Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt und Kandidat für den SPD-Vorsitz, wird wegen seines Schwulseins aus der eigenen Partei angefeindet. Auf Twitter veröffentlichte der 48-Jährige in der vergangenen Woche eine an ihn gerichtete E-Mail, in der es heißt: "Ich als langjähriger SPD Wähler, möchte keinen Homo als Parteichef." Weiter schrieb der Genosse unter seinem vollen Namen: "Privat ist es mir recht egal, wie sie sexuell verkehren, aber in der Öffentlichkeit nicht." In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung "Welt" (Paywall-Artikel) erklärte Roth dazu: "Das ist kein Einzelfall, ich erhalte derartige Post regelmäßig."
Mit der Veröffentlichung der E-Mail habe er etwas illustrieren wollen, so der SPD-Politiker: "Was für uns zuweilen in Sachen Gleichstellung und Akzeptanz selbstverständlich zu sein scheint, ist in Deutschland tatsächlich immer noch nicht selbstverständlich." Solange homophobe Zuschriften keine strafbaren Inhalte umfassten, reagiere er nicht darauf. "Wenn suggeriert wird, Homosexualität sei etwas Schmutziges oder man solle die Öffentlichkeit damit nicht behelligen, sehe ich im Jahr 2019 keine Notwendigkeit mehr, mich damit auseinanderzusetzen."
Roth: LGBTI-Rechte gelten als "Luxusproblem"
Roth räumte ein, dass "traditionell denkende Menschen in allen Parteien" seit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes 1999 mit den Rechten von LGBTI-Menschen "oft überfordert" worden seien. "Was mir auch bis weit in meinen Bekanntenkreis auffällt, ist die Forderung, die Leute nicht ständig mit diesem Thema zu behelligen", so der Staatsminister. "Das höre ich vor allem dann, wenn ich über meine Kontakte zu internationalen LGBTI-Aktivisten spreche. Das wird so ein bisschen als Luxusproblem wahrgenommen. Und dann wird oft behauptet, es gebe ja nun wirklich Wichtigeres."
Das verstehe er jedoch überhaupt nicht, stellte Michael Roth im "Welt"-Interview klar. "Es geht nicht um Sonderrechte für LGBTI, sondern um Menschenrechte. Und die gelten immer und überall. Das verpflichtet vor allem uns Sozialdemokraten. Denn in mehr als 30 Ländern sind gleichgeschlechtliche Beziehungen immer noch strafbar, in einigen wird Homosexualität mit langjährigen Haftstrafen oder sogar mit der Todesstrafe geahndet."
Sein Coming-out mache "vielen Menschen in Europa Mut"
Vor seinem Eintritt 2013 ins Auswärtige Amt habe er sein Schwulsein nie zum Thema gemacht, berichtete Roth. "Im Gegensatz zu den 'politischen Großvätern der Bewegung' habe ich mich nicht als LGBTI-Aktivist gesehen. Ich sagte mir: Warum soll ich mich dafür einsetzen, nur weil ich schwul bin?" Er habe seine Meinung aber geändert, "als ich feststellte, dass allein das Bekenntnis, Schwuler in einer Regierung zu sein, vielen Menschen in Europa Mut macht". Denn das sei in vielen Ländern alles andere als eine Selbstverständlichkeit. "Auch in manchen EU-Staaten gibt es, bis auf ganz wenige Ausnahmen, faktisch keine geouteten Schwulen oder Lesben, die in der Öffentlichkeit herausragende Ämter besetzen."
Dass seine Homosexualität ihm bei der Kandidatur für den SPD-Vorsitz schadet, glaube er nicht. "Ich weiß natürlich, dass ich zu fortgeschrittener Stunde auch mal Gegenstand der üblichen Altherrenwitze werden kann", sagte Roth. "Aber das würde auch der Fall sein, wenn ich eine Frau und zwei Kinder hätte, dann eben mit einer anderen Pointe. Das möchte ich nicht überbewerten."
Michael Roth hatte sich 2012 mit seinem langjährigen Freund verpartnert. Als Staatsminister hatte er sich immer wieder für LGBTI-Rechte engagiert. 2015 lud er etwa im Auswärtigen Amt zur Podiumsdiskussion "100% Gleichstellung in Europa – Slowenien und Irland setzen Maßstäbe" (queer.de berichtete). Später gab es einen Runden Tisch zu LGBTI-Rechten im Westlichen Balkan (queer.de berichtete). Als einer der ersten deutschen Politiker kritisierte Roth im Bundestag die Verfolgung Homosexueller in Tschetschenien und erklärte, die Bundesregierung arbeite daran, die Lage zu verbessern (queer.de berichtete). Als erstes Duo kündigte er Anfang Juli zusammen mit der ehemaligen nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann seine Kandidatur für den SPD-Vorsitz an (queer.de berichtete). (cw)