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Im Film "Messer im Herz" werden Schwulenporno-Regisseurin Anne und ihr verkorkstes Team von einem Masken-Mörder mit Schnappklingen-Dildo heimgesucht. Klingt trashig, ist es auch. Und wundervoll.
Anne weiß, was sie will. "Beiß ihn, Thierry! Nimm ihn, verdammt!", befiehlt die Produzentin und Regisseurin von schwulen Pornofilmen auf "Warum liegt hier Stroh rum"-Niveau. Sie ist, einerseits, eine starke Frau in einer von Männern und ihren Schwänzen dominierten Sphäre, noch dazu als Lesbe, doch, andererseits, auch verletzlich, harsch, empathielos.
Anne (Vanessa Paradis), so hellblond wie nur möglich, sterben ihre Darsteller weg. Ermordet, einer nach dem anderen. Mit einem Schnappklingen-Dildo brutal erstochen. Das lässt Anne zunächst erstaunlich kalt, im Gegenteil findet sie dafür sogar Inspiration. "Der schwule Mörder" ist ihr neuester Streifen.
Regisseur Yann Gonzalez siedelt "Messer im Herz" im Sommer 1979 an, und es gelingt ihm vortrefflich. Statt bemühten ausstaffierten Klischees setzt er auf grelles blaues bis orangefarbenes Neonlicht. Ein Farbenrausch, und eine Reminiszenz an französische Filme dieser Zeit. Außerdem schlägt er auch Brücken ins Heute, indem er beispielsweise Simon Thiébaut, Künstlerin-Fotografin-DJane als Kopf einer Transgender-Gang auftreten lässt.
Vom Herzschmerz-Melodrama zum Horrorfilm nach nur einem Schnitt
Überhaupt wirkt sein – nach "Begegnungen nach Mitternacht" aus dem Jahr 2013 – nun zweiter Langfilm ein Verschnitt aus unzähligen Referenzen und Inspirationen. Getragen wird das Ganze von einer kraftvollenden, aber nie überladenden Filmmusik, an der Yann Gonzalez gemeinsam mit seinem Bruder Anthony Gonzalez und dessen Musikprojekt M83 gearbeitet hat.
Ein Verschnitt ist "Messer im Herz" auch aus den unterschiedlichsten Genres und Stimmungen: Auf der einen Seite hochstilisiertes Herzschmerz-Melodrama und grausamer Horrorfilm im Wechsel, hervorragend und kontrastreich gegenübergeschnitten. Immer wieder wagt sich Gonzalez ins Experimentelle, später mehr und mehr auch in traumhafte bis fantastische Szenen. Über all dem spannt sich ein kitschiger Trash als Bogen, der immer unterhaltsam, und nicht immer ernst zu nehmen ist.
Ein queeres Kinohighlight des Sommers
Stark sind neben diesem Genremix, der Ästhetik und Montage auch die Dynamiken, die sich im Filmteam entwickeln – jeder weitere Mord ändert und bewegt etwas. Und natürlich die Crew selbst, bestehend aus verkorksten Charakteren, die wir zwar teilweise nur schemenhaft kennenlernen (wie Goldmund, dessen Talent immer dann gefragt ist, wenn ein Darsteller keinen hochbekommt), uns aber doch perfekt vorstellen können.
Sie sind nicht nur mit viel Fingerspitzengefühl und Hingabe geschrieben, sondern auch dargestellt: Mit Vanessa Paradis als Anne oder Félix Maritaud als Thierry – eine französische Ikone neben einem der großen aufstrebenden Stars – hat der Film die Darsteller, die er verdient.
Weder von der eigentlichen Narration noch von der Montage her schafft Yann Gonzalez damit besonders mainstreamtaugliches Kino. "Messer im Herz" bricht mit Sehgewohnheiten und Erwartungen, und die Story ist für sich genommen eher schwach. Wer reines Erzählkino sucht, der wird enttäuscht sein. Für alle anderen könnte "Messer im Herz" ein queeres Kinohighlight des Sommers werden.
Links zum Thema:
» Alle Kinotermine im Rahmen der Queerfilmnacht
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
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