Wichtiges Signal oder nur eine verlogene Geste? Das Gedenken an das Leid und die Vergebungsbitte an homosexuelle Menschen stand am Freitag im Zentrum einer Andacht bei der Sommersynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg: "Für die vielen schmerzhaften Erfahrungen, die gleichgeschlechtlich empfindende Mitchristinnen und -christen und Mitmenschen in und durch unsere Kirche machen mussten, bitten wir um Entschuldigung vor Gott und den Menschen", sagte Landesbischof Frank Otfried July in Stuttgart.
July schilderte Beispiele aus der langen Verfolgungsgeschichte von Lesben und Schwulen und wies darauf hin, dass "in der Vergangenheit bis in die Gegenwart gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen Unrecht, Verachtung, Ausgrenzung und Leid widerfahren ist: in unserer Gesellschaft – und auch in unserer Kirche. Wir sind in unserer Synode und unserer Landeskirche – jenseits der verschiedenen theologischen Deutungen und persönlicher Überzeugungen – der festen Auffassung, dass es einen lieblosen Umgang, geschichtsvergessene Ausgrenzung oder polemische Verachtung von homosexuellen Menschen bei uns nicht geben soll."
"Auch bei uns noch gruppenbezogene Vorurteile"
Der Landesbischof wies darauf hin, dass in vielen Ländern der Welt homosexuelle Menschen nach wie vor verfolgt, geächtet, mit dem Tode bedroht oder hingerichtet würden. In Deutschland gebe es heute weitgehend Gleichberechtigung und Freiheit – und doch lebten Lesben und Schwule nicht ohne Angst, würden Opfer von Mobbing: "Wir als Christen in der Gemeinschaft der Kirchen – bei unterschiedlichen theologischen Haltungen unter uns – haben für Menschenrechte und Menschenwürde, also konkret: die Rechte auch dieser Schwestern und Brüder, für ihre Würde einzutreten und sie öffentlich zu bezeugen." Das zeige schon der Satz aus dem Römerbrief, den der Landesbischof seiner Andacht zugrunde legte: "Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat."
July sagte weiter: "Wir bedauern es zutiefst und es tut uns leid, wie Lieblosigkeit, Richt- und Ausschlussgeist auch bei uns, in unserer Kirche und in Gemeinden, Einzug gehalten haben – dass es auch bei uns noch gruppenbezogene Vorurteile gibt, die die Annahme und Liebe zu einzelnen Menschen verstellen. Als Kirche müssen wir deutlich machen, dass es vor Gott und für uns nur eine Gruppe von Menschen gibt: den Leib Christi, zu dem alle, jeder und jede einzelne, bedingungslos dazu gehört, weil Christus uns alle annimmt."
Daraus leitete der Landesbischof ab: "Wir sprechen aus: Wir haben als Kirche im Schutz und Eintreten für gleichgeschlechtlich liebende Menschen in der Vergangenheit oftmals Diskriminierung und Verfolgung mit befördert. Wir wollen bei aller theologischen Unterschiedlichkeit den gleichgeschlechtlich orientierten Schwestern und Brüdern im alltäglichen Umgang in Gemeinde, Kirche und Gesellschaft kräftiger und ohne Bedingungen bezeugen: Du bist Gottes geliebtes Kind. Wir sprechen aus: Für die vielen schmerzhaften Erfahrungen, die gleichgeschlechtlich empfindenden Mitchristinnen und -christen und Mitmenschen in und durch unsere Kirche machen mussten, bitten wir um Entschuldigung vor Gott und den Menschen."
Deutschlands homophobste Landeskirche
Die evangelische Kirche in Württemberg gehört zu den homophobsten Landeskirchen in Deutschland. Während die Hälfte der 20 Landeskirchen hetero- und homosexuelle Ehepaare bei der Trauung mittlerweile gleichgestellt hat, können sich Lesben und Schwule in Württemberg bislang nicht einmal segnen lassen. Erst ab dem kommenden Jahr sollen nach einem Synodenbeschluss vom März Segnungsgottesdienste möglich sein, aber dies nur in maximal einem Viertel der Gemeinden (queer.de berichtete). Zudem müssen sich drei Viertel aller Pfarrer der jeweiligen Kirchengemeinde sowie drei Viertel des Kirchengemeinderates dafür aussprechen. (cw)