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Nach Kuss bei Konzert
Duma-Abgeordneter will Russen vor Rammstein schützen
Auf ihrer Russland-Tour zeigt die Berliner Rockband Rammstein ihre Solidarität mit der unterdrückten LGBTI-Community. Das missfällt der russischen Politik.

Rammstein überraschten mit ihrem Kuss vor über 80.000 Besuchern in Moskau viele Fans (Bild: Instagram / rammsteinofficial)
- 2. August 2019, 14:48h 3 Min.
Der Duma-Abgeordnete Witali Milonow hat im russischen Radiosender NSN mit scharfen Worten den Kuss der Rammstein-Gitarristen Paul Landers und Richard Z. bei einem Konzert mit über 80.000 Zuschauern in Moskau kritisiert. Die Band hatte den Kuss auch in sozialen Medien geteilt und dazu auf Russisch geschrieben: "Russland, wir lieben dich!" (queer.de berichtete).
"Wenn sie es für möglich halten, sich derartig aufzuführen, dann sollten wir es auch für möglich halten, uns von solchem Müll fernzuhalten", sagte Milonow, ein 45-jähriger Hardliner der Putin-Partei "Einiges Russland". In Europa gebe es schließlich viele "anständige Interpreten", die sich nicht so skandalös verhielten. Die Bandmitglieder bezeichnete er als "Idioten". "Wenn sie sich küssen wollen, sollen sie das in der Ukraine tun", so Milonow weiter. Er hatte der nach wie vor teilweise von Russland besetzten Ukraine wiederholt vorgeworfen, sich "dem Westen" anzubiedern und die gemeinsamen Werte mit Russland zu verraten.
Milonow, der 2016 erstmals in die Duma gewählt wurde, hat seine Karriere auf Homophobie aufgebaut. Als St. Petersburger Kommunalpolitiker initiierte er Anfang dieses Jahrzehnts ein Homo-"Propaganda"-Gesetz (queer.de berichtete). Kurze Zeit später wurde das Verbot auf ganz Russland ausgeweitet. Immer wieder sorgt er mit medienwirksamen Auftritten für Aufsehen: Im letzten Herbst blockierte er etwa persönlich den Eingang eines queeren Filmfestivals in St. Petersburg (queer.de berichtete). 2012 hatte er schon einmal – vergeblich – Ermittlungen gegen Rammstein gefordert, weil ein Konzert in der Stadt "unverhohlene und grobe Pornografie" dargestellt habe.
Rammstein in St. Petersburg
Rammstein werden am Freitagabend in der Gazprom-Arena in Milonows Heimatstadt auftreten. Nun wird darüber spekuliert, ob die in Russland sehr populäre Band erneut ein politisches Statement für LGBTI-Rechte abgibt. Gerade hier wäre es angemessen: Während die Szene St. Petersburgs noch unter Schock nach dem Mord an der LGBTI-Aktivistin Jelena Grigorjewa steht, hatte die Stadt drei mögliche Orte für den für diesen Samstag geplanten diesjährigen CSD nicht genehmigt. Am Donnerstagabend bestätigte ein Gericht das Demo-Verbot – die LGBTI-Aktivisten wollen nun am Samstag Einzelproteste abhalten, die keine Genehmigung benötigen, aber dennoch oft in Festnahmen enden.
Ein wichtiges Zeichen gegen Homophobie hatte Rammstein bereits in der letzten Woche gesetzt: Bei einem Auftritt in Polen hatte Schlagzeuger Christoph Schneider bereits eine Regenbogenfahne geschwenkt – auf einem Gummiboot mitten im Publikum. Das wurde als Reaktion auf brutale Übergriffe bei einen CSD im ostpolnischen Bialystok gewertet (queer.de berichtete).
Twitter / RaReiHEGroßartig, #Rammstein mit Regenbogen-Fahne im revanchistischen Polen. #noRacism #NonewFascism pic.twitter.com/Kn9dvuN29h
Kurzbesuch in Liga 3 (@RaReiHE) July 27, 2019
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In deutschen Medien wird die Band für ihre Aktionen mit Lob überschüttet. Der Ressortleiter Außenpolitik der konservativen Tageszeitung "Die Welt" bezeichnete Rammstein nach dem Kuss etwa als "besten Botschafter, den sich Deutschland im Ausland vorstellen kann". RTL Online titelte ganz überrascht: "Rammstein kann auch soft provozieren". (dk)

Links zum Thema:
» Offizielle Homepage von Rammstein
www.youtube.com/watch?v=nd2Z3nXnLD0