männer, teilte die Polizei am Samstag mit. Nach weiteren Verdächtigen werde derzeit nicht mehr gesucht.
