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40 Jahre "Homolulu"
Ein "lauwarmes Lüftchen" in den Siebzigern
Vom 23. bis 30. Juli 1979 trafen sich Schwule und Lesben in "Homolulu", um die Welt zu verändern. Die Folgen: Ralf König fing an zu zeichnen, das Waldschlösschen und Männerschwarm wurden gegründet.

Im Rahmen von "Homolulu" demonstrierten am 28. Juli 1979 über 1.000 Schwule und rund 100 Lesben in der Innenstadt von Frankfurt am Main (Bild: WDR)
23. Juli 2019, 03:09h 12 Min. Von

Das Plakat von "Homolulu"
"Homolulu – Die Geburt eines Vulkans oder die Versuchung eine Utopie konkret zu machen" ist der Name eines Homosexuellen-Treffens im Jahre 1979, das von vielen als das erste internationale Treffen dieser Art in Deutschland angesehen wird. Die Angabe zu den Teilnehmern schwankt zwischen 500 und 2.000. Die Inhalte wurden in der Schwulenzeitschrift "emanzipation" (Heft 4, 1979, S. 34) so zusammengefasst: "Der Traum wird wahr / Der Vulkan bricht aus. [Wir werden] eine Woche Theater spielen, singen, einander lieben, miteinander arbeiten, uns zu Gesprächen zusammenfinden, lachen, tanzen, feiern."
Den Namen "Homolulu" – ein Kofferwort aus "Homosexualität" und "Honolulu" – hatten sich die Veranstalter von einer gleichnamigen schwul-lesbischen Diskothek in Amsterdam (1975-1997) "ausgeliehen". In erster Linie ging es bei diesem Namen aber um die Assoziation mit der Insel Honolulu, wo man sich frei von Zwängen bewegen sollte. Das Treffen sollte auch mit einem Tanz auf dem Vulkan assoziiert werden, bei der alles Aufgestaute endlich ausbrechen darf. Der Name hörte sich nicht nur international an, sondern sollte neben Schwulen auch Lesben ansprechen, die allerdings stark unterrepräsentiert blieben. Offensichtlich haben es die Veranstalter nicht erreicht, dass sich auch viele Lesben angesprochen fühlten. In dem wichtigen Werk zur deutschen Lesbenbewegung – "In Bewegung bleiben" von 2007 – wird "Homolulu" nur knapp als schwules Festival erwähnt (S. 56). Für die Lesbenbewegung waren offenbar andere Veranstaltungen bedeutsamer.
Als Veranstaltungsort von "Homolulu" wählte man Frankfurt am Main aus, wo sich das Festival auf die Räume der Uni Frankfurt und den Friedberger Platz verteilte. Recht unterschiedliche und zum Teil sich ergänzende Perspektiven auf dieses Festival vermitteln die Zeitung "Homolulu", unterschiedliche Medienberichte sowie die Äußerungen von Zeitzeugen.
"Homolulu. schwule tageszeitung"

Die erste Ausgabe der Zeitung "Homolulu"
Fast jeden Tag erschien auf dem Festival eine eigene Tageszeitung "Homolulu", deren Texte heute online verfügbar sind und die die thematische Bandbreite dokumentieren. Zum Kulturangebot gehörten Filme ("Pink Narcissus", 1971; "Mädchen in Uniform", 1931) und Theateraufführungen (Theatergruppen "Brühwarm" und die "Maintöchter"). Austausch fand in diversen Workshops statt (Geschichte, Yoga), wo zum Beispiel auch diskutiert wurde, wie der Diskriminierung schwuler Lehrer begegnet werden könnte und ob schwule Wohngemeinschaften eher "als befreiung oder neues ghetto" anzusehen seien. Schwule Ärzte und Medienschaffende wollten sich besser vernetzen.
Kontrovers diskutiert wurde der Workshop "Pädophilie" (Heft 4 und 5). Thomas Grossmann hielt einen Vortrag über "Schwule und Psychotherapie". Zwei Jahre später publizierte er sein erfolgreiches Buch "Schwul, na und?", das ihn in der Szene sehr bekannt machte.
Man begann auch, sich mit der Bundestagswahl von 1980 zu beschäftigen, denn schließlich hatte man Angst vor Franz Josef Strauß (Kanzlerkandidat der CDU/CSU) – die Alternative zu ihm war Helmut Schmidt (SPD). Bei einigen der in "Homolulu" erhobenen homopolitischen Forderungen (Heft 5/6) lohnt sich ein Vergleich mit dem Datum der späteren Umsetzung: "Wir fordern die Streichung von Paragraf 175" (1994 umgesetzt). "Wir fordern die Gleichstellung im Erb- und Steuerrecht" (diverse Urteile des Bundesverfassungsgerichts 2010-2013). "Wir fordern zwei Sitze im Rundfunkrat" (LSVD im Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks seit 2015; von Radio Bremen und des ZDF seit 2016; Schwules Netzwerk NRW im Rundfunkrat des WDR seit 2016).
Ab dem zweiten Heft wurden auch die unerwartet vielen Medienberichte besprochen. Über die positive Art der Berichterstattung, bei dem sich die Medien "überbieten uns zu tolerieren", waren die Veranstalter irritiert. Ein Teilnehmer schrieb: "Ich denke nicht, daß nur saure Gurkenzeit oder das 'lauwarme Lüftchen' die Gründe sind, die uns begehrenswert machen" (Heft 4).
Die Werbung im "Spiegel" und die anderen Medien
Bedeutend war vor allem die unerwartete "Werbung" im "Spiegel", der eine Woche vorher in seiner Ausgabe vom 16. Juli 1979 (hier als PDF) darüber schrieb, wie toll das Festival bestimmt werden würde.
Unter der Überschrift "Heiße Lava" wurden die geplanten Aktivitäten vorgestellt: eine "Gay Pride Parade" durch die Innenstadt, Filme und ein Flohmarkt. Politisch galt es offenbar unterschiedliche Vorstellungen miteinander zu verbinden. Ein Teilnehmer wollte eben keinen "Aufstand der Perversen" (und bezog sich damit indirekt auf Rosa von Praunheim und die Situation in den USA), und in deutlicher Abgrenzung zu den "Stonewall"-Unruhen von 1969 sollte es in "Homolulu" "friedlicher und ernster" zugehen. Gewünscht waren Tage "voll von telekinetischer Genitalenergie" und eine "radikale schwule Begegnung gegen diesen zwanghaft heterosexuellen kapitalistischen Atomstaat".
Der Satz verweist sehr gut darauf, dass es in den Siebzigerjahren nur linke Schwule zu geben schien. Willkommen waren aber alle, ganz gleich, ob sie aus Parks, Saunen oder "der Emanzipationsbewegung kommen". Sie alle sollten ein "Gefühl von schwuler Identität" bekommen, was bis heute einen wichtigen Teil der Emanzipation darstellt. Dabei sollten auch juristische und medizinische Fragen ("Gehirnschnippler") angesprochen werden. Auch die Bedeutung guter Vernetzung wurde erkannt, wie mit dem "Sponti-Oldtimer" Daniel Cohn-Bendit von den Grünen. Widersprechen würde ich nur der Äußerung in diesem Artikel, dass "Demonstrationen von Homosexuellen" in den "Großstädten zum gewohnten Straßenbild" in dieser Zeit gehörten.

Ein Foto aus "Homolulu" (Bild: Männerschwarm)
Stefan Reiß (Orga-Team)
Der Jurist und Schwulenaktivist Stefan Reiß verdeutlicht auf der Startseite seiner Homepage, welche Motivation er bei der Organisation von "Homolulu" hatte: Schon in den Sechzigerjahren "entwickelte sich das gemeinsame Bedürfnis, nicht nur Missstände zu benennen, sondern Ziele positiv beschreiben zu können. Deshalb und um nicht immer nur von gesellschaftlichen Zwängen zu sprechen, Theorien zu diskutieren und die desinteressierte Öffentlichkeit mit Resolutionen gegen irgendwelche Missstände zu langweilen, beschlossen wir, ein großes Fest mit Film-, Theater- und Musikprogramm zu organisieren. [In] Frankfurt am Main wollten wir herausfinden, was wir vom Leben erwarteten und nicht nur erläutern, was wir befürchteten. Selbstverständlich sollte es dort auch politische Diskussionsveranstaltungen geben. Dazu wollten wir auch Schwule aus anderen Ländern einladen und suchten deshalb nach einem Namen, der unabhängig von der Sprache die richtige Assoziation hervorrufen sollte. Deshalb 'klauten' wir den Namen einer Bar in Amsterdam, in der keiner von uns je gewesen ist: Homolulu. Der Spiegel berichtete vorab und verhalf uns damit zu der erhofften Popularität."
Als Organisator gab Reiß viele Interviews, denn "Homolulu" hatte "eine solche Dimension erreicht, dass plötzlich fast jeder deutsche Radiosender und beinahe jede Zeitung darüber berichtete. Zum ersten Mal waren Schwule als eine Gruppe von Menschen und nicht als Opfer von Verbrechen oder als Sexualstraftäter Inhalt der Medienberichte".
Joachim Schulte (Orga-Team)
Auch Joachim Schulte war an der Organisation von "Homolulu" maßgeblich beteiligt. In einem achtminütigen Interview auf Youtube geht er zunächst auf die Ausgangssituation in den Siebzigerjahren ein, die von alltäglichen diskriminierenden Erfahrungen geprägt war. So hatte die Polizei in Aachen einer Schwulengruppe ohne besonderen Grund einen Straßenstand verboten, in Berlin gab es für schwule Lehrer ein Berufsverbot und es gab Wissenschaftler, die Homosexualität durch stereotaktische Operationen am Gehirn zu "heilen" versuchten. In der Öffentlichkeit wurde nur heterosexuelles Verhalten als richtig dargestellt.
Die "Nationale Arbeitsgemeinschaft Repression gegen Schwule" (NARGS) dokumentierte solche Fälle und war an der Organisation von "Homolulu" beteiligt, das zum zehnjährigen Jubiläum von "Stonewall" stattfinden sollte. Aufgrund der Semesterferien konnten die Räume der Uni genutzt werden, wo tagsüber Workshops und abends Partys stattfanden. Laut Schulte nahmen ca. 800 Leute an "Homolulu" teil.
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"Homolulu" als Initialzündung
"Homolulu" wurde zur Initialzündung vieler Homo-Projekte und führte u.a. dazu, dass sich 1980 die "Homosexuelle Selbsthilfe" gründete, um verschiedene Projekte finanziell unterstützen zu können. Auch die Eröffnung des Berliner "Kommunikations- und Beratungszentrums" im Jahre 1981 fußt auf "Homolulu". Das Bremer "Rat und Tat Zentrum" eröffnete am 3. Dezember 1982 und bot zudem eine "Kaffeestube" namens "Homolulu" an. Der Schwulenaktivist Jörg Hutter kritisierte die spätere Umbenennung: "Ich finde es geschichtslos, den Namen des Cafés in den etwas nichtssagenden Begriff Café Kweer umgewandelt zu haben."
Bekannt ist vielen auch noch der Hamburger Buchladen "Männerschwarm". Im Dezember 1980 wurde die "Homolulu Buchladen GmbH" gegründet. Der dazugehörige Buchladen "Männerschwarm" wurde am 12. Juni 1981 in Hamburg eröffnet, zog 2002 innerhalb Hamburgs um und musste 2015 endgültig schließen. Den aus dem Buchladen hervorgegangenen "Männerschwarm"-Verlag gibt es bis heute, mittlerweile unter dem Dach der Edition Salzgeber.
Rainer Marbach und das Waldschlösschen
Patrick Henze widmet sich in seinem Buch: "Schwule Emanzipation und ihre Konflikte" (2019, S. 335-344, hier S. 337-344) auf zehn Seiten der Geschichte von "Homolulu" und geht dabei ausführlich auf Rainer Marbach ein, der sich an der Organisation von "Homolulu" beteiligte. Rainer Marbach wurde durch das Festival nicht nur persönlich "deutlich freier", sondern lernte hier auch seinen späteren Lebenspartner Ulli Klaum kennen.
Bei ihrem ersten Gespräch ging es um einen Streit, nämlich ob man auch die "Indianerkommune" aus Nürnberg zu Wort kommen lassen sollte, die sich für die Straffreiheit pädosexueller Handlungen einsetzte. Durch das Festival entdeckte Rainer Marbach auch sein Organisationstalent. "Das hat mir einen enormen Schub versetzt und für mich persönlich als Konsequenz die Gründung des Waldschlösschens zur Folge gehabt." Das ehemalige Ausflugslokal "Waldschlösschen" in der Nähe von Göttingen kaufte er gemeinsam mit Ulli Klaum 1981 und realisierte hier die Idee einer "schwulen Volkshochschule".

Das Waldschlösschen in der Nähe von Göttingen
Das Konzept ging auf und das Waldschlösschen entwickelte sich in den Achtzigerjahren zu einem wichtigen Begegnungszentrum der Schwulenbewegung. In den späteren Jahren wurde das Waldschlösschen immer größer, veränderte sich auch hinsichtlich seiner Zielgruppe und heißt heute "Akademie Waldschlösschen". Marbach und Klaum sind immer noch in der Akademie bzw. in der Stiftung engagiert.
Es ist einfach, einen Zusammenhang zwischen "Homolulu" und dem Waldschlösschen zu sehen. Henze fasst das so zusammen: Durch den "Schub, den Homolulu ihm verpasste", habe Marbach seine "besonderen organisatorischen Fertigkeiten" in die Entwicklung des Waldschlösschen gesteckt. "Für Marbach erfüllte sich ein Stück weit das, was mit der Umsetzung von 'Homolulu' angedacht worden war: 'Ein anderes Leben.'"
Ralf König (Comiczeichner)

Eine sexpositive Veranstaltung: Karikatur eines unbekannten Künstlers aus der "Homolulu"-Zeitung
Über die Bedeutung von "Homolulu" für den späteren Comiczeichner Ralf König schreibt David Schraven ("Comiczeichner Nummer eins", in: "Die Welt", 14. Mai 2006): "Als Schlüsselerlebnis bezeichnet König seine Teilnahme an der ersten großen Schwulendemo Homolulu in Frankfurt am Main." Danach zitiert er Ralf König: "Ich erlebte [in "Homolulu"], daß Homosexualität etwas Gutes und Schönes ist." Kurz danach studierte König in Düsseldorf Kunst und gab seine ersten schwulen Comics heraus.
Sven Michaelsen ("Schönheit schnarcht mich an", in: "SZ-Magazin", 1. November 2015) kitzelt aus Ralf König sogar heraus, dass dieser in "Homolulu" seinen ersten schwulen Sex hatte. Ralf König: "Da war ich 19. Ich fuhr mit einer Freundin zum Homolulu-Festival nach Frankfurt. Die Party fand in einem Schützenfestzelt statt, das an einem Waldrand stand. Es war das erste Mal, dass ich Schwule sah, die anders waren als der ältere Mann in unserer Dorfkneipe. Die waren jung und aufgekratzt und hatten Spaß. Als ich nachts ziemlich betrunken war, schob mich ein Typ um die dreißig zwischen die Bäume. […] Im Laufe des Wochenendes gab es dann noch zwei weitere Männer. Ich war ja in einem Hormonrausch. Ich war völlig zu haben. […] Das Homolulu-Festival hatte mein Leben ins Rutschen gebracht."

Das Schwule Museum in Berlin zeigt in diesem Monat "Homolulu"-Memorabilia als "Objekt des Monats" im Museumscafé, darunter auch Ralf Königs Comic "…und das mit links" von 1993 (Bild: SMU)
Vereinzelte Kritik an "Homolulu"
Auch wenn die meisten der Teilnehmer begeistert waren, ist auch Kritik an "Homolulu" zu finden. In dem Buch "Hamburg auf anderen Wegen" (2005, S. 93) wird der homosexuelle Interessen-"Verband von 1974" (VV '74) zitiert, der "Homolulu" als "Zirkus" bezeichnet, der dem "Kampf für die Anerkennung der Rechte der Homosexuellen eher schade." Dann wird ein Satz mitgeliefert, der wie eine Erklärung für diese kritische Einstellung wirkt: Der eher bürgerliche VV '74 versuchte "gesellschaftliche Anerkennung durch Anpassung an heterosexuelle Normen" zu erreichen.
Sebastian Haunss zitiert in seinem Buch "Identität in Bewegung" (2013, S. 198) einen Leserbrief aus der linksalternativen Schwulenzeitschrift "emanzipation" (Heft 6, 1979, S. 3): Das "Herumgehüpfe" wirke "auf viele Außenstehende belustigend bis abstoßend […] Sind so alle Homosexuellen? Nein, sicher nicht alle".
Dieser Leserbrief stammte von Johannes Werres und seinem Lebensgefährten. Werres war in den Fünfzigerjahren und Sechzigerjahren ein bekannter Homo-Aktivist, der mit der neuen linken Schwulenbewegung in den Siebzigerjahren in Vergessenheit geriet. Werres kritisierte das Provokative, Laute und Bunte, aber auch das Auftreten von Tunten.
In eine ganz andere Richtung gehört die Kritik von Peter Hedenström (Buchladen "Prinz Eisenherz", Berlin), der "Homolulu" als zu angepasst beschrieb. Er ist einer von mehreren Kritikern, die Patrick Henze in seinem Buch "Schwule Emanzipation und ihre Konflikte" (2019, S. 335-344, hier S. 341-343) zu Wort kommen lässt.
"Homolulu" war der Anfang und das Ende
"Homolulu" kann man als einen Anfang sehen. Es war ein wildes und buntes Festival, das heute wie ein schwules Woodstock wirkt. Ähnlich wie "Stonewall" bot es Identifikationsmöglichkeiten, hat Energien freigesetzt und wichtige Impulse geliefert. Mit seiner Überdosis an Utopie verkörperte "Homolulu" für viele der Teilnehmer eine Aufbruchstimmung. Verschiedene wichtige, heute noch bestehende Projekte sind erkennbar auf "Homolulu" zurück zu führen. Die Schwulenbewegung hat es deutlich gepusht.
"Homolulu" markiert gleichzeitig auch ein Ende – das Ende einer recht freien Epoche. Die schon 1979 geplante und im Juli 1980 umgesetzte Veranstaltung zur Bundestagswahl in der Bonner Beethovenhalle wurde zum Fiasko und musste abgebrochen werden, denn die Szene hat hier "mit schrillem Getöse ihre Politik- und Konsensunfähigkeit" bewiesen (siehe. "Rosa Radikale", 2012 – queer.de berichtete). Kurz danach erschienen die ersten Berichte über Aids, eine Krankheit, die die gesamten Lebensumstände von Schwulen massiv und nachhaltig verschlechterte.
Für Sebastian Haunss in "Identität in Bewegung" (2013, S. 198ff.) war "Homolulu" eine Art Zeitenwende, wobei sich die Veränderungen in den Achtzigerjahren unterschiedlich erfassen lassen. Haunss zitiert Aktivisten, die diese Zeit als "Stabilisierung" und andere, die sie als "Stillstand" charakterisieren.

Transparent bei der "Homolulu"-Demo: "Heterosexualität weg! Schwul in die 80er Jahre" (Bild: Archiv Schwules Museum)
Ausblick
Vor rund zwei Monaten habe ich gemeinsam mit Benno Broermann hier auf queer.de den Artikel "Wie benebelt sind wir vom Stonewall-Mythos?" veröffentlicht. Dabei haben wir uns die Frage gestellt, warum sich die Schwulen so ungern an die deutsche schwule Geschichte erinnern. "Homolulu" ist ein Teil dieser deutschen Schwulengeschichte, an die man sich gerne erinnern kann und die zu dokumentieren sich lohnt.
Brauchen wir heute eigentlich ein "Homolulu 2.0"? Der Ausstellungskatalog "Goodbye to Berlin" (1997, S. 287) verweist auf den Versuch, "Homolulu" 1989 zu wiederholen, was jedoch "nicht mehr den Nerv der Zeit [traf und] von großen Teilen der Bewegung ignoriert" wurde. Auch ein ähnlicher Versuch in Berlin 1992 – unter dem Titel "Homolulu (II)" – scheiterte. Dabei ist der Autor Rainer Hörmann vermutlich nicht der Einzige, der in seinem Buch "Samstag ist ein guter Tag zum Schwulsein" (2005, S. 145) deutlich zu erkennen gibt, dass er etwas vermisst. Nach einem Hinweis auf "Homolulu" schreibt er: "Warum gibt es eigentlich […] keine schwule (besser noch: schwul-lesbische) Konferenz, zu der einmal im Jahr geladen [wird]?"
Einen Ort zum Diskutieren, Feiern und Gestalten. Einen Ort, um Gemeinschaft mit anderen zu erleben. Einen Ort für gesellschaftspolitische Utopien. Für viele Menschen wird dies bereits durch das Waldschlösschen realisiert, für andere nicht. "Homolulu" wird einzigartig bleiben.

Um so besser finde ich es, dass hier an die Ereignisse erinnert wird, die für uns bedeutend waren, sei es die erste Homo-Demo 1972 in Münster oder eben das Homolulu-Treffen in Frankfurt.