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Gazeta Polska
Polnisches Magazin verteilt Aufkleber "LGBT-freie Zone"
Der Sticker mit durchgestrichener Regenbogenflagge soll der nächsten Ausgabe beiliegen – in sozialen Netzwerken herrscht Entsetzen.

Die aktuelle Ausgabe der "Gazeta Polska" und die Ankündigung der homo- und transfeindlichen Sticker
- Von Norbert Blech
18. Juli 2019, 13:50h 4 Min.
Der Kulturkampf um LGBTI-Rechte in Polen hat sich erneut verschärft: Das wöchentlich erscheinende nationalkonservative Politik-Magazin "Gazeta Polska" teilte am Mittwoch mit, in der Ausgabe vom 24. Juli einen Aufkleber mit einer durchgestrichenen Regenbogenflagge und dem Aufdruck "LGBT-freie Zone" zu verteilen. In sozialen Netzwerken verbreitete die "Gazeta" ein Bild des Aufklebers, das inzwischen zu heftiger Kritik führte.
Viele Nutzer in sozialen Netzwerken verglichen das Vorhaben mit plakativen antisemitischen Botschaften aus der Nazi-Zeit. Ein Vertreter der Partei des schwulen Politikers Robert Biedron stellte auf Twitter etwa einem Bild des Stickers ein Bild der Synagoge in der polnischen Stadt Bydgoszcz (Bromberg) gegenüber, an das die Nazis ein Transparent mit dem Aufdruck "Diese Stadt ist judenfrei" angebracht hatten.
Twitter / MateuszGozdzikJedno ze zdj pochodzi z dodatku do Gazety Polskiej, czasopisma powizanego z PiS. Drugie zdjcie jest dzieem nazistów. Polska XXI w. i Niemcy lat '30 XX w. Tak daleko, a tak blisko :( pic.twitter.com/e0uzM49Qqe
Mateusz Godzikowski (@MateuszGozdzik) July 17, 2019
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Der Vize-Bürgermeister von Warschau, der schwule Liberale Pawel Rabiej, kündigte an, dass er die Staatsanwaltschaft einschalten wolle: Der Aufkleber stehe in der Tradition des Nationalsozialismus. Die Organisation "Kampagne gegen Homophobie" kommentierte, das Magazin habe eine Grenze überschritten. In Polen erinnere man sich noch an die Zeiten, als auf Schildern Juden der Eintritt zu Geschäften verboten wurde. LGBTI seien "keine Ideologie", sondern Menschen mit Fleisch und Blut. "Gemeinsam müssen wir die Welle des Hasses stoppen, die durch Polen schwappt."
Die Kampagne "Milosc nie wyklucza" (Liebe schließt nicht aus) veröffentlichte bei Facebook und Twitter ein eigenes Motiv, das in Regenbogenfarben zwei zu einem Herz geformte Hände zeigt und die Botschaft transportieren soll, dass LGBTI hier willkommen und sicher seien. "70 Prozent der jungen LGBT+ in Polen haben Selbstmordgedanken", "gleichgeschlechtliche Paare verlassen zunehmend Polen auf der Suche nach Sicherheit und Normalität", informierte die Kampagne in dem Posting, das viral verbreitet werden soll. Gleichgültigkeit gegenüber Hass sei Zustimmung zu Gewalt, so die Kampagne. Daher bitte man, Solidarität zu zeigen, das Motiv auszudrucken und "am Arbeitsplatz, in der Schule oder deinem Lieblingscafé" aufzuhängen.
Twitter / milosc_:x: trwa poda nagonka na nasz spoeczno :x: 70% modych osób LGBT+ w Polsce ma myli samobójcze :x: Pary tej samej pci coraz czciej wyjedaj z Polski w poszukiwaniu bezpieczestwa i normalnoci. Udostpnij grafik i poka, e osoby LGBT+ mog na Ciebie liczy! #mio pic.twitter.com/9dRMeyuTuI
Mio Nie Wyklucza (@milosc_) July 18, 2019
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Chefredakteur verteidigt sich – mit Ernst Röhm

Ein früherer Titel der "Gazeta", der sich gegen Schulaufklärung über LGBTI richtete
Der Chefredakteur der "Gazeta Polska" stellte sich am Donnerstag hingegen als Opfer dar – nachdem Instagram den Eintrag des Magazins mit dem abgebildeten Aufkleber als Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen gelöscht hatte. "Zensur war typisch für den Nationalsozialismus, ebenso wie die Durchsetzung von Ideologie", kommentierte Tomasz Sakiewicz. "Niemand ist dem Nazismus heute näher, insbesondere in der Version von Ernst Röhm, dem Vorläufer der Hitlerpartei, als diejenigen, die Menschen verfolgen, weil sie die LGBT-Ideologie ablehnen." Der später im Rahmen der "Nacht der langen Messer" auf Befehl Hitlers getötete schwule SA-Chef war einer der ersten NSDAP-Mitglieder.
Die "Gazeta Polska", die zuletzt einen Auflagenschwund um rund 25 Prozent auf knapp unter 80.000 wöchentliche Exemplare erleiden musste, gilt als einer der wichtigsten Unterstützer der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Sie machte auch durch deutschenfeindliche Titel Schlagzeilen, stellte etwa Donald Tusk als deutsche Marionette dar.
Auch die Politik fordert LGBT-freie Zonen
Eigentlich war die Lage für LGBTI in Polen in den letzten Jahren besser geworden, so besuchten immer mehr Menschen den CSD in Warschau und in anderen Städten, zeitweilig saß mit Anna Grodzka eine transsexuelle Abgeordnete im Parlament, in Slupsk wurde der LGBTI-Aktivist Robert Biedron zum Bürgermeister gewählt – er sitzt inzwischen im Europaparlament, nachdem eine neue von ihm angeführte Partei bei den Wahlen 6 Prozent erzielte.
Doch mit dem Rechtsruck wurde die Gegenbewegung stärker: So sprach sich letztes Jahr der polnische Präsident Andrzej Duda, der sein erstes Interview nach dem Amtsantritt übrigens der "Gazeta Polska" gab, für ein Verbot von Homo-"Propaganda" aus (queer.de berichtete). Während LGBTI-Organisationen eine Zunahme von Gewalt und Hetze melden, verschärfte sich die Situation in diesem Jahr noch mehr, nachdem sich der Warschauer Stadtpräsident Rafal Trzaskowski im Frühjahr in einer "Regenbogen-Erklärung" unter anderem für eine umfassende Sexualaufklärung, die auch queere Themen aufgreift, an Warschaus Schulen verpflichtete. Die PiS machte daraus ein Wahlkampfthema: "Die LGBT- und Gender-Bewegung bedroht unsere Identität und unsere Nation. Sie bedroht unseren polnischen Staat", meinte etwa der Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski im April (queer.de berichtete).

MDR-Bericht unter dem Titel "LGBT-freie Zonen in Polen" Die PiS-Partei als Schirm, der Familien vor LGBT schützt – dieses Motiv verbreitete der Senatsvorsitzende Stanislaw Karczewsk bei Twitter. Der Screenshot stammt aus dem
Im Zuge beschlossen mehrere Städte, Kreise und gar Regionalparlamente unter PiS-Führung Resolutionen gegen eine "LGBT-Ideologie", gegen eine angebliche "Frühsexualisierung" oder gegen "Homo-Propaganda". Der Landkreis werde "frei von LGBT-Ideologie" bleiben, betonte in der ersten Resolution ihrer Art der Kreistag in Swidnik im März.
Die "Gazeta Polska" hat nun das "Ideologie" aus der Aussage entfernt und damit wohl den Kern getroffen.
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