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St. Petersburg
Erstochene LGBTI-Aktivistin: Polizei nimmt Verdächtigen fest
Der frühere Bekannte habe Jelena Grigorjewa unter Alkoholeinfluss im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung getötet, glauben die Behörden.

Der Tod Jelena Grigorjewas hatte Menschen auf der ganzen Welt entsetzt
- Von Norbert Blech
25. Juli 2019, 13:19h 3 Min.
Die russischen Behörden haben am Donnerstag einen vorbestraften Mann verhaftet, der im Verdacht steht, die St. Petersburger LGBTI-Aktivistin Jelena Grigorjewa in den frühen Morgenstunden des letzten Sonntags mit acht Messerstichen in Rücken und Kopf getötet zu haben. Die 41-Jährige sei sofort ihren Verletzungen erlegen, so die 2007 geschaffene Strafverfolgungsbehörde "Ermittlungskomitee".
Ihre Leiche war am Nachmittag von einem Passanten in Büschen vor einem Wohnhaus gefunden worden, in der Nähe der Wohnung der Aktivistin (queer.de berichtete). Laut Behörden sei es am Tatort zwischen dem Verdächtigen, einem noch nicht benannten Mann aus Kirgisistan, und der Frau zu einem Streit gekommen. Es handle sich um eine Auseinandersetzung häuslicher Art zwischen Personen, die sich früher näher gekannt hätten, so die Behörden.
Die Ermittlungen dauerten an, während zu dem 1981 geborenen, zur Tatzeit unter Alkoholeinfluss stehenden Mann Details zu Anklage und Verwahrung geprüft würden. Die Ermittlungen liefen seit Sonntag zunächst wegen eines Mordes. Die Mitteilung des Ermittlungskomitees geht nicht auf Homophobie als mögliches (Teil-)Motiv ein. Vielmehr betonen die Behörden, die Getötete habe einen "asozialen Lebensstil" geführt: In mehreren Fällen habe sie alkoholische Getränke konsumiert, auch im Beisein des Verdächtigen.

queer.de berichtete) Grigorjewa im April bei einem Protest zum Tag des Schweigens in St. Petersburg. Sie und weitere LGBTI-Aktivisten wurden deswegen festgenommen (
Der Tod Grigorjewas, die eine 20-jährige Tochter hinterlässt, hatte für Entsetzen in der örtlichen Szene gesorgt. Die Aktivistin engagierte sich beim "LGBT Network" und der "Hetero- und LGBT-Allianz für Gleichberechtigung", aber auch für Tierrechte, gegen Folter oder für Krimtataren. Sie nahm an Dutzenden Kundgebungen in der Innenstadt teil und wurde dabei mehrfach festgenommen. Anfang des Jahres hatte sie sich öffentlich als bisexuell geoutet.
In regionalen Medien hatten Freunde von mehreren Personenkreisen berichtet, die Verdächtige sein können: So habe Grigorjewa nach dem Coming-out Bedrohungen von Nachbarn erhalten ebenso wie von früheren Bekannten, die teilweise aus dem nationalistischen Umfeld stammen, in dem sie sich ursprünglich engagiert hatte. Auch ein stadtbekannter Anti-LGBTI-Aktivist habe sie bedroht. Zudem fand sich ihr Name auf einer wenige Tage vor dem Mord abgeschalteten Webseite mit einer Art Todesliste mit Namen von LGBTI-Aktivisten. Die Seite diente in der Einschätzung des LGBT Network wohl vor allem der Einschüchterung; am Mittwoch forderten Aktivisten Behörden erneut dazu auf, ihre Hintergründe zu ermitteln (queer.de berichtete).

Am Dienstag erinnerten bis zu 100 Menschen in St. Petersburg mit einer Mahnwache an die getötete Aktivistin
Es ist davon auszugehen, dass befreundete Aktivisten und Rechtsanwälte der Aktivistin die weiteren Ermittlungen und den möglichen Prozess genau verfolgen und auf homophobe Motive achten werden. Am Dienstag hatte es in St. Petersburg eine Gedenkkundgebung mit Kerzen, Blumen und Plakaten gegeben, auch in Kiew oder New York gab es spontan organisierte Mahnwachen. Weitere Gedenkaktionen sind in den nächsten Tagen geplant.
