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Nordbaden
Umfrage: LGBTI "erschreckend" oft Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt
Eine Umfrage in der Metropolregion Rhein-Neckar zeigt, dass sexuelle und geschlechtliche Minderheiten noch immer unter dem Hass der Mehrheitsbevölkerung zu leiden haben.

Die Umfrage zeigt, dass viele queere Menschen auch heute noch Diskriminierungs- und sogar Gewalterfahrungen machen
- 8. August 2019, 13:48h 3 Min.
In Nordbaden gibt es "ein hohes Maß an Gefährdung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen, queeren und nicht-binären Menschen in der Öffentlichkeit und einen deutlichen Bedarf nach Verbesserung der Situation". Das geht aus der Untersuchung "Sicher out?" (PDF) hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die aus öffentlichen Mitteln geförderte Studie beruht auf einer Umfrage vom vergangenen Herbst, an der sich über 400 Menschen aus Mannheim, Heidelberg und dem anliegendem Rhein-Neckar-Kreis, dem einwohnerstärksten Landkreis in Baden-Württemberg, beteiligt hatten. Die Ergebnisse werden in dem Bericht als "erschreckend" beschrieben.
Demnach hatten insgesamt 61 Prozent der Teilnehmenden Diskriminierungs- und/oder Gewalterfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten gemacht. 45 Prozent aller Befragten gaben an, im öffentlichen Raum durch einen anderen Menschen abgewertet, beschimpft oder bespuckt worden zu sein. 21 Prozent der Befragten berichteten von sexueller Belästigung und 14 Prozent von sexuellen Übergriffen.

Anteil der Befragten mit persönlichen Vorfällen in den letzten zwölf Monaten
LGBTI reagieren mit "Strategien der Unsichtbarkeit"
Sexuelle und geschlechtliche Minderheiten würden auf diese Bedrohung mit "Strategien der Unsichtbarkeit" reagieren. Insgesamt 89 Prozent der Befragten würden diese Methoden anwenden – sie verzichteten etwa im öffentlichen Raum auf Gesten gleichgeschlechtlicher Zuneigung wie Händchenhalten oder Küssen, vermieden das Tragen bestimmter Formen der Kleidung oder nutzten den öffentlichen Nahverkehr nur eingeschränkt.

Vermeidungsstrategien, die die Befragten in den letzten zwölf Monaten angewandt haben
Das Vertrauen in die Polizei ist der Umfrage zufolge gering. Nur eine von fünf Personen sei zur Polizei gegangen, wenn sie bedroht, körperlich oder sexuell angegriffen worden war oder eine versuchte Vergewaltigung erfahren musste. "Vor allem bei verbalen und sexualisierten Abwertungen und Angriffen sind die Betroffenen unsicher, ob sie bei der Polizei mit Unterstützung rechnen können. Gerade die Angst, von der Polizei nicht ernst genommen und respektvoll behandelt zu werden, scheint eine große Hemmschwelle zu sein", heißt es in dem Bericht. LGBTI würden sich wünschen, dass Sensibilisierungsmaßnahmen und Aufklärung nicht nur in der Allgemeinbevölkerung gemacht würden, sondern auch direkt bei Polizeibeamten.
Trotz dieser Erfahrungen fühlten sich queere Menschen im Großen und Ganzen in der Öffentlichkeit sicher – allerdings nur, wenn sie diese Vermeidungsstrategien anwenden. "Für eine zukunftsweisende Veränderung der Situation bedarf es daher einer klaren Positionierung der öffentlichen Institutionen, dass die uneingeschränkte und sichtbare Teilhabe am öffentlichen Raum gewünscht und geschützt ist und mit entsprechenden Maßnahmen gestärkt wird", empfiehlt der Bericht.
"Die Stadt Heidelberg nimmt die Ergebnisse der Umfrage sehr ernst und möchte künftig noch konsequenter gegen diese Formen von Gewalt und Abwertung vorgehen", erklärte der Heidelberger Integrationsdezernent Wolfgang Erichson (Grüne) in einem Vorwort zur Studie. Der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) verspricht, dass das strategische Ziel einer "vorbildlichen urbanen Lebensqualität" bis 2030 auch für LGBTI erreicht werden müsse, da sie ein sowohl "selbstverständlicher als auch wertvoller Teil der Stadtgesellschaft sind". (dk)

Links zum Thema:
» Infos zur Studie auf der Homepage der Stadt Heidelberg
Verdenken kann man die Vermeidungsstrategien nicht. Wenn man so und so oft wegen Kleidung, Gesten, Make-up oder was auch immer angepöbelt und sogar angegriffen wurde, will man irgendwann nur noch seine Ruhe haben.
Dann fallen eben die grünen Haare und leder trägt man nur noch im Club und zieht sich da auch um, um verkleidet als 08-15-Otto ungestört nach Haus zu latschen/Bus/Bahn zu fahren.
Dass es in BaWü noch schlimmer ist, als im Norden, weiß ich aus leidvoller Erfahrung. Man muss nicht mal auffällig aussehen, es reicht ein bloßer, leiser Verdacht oder das unüberlegte Nachgeschwätz wahlloser Leute. Die Dörfler hören und sehen wie die Habichte.