Wenige Wochen nach einer ersten Vorentscheidung hat die österreichische Abgeordnetenkammer am Dienstag einstimmig einen Entschließungsantrag (PDF) verabschiedet, in dem sich die Abgeordneten für ein Verbot von Homo-"Heilung" an Jugendlichen aussprechen. "Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der die Ausübung von Konversions- und 'reparativen Therapieformen' an Minderjährigen verboten wird", heißt der einzeilige Beschluss.
Der SPÖ-Abgeordnete und -Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner, der den Antrag ins Parlament eingebracht hatte, sprach von einem "Meilenstein": "Zum ersten Mal seit der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft vor genau zehn Jahren hat die Politik heute einen weitreichenden Beschluss zum Schutz von LGBTIQ-Personen in Österreich getroffen."
Mitte Juni hatte das Parlament bereits in einer Art Vorentscheidung mit Stimmen aller Parteien außer der FPÖ auf Antrag Lindners beschlossen, dem Gesundheitsausschuss, in dem der Antrag herumlag, für die Erstellung des Ausschuss-Berichts eine Frist bis zum 1. Juli zu geben (queer.de berichtete). Ein entsprechender Fristsetzungsantrag bedeutet im österreichischen Recht, dass das Parlament den Antrag nach Ablauf beraten kann, auch wenn kein Bericht vorgelegt wird.
Lindner hatte den Entschließungsantrag schon im Dezember 2018 nach ersten Enthüllungen rund um den Verein "TeenStar" eingebracht (queer.de berichtete). Eine Abstimmung war zunächst von der Koalition aus ÖVP und FPÖ verhindert worden, die allerdings im Mai im Rahmen der Ibiza-Affäre zerbrochen war. Bis zur vorgezogenen Nationalratswahl Ende September wird Österreich von einer Expertenregierung um Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein regiert, die als Chefrichterin am Obersten Gerichtshof am Urteil über die Ehe-Öffnung beteiligt war (queer.de berichtete).
Schaden abwenden
"Nach alledem blieb ich schwul, war aber dem Suizid nah" – mit diesem Zitat eines Opfers von Konversionstherapien begann Lindner am Dienstag die Debatte zum Verbot von "Homo-Heilung" im Nationalrat. Seit Jahrzehnten zeigten Studien weltweit, unter was für furchtbaren Folgen Opfer entsprechender Behandlungen litten, von Depressionen über dauerhafte Traumatisierungen bis hin zum Suizid. "Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind niemals eine Krankheit und niemals etwas, das man 'heilen' kann", so der derzeit einzige offen homosexuelle Abgeordnete des Parlaments. "Mit dem heutigen Beschluss gehören all jene ekelhaften, schädlichen Praktiken endlich der Vergangenheit an, die versuchen etwas zu verändern, was nicht kaputt ist!"
LGBTI-Aktivisten hatten das Vorhaben begrüßt: "Konversionstherapien sind Schein-Therapien, die die psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gefährden. Ihre Schädlichkeit ist wissenschaftlich belegt", erklärte Josef Lindner, der Chef der LGBTI-Organisation HOSI Salzburg, in einer Pressemitteilung vor wenigen Wochen.
Auch in Deutschland ist ein Verbot von Homo-"Heilung" geplant – allerdings nicht nur an Jugendlichen, sondern auch an Erwachsenen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte dazu eine Expertenkommission eingesetzt und Gutachten erstellen lassen und will bis Ende des Jahres ein Gesetz auf den Weg bringen (queer.de berichtete). Viele Details und Formulierungen sind noch unklar. Aktuell sollen "Behandlungsmaßnahmen" verboten werden, mit denen "auf die Ausübung der sexuellen Orientierung zwecks Änderung oder Unterdrückung eingewirkt wird". Von Aktivisten und in Vorträgen bei der Expertenkommission wurde auch die Aufnahme von Behandlungen an Transpersonen gefordert. Auch der österreichische Entschließungsantrag sieht das nicht ausdrücklich vor.
Ehe nun auch für binationale Homo-Paare
Das österreichische Parlament stimmte am Dienstag laut einer SPÖ-Mitteilung zugleich mit den Stimmen aller Parteien außer der FPÖ für einen Antrag, mit dem die durch den Verfassungsgerichtshof erzwungene Ehe für alle in einem weiteren Bereich umgesetzt wird: Bisher hatten binationale gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe noch immer nicht eingehen können, wenn einer der Partner aus einem Land kommt, in dem die Ehe für alle noch immer verboten ist. So lautete zumindest eine Anweisung des FPÖ-geführten Bundesinnenministeriums aus der Zeit der ÖVP-FPÖ-Koalition (queer.de berichtete).
Das Gericht hatte im Dezember 2017 für die Ehe-Öffnung entschieden und zur Einführung eine Frist zum 1. Januar 2019 gesetzt (queer.de berichtete) – sie trat letztlich an jenem Tag in Kraft, ohne dass die Regierung ein Gesetz dazu vorgelegt hatte. Für die Anerkennung binationaler Paare wird durch den Antrag ein Bundesgesetz zum internationalen Privatrecht aus dem Jahr 1978 geändert. "So wichtig dieser Schritt heute ist, es muss uns auch eines klar sein: Das hätten wir vor 17 Monaten schon schaffen können", so Lindner. "Nach 17 Monaten der schwarz-blauen Blockade in jeder einzelnen Gleichstellungsfrage sehen wir heute, was passiert, wenn endlich Vernunft statt kaltem Kalkül regiert!" (nb)