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Russland

St. Petersburg: Über zehn Festnahmen bei friedlichem CSD

Erneut unterbindet die Polizei der russischen Metropole einen queeren Protest. Die Stadt hatte zuvor mit Verweis auf das Gesetz gegen Homo-"Propaganda" mehrere mögliche Orte für den Pride nicht genehmigt.


St. Petersburg am Samstag (Bild: Alexej Nazarow / facebook)

  • Von Norbert Blech
    3. August 2019, 17:46h 7 5 Min.

Während die Polizei in Moskau am Samstag hunderte Menschen bei einem erneuten Protest für freie Wahlen festnahm, unterband sie in St. Petersburg am Nachmittag auch den diesjährigen CSD. Insgesamt wurden 15 queere Aktivisten bei einer Kundgebung auf dem Palastplatz festgenommen, in Polizeibusse oder -wagen gebracht und zu einer Wache gefahren, darunter CSD-Mitorganisator Alexej Nazarow. Zuvor hatte der Pride für einige Minuten halbwegs unbehelligt stattfinden können. Beamte nahmen Videoaufnahmen zufolge zunächst nur Personalien auf. Später wurden Aktivisten einzeln abgeführt.

Direktlink | Eindrücke mehrerer Festnahmen
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Einigen Berichten zufolge wurde in einen der mit Demonstranten besetzten Polizeibusse Reizgas gesprüht. Ein in sozialen Netzwerken verbreitetes Bild zeigt eine offenbar durch eine Handschelle erfolgte Verletzung am Arm einer festgenommenen Person. In der Regel werden die bei LGBTI-Protesten Festgenommenen nach einigen Stunden auf Polizeiwachen und der Feststellung von Personalien wieder freigelassen (Nachtrag 4.8.: Alle wurden kurz nach Mitternacht freigelassen, vier Personen offenbar mit leichten Verletzungen). Die Aktivisten hatten am Samstag legitime Einzelproteste abhalten wollen – wenn Personen genügend Abstand zueinander halten, benötigen diese nach russischem Recht dafür keine Erlaubnis.

Zuvor hatte die Stadt wie in einigen Vorjahren drei vom CSD-Veranstalter vorgeschlagene Protestorte abgelehnt – begründet mit dem Gesetz gegen Homo-"Propaganda" sowie je nach Ort mit angeblichen Reperaturmaßnahmen oder der Nähe von Kirchen, was zu Sicherheitsproblemen und Hetze gegen die Teilnehmer führen könnte. Ein Gericht hatte das Verbot am Donnerstagabend für rechtmäßig erklärt. In zehn Jahren habe man nie eine Demonstration abhalten können, beklagte der Pride-Organisator Juri Gawrikow am Freitag. So war es im Vorjahr am gleichen Ort unter fast gleichen Umständen ebenfalls zur Festnahme von rund 30 Aktivisten gekommen (queer.de berichtete).


Am Samstag erinnerte eine Aktivistin mit einem Bild an die getötete Jelena Grigorjewa. Bild: Artyom L.

In einigen Jahren hatten in der Stadt der CSD wie auch Veranstaltungen zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie im Marsfeld stattfinden können, für den für einige Zeit nach Vorbild der "Hyde Park Corner" in London keine Protestgenehmigungen notwendig waren. Beim CSD 2017 griffen allerdings mehrere Jugendliche CSD-Teilnehmer mit Pfefferspray an (queer.de berichtete). Auch in einigen anderen Jahren kam es zu schwerer Gewalt durch Gegendemonstranten und Polizisten, die manchmal Teilnehmer festnahmen. Mehr zur Lage in der Stadt in diesem Bericht zum CSD 2018.

Aktuell steht die St. Petersburger Szene noch unter dem Eindruck von dem brutalen Mord an Jelena Grigorjewa; die bisexuelle Aktivistin engagierte sich beim LGBT Network und in vielen anderen politischen Bereichen und war am 21. Juli in der Nähe ihrer Wohnung mit mehreren Stichwunden tot aufgefunden worden (queer.de berichtete). In dieser Woche hat die Polizei erneut einen Verdächtigen verhaftet. Dieser soll inzwischen gestanden haben, die Mutter einer erwachsenen Tochter in einem Streit unter Alkoholeinfluss getötet zu haben (queer.de berichtete). Russische LGBTI-Verbände forderten eine umfassende Untersuchung der Tathintergründe unter Berücksichtigung von Faktoren von Hasskriminalität. Eine Gedenkveranstaltung in der letzten Woche hatte die Polizei gewähren lassen (queer.de berichtete).

Verwirrende Signale von Rammstein

Mit Spannung war von LGBTI-Aktivisten am Vorabend des CSD erwartet worden, ob die deutsche Band Rammstein bei ihrem Konzert in der Gazprom-Arena von St. Petersburg ein Zeichen für queere Rechte setzt – nachdem die Band in den letzten Tagen im polnischen Chorzów mit Regenbogenflaggen und in Moskau mit einem Kuss zwischen zwei Gitarristen für Schlagzeilen gesorgt hatte. Die deutsche Ausgabe des "Rolling Stone" meinte, auf einem Konzertausschnitt aus St. Petersburg vom Freitag erneut einen Männer-Kuss gesehen zu haben, worauf die Band in ihren sozialen Netzwerken und russische Medien allerdings noch nicht eingegangen sind. Es könnte sich auch um eine Umarmung handeln.


Eindrücke aus Chorzów und Moskau

In sozialen Netzwerken spielte allerdings bei russischen Nutzern eine andere Symbolik eine Rolle: Als die Band auf Gummibooten durch die Zuschauermassen getragen wurde, schwenkten Bandmitglieder nicht wie in Polen die Regenbogenflagge. Keyboarder Christian Lorenz zeigte sich hingegen in St. Petersburg in der Uniform der Luftlandetruppen – an deren Feiertag. Dieser wird jährlich am 2. August begangen, mit offiziellen Feierlichkeiten, vor allem aber Saufgelagen. Während in sozialen Netzwerken einige Nutzer fragten, wie das Aufgreifen der Symbolik durch die Band zu verstehen sei, lobten die meisten den Auftritt als Unterstützung. "Rammstein feiert den Tag der Luftlandetruppen", schrieb etwa die Lokalzeitung Fontanka.


Für örtliche LGBTI sind das allerdings Trigger-Bilder: 2013 wurde der junge queere Aktivist Kirill Kalugin von Mitgliedern der Luftlandetruppen umzingelt und attackiert, als er an jenem Feiertag einen Einzelprotest mit Regenbogenflagge an der Eremitage abhielt (queer.de berichtete). Die beklemmenden Bilder gingen um die Welt.

Direktlink | Tag der Luftlandetruppen trifft auf schwulen Aktivististen, St. Petersburg am 2. August 2013
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Kalugin wollte darauf aufmerksam machen, dass Schwule und Lesben, anders als Soldaten, in Russland nicht frei feiern oder demonstrieren können. Der Protest ist eine Anspielung auf einen verbreiteten "Witz", der angeblich zurückgeht auf einen Spruch des früheren Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow: "Wir brauchen keine Schwulenparade, wir haben doch schon den Tag der Luftlandetruppen."

Ein Jahr später protestierte der Aktivist am gleichen Feiertag und an gleicher Stelle erneut: für LGBTI-Rechte, gegen Gewalt und gegen den Krieg in der Ukraine. Er wurde erneut angegriffen und festgenommen (queer.de berichtete). Während Kalugin nach Anfeindungen nach diesen und weiteren Protesten das Land verließ und in Deutschland einen Asylantrag stellte (queer.de berichtete), wurden am 2. August 2015 erneut mehrere LGBTI-Aktivisten festgenommen, die zum einem zum Jahrestag der Auseiandersetzungen mit den Luftlandetruppen ein Zeichen setzen und zum anderen gegen das damalige Verbot des CSD demonstrieren wollten (queer.de berichtete).

#1 PeerAnonym
  • 03.08.2019, 18:19h
  • "Als die Band auf Gummibooten durch die Zuschauermassen getragen wurde, schwenkten Bandmitglieder nicht wie in Polen die Regenbogenflagge. Keyboarder Christian Lorenz zeigte sich hingegen in St. Petersburg in der Uniform der Luftlandetruppen"

    Damit hat sich Rammstein komplett unglaubwürdig gemacht.

    Nicht nur, dass sie dem Druck nachgegeben haben und sich gefügt haben, nicht die Regenbogenflagge zu zeigen (obwohl sie ihren Status dort dafür hätten nutzen können). Sondern sie haben sogar noch den Truppen gehuldigt, die zur Verfolgung beitragen.

    Pfui Rammstein.

    Ihr habt Euch zu willigen Gehilfen gemacht...
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#2 LGBH0TTNZProfil
  • 04.08.2019, 02:17hSchwerte
  • Ein CSD ohne Prosecco, Techno, Travestieshow und Outdoor Cruising? Womöglich noch von unten organisiert und mit einer politischen Botschaft? So was kann doch nicht gut gehen! [Sarkasmus off]
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#3 WadumAnonym

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