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Ab Donnerstag im Kino
Älterwerden mit Almodóvar
In "Leid und Herrlichkeit", dem neuen Film von Pedro Almodóvar, blickt ein in die Jahre gekommener schwuler Filmregisseur auf sein Leben zurück – ein Meisterwerk mit Erotik, Tiefgang und Charme.

Mit "Leid und Herrlichkeit" gelingt Pedro Almodóvar ein faszinierendes Verwirrspiel zwischen Fiktion und autobiografischer Wahrheit (Bild: Studiocanal)
- Von Peter Fuchs
21. Juli 2019, 12:48h - 3 Min.
Pedro Almodóvar, der oscarprämierte Pate des queeren Kinos, wird demnächst siebzig Jahre alt und hat einen Film über einen in die Jahre gekommenen Filmregisseur gedreht, der in einer Schaffenskrise auf sein bisheriges Leben zurückblickt. "Leid und Herrlichkeit" bietet wie häufig bei Almodóvar autobiografische Ähnlichkeiten und prunkt voll lichtdurchfluteter Farbenpracht. Dem Rezensenten (und zugegeben Top-Fan) spiegelt dieser sehr persönliche Almodóvar-Film auch die eigenen nostalgischen Gefühle.
Der erste Flash beim Betrachten von "Gesetz der Begierde" (1987), übergeschnappt, kinky, mit einer atemberaubend verschlungenen Handlung, die Stoff für sieben Filme geboten hätte. Dann das Staunen über die Hochglanzfilme, die das Genre Melodram mit komödiantischen Einsprengseln zur Perfektion führten ("Alles über meine Mutter", 1999) oder das vertraute Gefühl, raffinierte Inszenierungen eines Meisters zu genießen ("Zerrissene Umarmungen", 2006). Auch ein Top-Fan entwickelt sich über so einen Zeitraum weiter.
Eine opiatgetränkte Reise in die Vergangenheit

Poster zum Film: "Leid und Herrlichkeit" läuft am 25. Juli 2019 in deutschen Kino an
Almodóvar ist also im Alterswerk angekommen. Regisseur Salvador Mallo (Antonio Banderas), dessen Körper ein Wrack ist, bereitet sich auf das Jubiläumsscreening eines seiner frühen Filmhits vor. Diese Gelegenheit will er nutzen, sich mit seinem Star von damals zu versöhnen, von dem er sich wegen künstlerischer Zwistigkeiten trennte. Bei dieser Wiedervereinigung entscheidet Salvador aus einer Laune heraus, Heroin zu probieren. Seine opiatgetränkten Träume werfen den Rückblende-Motor an und wir springen mit Salvador in seine Vergangenheit, um die Beziehung zu seiner Mutter (gespielt von Penelope Cruz, im Alter von Julieta Serrano) zu analysieren, mit ihm das sexuelle Erwachen seiner Kindheit zu erforschen und seinen prägendsten Ex-Liebhaber kennenzulernen.
Ein Treffen mit diesem Liebhaber inszeniert Almodóvar als innige Szene, in der zwei Männer im reifen Alter nach Jahren die Sehnsucht erkennen lassen, die tief in ihnen begraben war. Der Abschiedskuss zwischen den beiden wird dereinst als einer der Höhepunkte im Gesamtwerk Almodovars gelten. Durch das zarte Spiel von Antonio Banderas und Leonardo Sbaraglia Erotik mit Tiefgang.
Eye Candy in der gleißenden Sonne Spaniens
Apropos Erotik: Natürlich zeigt uns Pedro Almodóvar wie in jedem seiner Filme auch wieder ein Eye Candy. Jungschauspieler César Vicente gibt den Maurer Eduardo, der von Salvadors Mutter für Reparaturarbeiten angeheuert wird. Als Gegenleistung bringt ihm der kleine Salvador das Lesen und Schreiben bei. Almodóvar weiß, wie die Kamera die Schönheit Eduardos in der gleißenden Sonne Spaniens am besten zur Geltung bringt und nutzt das geschickt als Dreh- und Angelpunkt der Story des Films.
"Leid und Herrlichkeit" ist aber kein Schwanengesang auf einen ausgebrannten Künstler, der sich in sentimentalen und hübsch aufbereiteten Erinnerungen ergeht. In den letzten Minuten des Films präsentiert der findige Zauberer Almodóvar den doppelten Boden der Geschichte und entlässt den Rezensenten wie nach einem gelungenen Rendezvous fröhlich-gelassen aus dem dunklen Kinosaal in die Welt.
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Leid und Herrlichkeit. Drama. Spanien 2019. Regie: Pedro Almodóvar. Darsteller: Antonio Banderas, Asier Flores, César Vicente, Asier Etxeandia, Leonardo Sbaraglia, Penélope Cruz, Nora Navas, Julietta Serrano. Laufzeit: 113 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. FSK 6. Verleih: Studiocanal. Kinostart: 25. Juli 2019

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